Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Deutsche U17 ist Weltmeister Wück hat geschafft, woran Nagelsmann gescheitert ist
Die deutsche U17 triumphiert in Indonesien und ist Weltmeister. Die junge Mannschaft begeistert – und führt damit die Profis vor.
Mit einer Einschätzung lag Christian Wück am Ende dann doch nicht ganz richtig – oder zumindest nur wenige Minuten lang. Gerade erst hatte die U17 des DFB in einem packenden Finale gegen Frankreich den WM-Titel beim Turnier in Indonesien gewonnen, da erklärte der Bundestrainer freudetrunken bei RTL: "Wenn einer den Charakter dieser Mannschaft kennengelernt hat, dann heute in diesem Spiel" sagte Wück, "gegen solche Widerstände anzukämpfen, selbst im Elfmeterschießen immer wieder hinten zu liegen, einfach unglaublich."
Doch Charakter hat diese U17, die sich nun zur besten der Welt gekrönt hat, nicht nur während der mitreißenden, zeitweise dramatischen Partie gegen die "Bleus" bewiesen – sondern auch danach.
Spielerische und menschliche Größe
Ist es Ihnen nämlich auch aufgefallen? Bei der Siegerehrung wenige Momente nach Wücks Interview, die bei allen Weltturnieren von Fifa und Uefa im immergleichen Modus auf dem gefühlt immergleichen Podium stattfindet, reckte nicht – wie sonst üblich – der Mannschaftskapitän des Siegers den Pokal in die Höhe. Stattdessen riefen Spielführer Noah Darvich und seine Teamkollegen Wück auf das Podest, überreichten ihm die Trophäe – und der 50-Jährige stemmte den Pokal umringt von seinen Spielern in den Nachthimmel von Surakarta.
Der Erfolg der deutschen Junioren in Südostasien war nicht nur aufgrund dieser Zurschaustellung spielerischer und menschlicher Größe ein Triumph der tollen Teenager – und, so muss man es auch sagen: Eine Vorführung der A-Mannschaft, eine Fallstudie, eine Blaupause, wie es sein sollte, wie es sein muss beim viermaligen Weltmeister.
"Als Team haben wir das richtig gut gemacht", erklärte Darvich nach dem Spiel – und tatsächlich zeigte die Elf während dieser Tage auf dem Inselstaat auch wirklich alles, was bei den "Großen" so lange schon schmerzlich vermisst wird: Einsatz, Kampfbereitschaft, Spielwitz, Biss, Aggressivität, Zusammenhalt – und Herz. Eine Gruppe verschworener Heranwachsender hat millionenschweren Stars gezeigt: So geht das! Nehmt Euch ein Beispiel!
Ein Unterschied wie Tag und Nacht
Denn diese Mannschaft hatte Spaß, sie machte Spaß, und selbst mit außerordentlicher Gedächtnisleistung kann nur schwer in Erinnerung gerufen werden, wenn dies zuletzt dem eigentlichen Aushängeschild des Deutschen Fußball-Bundes zu schaffen vergönnt war. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, als käme diese U17 mit ihrer ganzen Positivität aus einem Paralleluniversum, in dem der deutsche Fußball Titel um Titel einheimst.
Vom A-Team geblieben sind stattdessen Eindrücke einer Mannschaft irgendwo zwischen Unvermögen und Gleichgültigkeit, eines dauerbeleidigten Bundestrainers, der in seinem verkrampften Bestreben, zu zeigen, dass er in der Krise noch einen Plan hatte, nur zeigte, dass er in der Krise eben keinen Plan mehr hatte. Und der seines Nachfolgers, dessen Energie nach nur vier Spielen schon strapaziert zu sein scheint.
Die U17 hat geschafft, was die Profis mit zur Schau gestellter Planlosigkeit verbaselt haben: Das deutsche Länderspieljahr 2023 endet mit einem Erfolg, mit denkwürdigen Szenen, mit Grund zur Freude. Dafür gebührt ihnen Hochachtung und Dank – nicht nur der Fußballfans, auch ihrer älteren Kollegen. Diese haben hoffentlich genau hingeschaut.
Im besten Fall steht Julian Nagelsmann dann am 14. Juli 2024 nach dem Finale der Heim-EM im Berliner Olympiastadion und sagt: "Wenn einer den Charakter dieser Mannschaft kennengelernt hat, dann heute in diesem Spiel". Und liegt wie Christian Wück mit dieser Einschätzung dann nur bis zur Siegerehrung richtig…
- Eigene Beobachtungen