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WM-Talk bei "Maischberger" | Marcel Reif: "Diese Jungs sind überfordert"


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Katar-Talk bei Maischberger
Fußballexperte Marcel Reif: "Diese Jungs sind überfordert"


Aktualisiert am 24.11.2022Lesedauer: 5 Min.
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Fußballexperte Marcel Reif nimmt die Nationalmannschaft in Schutz. (Quelle: IMAGO/ULMER)
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Florian Harms, Chefredakteur von t-online, sieht die Zukunft des Spitzenfußballs in Gefahr. Geld könne ihn zerstören wie Drogen den Radsport, warnte er bei "Maischberger".

"Es hat mich an die drei Affen erinnert: nichts sagen, nichts hören, nichts sehen." Die als starkes Zeichen gemeinte Mundzuhalten-Geste der deutschen Fußballnationalmannschaft stieß in der Mittwochausgabe von "Maischberger" nicht nur bei der Journalistin Hatice Akyün auf wenig Anerkennung.

Florian Harms, Chefredakteur von t-online, sah aber nicht nur die Spieler oder die Politik in der Pflicht. Für ihn geht es gerade ums Überleben des Fußballs. "Das Geld ist die Droge, die diesen Sport kaputtmachen kann, zumindest den Spitzensport – genauso, wie die Drogen den Radsport zerstört haben", sagte er. "Darüber müssten wir eigentlich viel intensiver reden."

Die Gäste

  • Boris Bondarew, ehemaliger russischer UN-Diplomat
  • Carlo Masala, Militärexperte
  • Gilda Sahebi, in Teheran geborene Journalistin
  • Florian Harms, Chefredakteur von t-online
  • Hatice Akyün, Kolumnistin des "Tagesspiegel"
  • Marcel Reif, Fußballkommentator

Harms nahm in der ARD-Talkshow auch Fans in die Pflicht, für die Integrität des Sports ein- und aufzustehen. "Wir sind an einem Punkt, da können wir nicht sagen: Nur die Politik soll Haltung zeigen. Das ist die größte Veranstaltung, die wir gerade auf der Welt haben. Da sollte man schon auch Werte zeigen können, wenn man wirklich an diese Werte glaubt", sagte er. "Aber das können wir nicht nur von den Spielern verlangen. Das ist eine größere Frage und die berührt das, worum es hier eigentlich geht – nämlich das Geld."

"Richtig Haltung war da nicht"

Akyün hätte sich von der deutschen Nationalelf beim Debakel um die von der Fifa verbotene "One Love"-Armbinde dennoch mehr Rückgrat gewünscht. "Richtig Haltung war da nicht", kritisierte die Journalistin. "Wenn man Haltung zeigen möchte, dann muss man auch mit den Konsequenzen rechnen. Die Fifa hat sich ja auch nicht festgelegt, was die Strafe sein sollte."

Etliche Fußballfans sind bereits jetzt Verlierer der WM. "Ich hab viele Bekannte, die haben heute schon gar nicht mehr zugeguckt. Da ist kein WM-Fieber", meinte Harms. Das Emirat Katar hingegen sah der studierte Islamwissenschaftler bereits als Gewinner. Das winzige Königreich lebe angesichts seiner mächtigen Nachbarn mit ständiger Angst.

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Das Fußballgroßereignis sei deshalb ins Land geholt worden, um Katar als festen Teil der internationalen Gemeinschaft zu positionieren. "Die politische Sichtbarwerdung haben sie bereits, durch diesen ganzen Prozess und auch durch die kritische Berichterstattung. Das ist wichtiger, als gar nicht stattzufinden", attestierte der t-online-Chefredakteur der absoluten Monarchie, in der nur rund 300.000 Staatsangehörige leben.

"Diese Jungs sind überfordert mit dem Ganzen", sagte Marcel Reif mit Blick auf die deutsche Elf. Er warf den europäischen Verbänden vor, sich im Machtkampf mit Fifa-Boss Gianni Infantino verhoben zu haben: "Infantino will den Europäern zeigen, wo der Hammer hängt." Gedämpft war seine Stimmung auch durch die Auftaktniederlage Deutschlands gegen Japan. Hier lesen Sie mehr dazu.

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Ihm fehle ein bisschen die Fantasie, um sich einen Sieg der Bundestruppe gegen den nächsten Gegner, Spanien, vorzustellen, gab Reif zu. Die Japaner hätten den Gewinn verdient. "Die haben nur aufgehoben, was die Deutschen haben liegenlassen", sagte der Experte und warf der deutschen Elf haarsträubende Fehler vor: "So kannst du nicht WM spielen."

