Heute beendet er seine Karriere "Gott sagte Totti: Geh herunter und spiel Fußball"
Italiens Stürmer-Legende Francesco Totti bestreitet zum Saisonfinale sein allerletztes Spiel für die AS Rom. Gegner ist der FC Genua. Im 25. Jahr bei dem Traditionsverein läuft Tottis Vertrag aus – nach mehr als 600 Pflichtspielen und über 300 Toren. "Rom-Genua, Sonntag 28. Mai 2017, das letzte Mal, dass ich das Trikot von Rom anziehen kann", schrieb der 40-Jährige am Donnerstag in einem emotionalen Facebook-Post.
t-online.de-Reporterin Valeria Meta wohnt in Rom und schreibt aus der Stadt von Francesco Totti über diesen einzigartigen Stürmer.
Ein Leben ohne AS-Rom-Trikot? Undenkbar!
Er bekam es einfach nicht über die Lippen! Schon vor ein paar Wochen sollte Francesco Totti in einem TV-Interview ankündigen, dass das Spiel gegen Genua am 28.Mai sein letzter Auftritt im AS-Rom-Trikot sein soll. Im letzten Moment fehlten Totti die Worte, um seinen eigenen Abschied zu verkünden. Womöglich, weil er sich kein Leben ohne dieses Trikot vorstellen kann.
Kein Wunder! In die Jugendabteilung kam er mit 12 Jahren an, mit 16 debütierte er in der Serie A und mit 21 wurde er Mannschaftskapitän. 28 seiner fast 41 Lebensjahre verbracht er bei AS Rom. Jeder nach dem Jahr 1990 geborene Fan, kann sich nicht an eine Mannschaft ohne ihn erinnern. Er war einfach immer da. Schließlich hat er am Donnerstag doch noch seinen Abschied bekannt gegeben: „Gegen Genua werde ich mein letztes Spiel im AS Rom-Trikot spielen dürfen“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite, „Es ist nicht möglich, in Worte zu fassen, was mir AS Rom bedeutete und für immer bedeuten wird“.
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Der zweitbeste Serie-A-Spieler aller Zeiten
Ohne ihn würde die AS-Rom-Geschichte ganz anders aussehen: Niemand hat mehr Spiele absolvierte (785) und mehr Tore erzielt (307) als er. In der allgemeinen Torjägerliste der Serie A steht Totti auf Platz zwei: 250 Tore, alle in demselben Trikot erzielte. Deswegen ist es wenig überraschend, dass ihm der Verzicht auf seine ganze Welt besonders schwer fällt. Immerhin: Beim AS Rom hat Totti noch einen Sechs-Jahres-Vertrag als Manager und der neue Sportdirektor Monchi möchte ihn als Berater. „Ich bin für ein neues Abenteuer bereit“, liest man noch auf Facebook. Ob so ein Abenteuer auf oder neben dem Feld stattfindet, bleibt aber offen.
Inzwischen gilt das Spiel gegen Genua als Abschiedsparty: Totti wird sogar ein besonderes Trikot geschenkt bekommen, worauf eine Liebesbotschaft des Klubs steht. Die Stimmung unter den Fans ist gedrückt: Wie wird es beim AS Rom ohne Kapitän, Symbolfigur und Stammspieler weitergehen?
Kapitän mit 21 Jahren
Francesco Totti war noch nicht 22 Jahre alt, als er die Binde erhielt. Im Sommer 1998 wählte der damalige AS Rom-Trainer Zdenek Zeman den jungen Star als neuen Spielführer, obwohl sein Charakter nicht der eines klassischen Leaders ist. Totti ist kein Typ, der in der Kabine schreit, er ist eher ein ruhiger Kapitän, auf den man immer vertrauen kann. Ein Kapitän, der häufig scherzt, der eine besondere Art der Ansprache hat. Oft weiß man nicht, ob er das, was er sagt, genauso meint – das ist übrigens eine Eigenschaft des römischen Humors.
Sein größter Erfolg als Kapitän war natürlich der Meistertitel 2001: Wenn man in Rom noch daran denkt, fällt einem als Erstes Tottis Lauf zur „Curva Sud“ im letzten Saisonspiel gegen den AC Parma ein. Der unter Trainer Fabio Capello gewonnene „Scudetto“ bleibt für immer auf seiner Haut: Das Tattoo des Gladiators auf seinem rechten Arm gilt sowohl als Selbstporträt als auch als Huldigung seines Lieblingsteams.
Sein Erbe wird nun Daniele De Rossi antreten, der eine ganz andere Persönlichkeit besitzt aber genauso verliebt in den Verein ist wie Totti.
