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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aufregung um "One Love"-Binde "Der DFB hat fatale Fehler gemacht"
Der DFB und Kapitän Neuer stehen bei der WM nicht zur "One Love"-Binde. Der erste Sponsor ist abgesprungen. Auch Fan-Vertreter Dario Minden kritisiert den Verband.
Bei der EM 2021 trug DFB-Kapitän Manuel Neuer die Regenbogenbinde als Zeichen der Solidarität mit der LGBTQI+-Szene. Doch dabei blieb es nicht. Denn der DFB und andere Nationen stiegen in einer gemeinsamen Aktion auf die "One Love"-Binde um. Ein Zeichen für Diversität – mit anderen Farben (mehr dazu lesen Sie hier). Inzwischen ist auch klar, dass die "One Love"-Binde nicht bei der WM zum Einsatz kommt. Die Nationen sind "wie die Fliegen umgefallen", wie Sportchef Andreas Becker in seinem Kommentar schrieb.
Auch Dario Minden, der stellvertretende Vorsitzende der Fan-Dachorganisation "Unsere Kurve", sagte dem katarischen Botschafter beim DFB-Menschenrechtskongress im September seine Meinung (mehr dazu lesen Sie hier). Nun kritisiert er im Gespräch mit t-online den DFB.
t-online: Wie stehen Sie zum DFB-Verzicht in Bezug auf die "One Love"-Binde?
Dario Minden: Es ist traurig und peinlich, dass der DFB, nach all den Vorankündigungen, vor einer Gelben Karte eingeknickt ist. Auf der anderen Seite ist es aber auch schön zu sehen, wie weiten Teilen der Gesellschaft eben nicht alles egal ist.
Sind Sie der Meinung, dass Manuel Neuer die Binde trotzdem tragen sollte?
Selbstverständlich. Jochen Breyer hat es auf den Punkt gebracht: "Ein Zeichen, das man nur dann setzt, wenn man dadurch keinerlei Konsequenzen zu befürchten hat, ist kein Zeichen". Und was hat der DFB nicht alles gesagt in den letzten Monaten, wenn er damit konfrontiert wurde, wie falsch dieses Turnier doch ist. Dass man viel mehr erreichen könne, wenn man vor Ort Haltung zeige. Und auf die Frage, warum es keine echte Pride-Binde sein wird, wurde erwidert: Zusammen mit den anderen Nationen könne man ein viel stärkeres Zeichen setzen. All das scheint jetzt hinfällig.
Welches Signal muss der DFB senden, um in Zukunft ernst genommen zu werden?Es gibt nicht den einen Knopf, den dieser große Verband mit all seinen fatalen Fehlern der Vergangenheit drücken könnte, um alles wiedergutzumachen. Es ist ein langsamer Prozess. Die Ansage der Fifa, die "One Love"-Binde nicht zu wollen und eventuell mit Gelb für den Kapitän ahnden zu lassen, war eigentlich eine große Chance für den DFB: Er hätte einen großen Schritt machen können.
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So sieht alles nach einem Image-Desaster aus, auch wenn wir für eine abschließende Beurteilung noch den morgigen Spieltag abwarten sollten. Das Tragen einer Binde mit einer Botschaft, die der Fifa nicht genehm ist, ist zudem auch erst ein ganz kleiner Schritt. All die verbrecherische und viele Male tödliche Ausbeutung, all die Korruption und vieles mehr wären dadurch ja nicht ausgemerzt. Aber es wäre ein Schritt hin zum Besseren – und für den DFB ein Schritt hin zum ernstgenommen werden.
Ist der DFB noch glaubwürdig, wenn er künftig was zu Menschenrechten sagt?
In meinen Augen nicht. Wenn man schon vor einer etwaigen Gelben Karte in die Knie geht, dann zeigt man doch, wie ernst man vermeintliche "Solidarität" meint. Wenn die deutsche Mannschaft nicht in der Lage ist, eine Gelbe Karte in Kauf zu nehmen, um ein Zeichen für die weltweit verfolgte und bedrohte LGBTQ+ Community zu setzen, dann sollte er sich auch künftig den Gratismut sparen. Und wenn man dann in den Iran blickt und sieht, welche Risiken die iranische WM-Delegation auf sich und ihre Familien nimmt, um Zeichen zu setzen, dann erschreckt man umso mehr vor dem deutschen Duckmäusertum.
Welchen Wunsch haben Sie an die Fans?
Ich finde es ermutigend, wie Fußballfans im ganzen Land eine kritische Masse darstellen. Wie sie eindrucksvoll beweisen: Wir machen nicht jeden Mist mit, den ihr für Geld verzapft. Wir brauchen Fans und Breitensportlerinnen und Sportler als Gewissen des Fußballs, als selbstbewusste Gestalter an der Basis – und nicht als treudoofe Konsumentenmasse, die noch jedes blutige Großturnier schluckt, Hauptsache der Ball rollt. So dystopisch die Wahnsinnsshow in Katar gerade auch ist, so mutmachend sind die Signale von der Basis hierzulande. Dazu passt auch, dass Rewe die Partnerschaft mit dem DFB aufgekündigt hat, weil auch Sponsoren langsam merken, wie viel Schaden der Spitzenfußball gerade anrichtet und dass man sich davon lieber distanzieren sollte.
- Interview mit Dario Minden