Kritik an iranischer Mannschaft

Als weitaus stärkeres Zeichen wurde hierzulande die Weigerung der iranischen Mannschaft gewertet, die Nationalhymne zu singen. Ganz anders sei die Stimmung im Iran selbst. "Man hat erwartet, dass sie mehr machen", berichtete die in Teheran geborene und als Kind mit ihren Eltern nach Deutschland geflohene Journalistin Gilda Sahebi. Die Ärztin schreibt für die "Tageszeitung" (taz) und den "Spiegel". Sie konnte die deutsche Reaktion auf die Geste jedoch verstehen, "weil sich natürlich die deutsche Nationalmannschaft nicht sehr mutig gezeigt" habe. "Da ist der Unterschied natürlich sehr auffällig."

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Sahebi wertete die jüngsten Angriffe des Irans auf kurdische Gebiete als "Versuch des Regimes abzulenken davon, dass im Land gerade eine Revolution" passiere. "Dass der Großteil der Menschen im Iran dieses Regime nicht mehr haben will." Im Ausland komme nur ein Bruchteil dessen an, was im Land gerade geschehe, weil das Internet teilweise oder in einigen Regionen sogar ganz abgeschaltet werde.

"Jede Person, die ein Video macht, damit die Welt es sieht, riskiert ihr Leben. Es sind auch schon Menschen dafür umgebracht worden", sagte die Journalistin mit doppelter Staatsbürgerschaft. "Aber sie machen es trotzdem, weil sie sehen, dass zum ersten Mal hingeschaut wird. Dafür tun sie alles."

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Anzeichen einer "Zeitenwende" in der deutschen Iranpolitik vermisste Sahebi aber auch nach ihrem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Sie attestierte Deutschland, jahrzehntelang mit dem Mullah-Regime gute Geschäfte gemacht zu haben. Mit einer gewissen Naivität sei bei Menschenrechtsverbrechen lieber nicht so genau hingeschaut worden.

Fiel Putin auf eigene Propaganda rein?

Schluss mit dem Selbstbetrug forderte eindringlich der ehemalige russische UN-Diplomat Boris Bondarew. Er hatte seinen Posten im Mai 2022 unter öffentlichem Protest gegen den Angriff auf die Ukraine niedergelegt. Die "Neue Zürcher Zeitung" nannte sein Rücktrittsschreiben, in dem er auch von einem Verbrechen gegen das russische Volk sprach, als die bis dato prominenteste Protestgeste eines russischen Diplomaten.

Bondarew warnte den Westen davor, den Ukraine-Krieg nicht als das zu sehen, was er ist. "Das ist wie der Dritte Weltkrieg. Das ist nicht der Krieg, den die Russen gegen das ukrainische Volk führen. Es ist Putins Krieg gegen Sie – die Deutschen, die Franzosen, die Briten, die Italiener, Amerikaner – alle westlichen Völker", betonte er. "Es ist Ihr Krieg. Es wäre Ihre Niederlage."

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Masala für mehr Druck auf Moskau

Bondarew hatte angesichts der für ihn offensichtlichen schlechten Erfolgsaussichten bis zuletzt nicht mit einer russischen Invasion gerechnet. Er ging bei "Maischberger" davon aus, dass Machthaber Wladimir Putin vom Außenministerium und dem Geheimdienst falsch informiert worden war. Denn das ganze System sei inkompetent und korrupt, meinte der aus der Schweiz zugeschaltete Ex-Diplomat.

"Dieses System fabriziert Nachrichten, die denen gefallen, und nicht Informationen, die wahr sind." Für den Kreml-Herren stehe nun alles auf dem Spiel. "Putin ist der Führer eines Wolfsrudels. Wenn er Schwäche zeigt, wird er getötet. Deswegen glaube ich, dass er es sich nicht leisten kann, diesen Krieg zu verlieren oder als Verlierer betrachtet zu werden."

Je länger der Krieg dauere, desto stärker werde der Zusammenhalt im Westen bröckeln, warnte Militärexperte Carlo Masala. Der Professor für internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München plädierte dafür, den Druck auf Russland zu erhöhen. So könne die Nato drohen, der Ukraine bessere Kurzstreckenraketen zu liefern, sollte die Zerstörung der Infrastruktur anhalten. "Vielleicht wäre es an der Zeit, dass wir ein bisschen unberechenbarer werden gegenüber den Russen", sagte Masala.

Verwendete Quellen
  • daserste.de: "Maischberger" vom 23. November
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