Besonders hohe Erwartungen an Spieler aus der eigenen Stadt
Wie wichtig die Beziehung zwischen Totti und seiner Stadt ist, erklärt am besten Steven Gerrard: „Ich glaube, sein Glück ist daraus entstanden, dass er die Leute in seiner Stadt glücklich gemacht hat. Er spielt immer für sie, genauso wie ich es in Liverpool für die Fans tat“, sagte der ehemalige Liverpool-Kapitän beim AS-TV-Kanal „Roma TV“. Das enge Verhältnis mit den Fans entstand beim ersten Kontakt: Schon als der 16-jährige Totti am 28.März 1993 das Feld von Brescia betrat, fühlte man sich mit ihm verbunden, als ob er ein kleiner Bruder wäre.
Das konnte natürlich eine Stärke sein, ihn aber auch unter Druck stellen. Bei römischen Spielern fallen die hohen Erwartungen oft unerträglich aus. Totti konnte trotzdem immer gut mit dieser „übertriebenen Liebe“ umgehen.
Bei Real hätte er sein Gehalt selbst bestimmen können
Kritiken gab es ständig: Er spielte nicht entscheidend genug, war zu faul und sogar beim Derby zu nervös, was eher komisch klingt, da er mit elf Toren historischer Rekordschütze im Derby ist. Faul, wie ihn der ehemalige AS Rom-Generaldirektor Franco Baldini einmal bezeichnete, ist er tatsächlich nicht. Kein Zufall, dass sein Lieblingstrainer Zdenek Zeman ist, der die „Giallorossi“ zwischen 1997 und 1999 und noch 2012 trainierte und für seine harten Trainings bekannt ist. Totti hätte zu den größten Vereinen der Welt wechseln können und alles gewinnen – Real Madrid soll ihm angeboten haben, selbst sein Gehalt zu wählen. Er hat alle Angebote abgelehnt. In einem anderen Trikot hätte kein Titel denselben Geschmack wie in Rom gehabt.
„Als Torwart bin ich sein Lieblingsopfer“, sagte Juventus' Nummer Eins Gigi Buffon bei „Roma TV“, „aber einige seiner Tore waren so schön, dass ich einem Meisterwerk geschadet, wenn ich sie verhindert hätte“. Noch wunderbarer sind aber wahrscheinlich seine Vorlagen, jene No-Look-Pässe, die so aussehen, als ob sie plötzlich die Größe des Feldes veränderten. Carlo Mazzone zufolge sei Totti nämlich kein echter Mittelstürmer, sondern ein Halbstürmer.
Spalletti machte ihn zur Falschen Neun
Im Laufe seiner Karriere hat er eigentlich in fast jeder Rolle zwischen Mittelfeld und Angriff gespielt und erst 2006 begann Luciano Spalletti, ihn als Falsche Neun zu verwenden – drei knappe Jahre bevor Pep Guardiola das Gleiche mit Leo Messi machte. Trotz der schweren Sprunggelenk-Verletzung, die er sich gerade vier Monate vor der Weltmeisterschaft 2006 zuzog, trug er bei Italiens viertem Titel mit dem entscheidenden Elfmeter im Achtelfinale zum Erfolg bei.
Trotzdem wird in Italien manchmal noch behauptet, „wir sind trotz Totti Weltmeister geworden“. In der Tat veränderte Francesco die Geschichte der italienischen Nationalmannschaft. Vor und nach ihm haben die „Azzurri“ beim Elfmeterschießen eine Reihe von Enttäuschungen erlebt. Mit ihm blieben Elfmeter als Ruhmestaten in Erinnerung, von dem von Panenka gegen Edwin Van der Sar im EM-Halbfinale 2000 bis zu dem schon erwähnten Tor in der Nachspielzeit gegen Australien.
"Gott sagte: Geh runter und spiel Fußball"
Am Anfang von Tottis Geschichte bei der „Squadra Azzurra“ steht übrigens ein Elfmeter im alten Wembley Stadion während des U16-Duells England gegen Italien im Jahr 1992. Fußball war immer seine große Begabung. „Es sieht so aus, als ob der Gottvater ihm sagte ‚Geh doch mal herunter und spiel einfach Fußball‘“, sagte einmal Italien-Legende Gigi Riva. Noch heutzutage gilt Francesco als ein 40-jähriges Wunderkind.
Deswegen hat Steven Gerrard völlig Recht: Totti hat viele Leute glücklich gemacht. Fans vom AS Rom und der Nationalmannschaft, Fußballfans aus Italien und der ganzen Welt und jeder, der die Schönheit auf dem Feld erkennt und liebt. Für sie wird es ohne Totti etwas weniger Glück geben. Alle werden aber noch glücklich sein, wenn sie daran denken werden, „Ich habe Totti spielen gesehen“.