Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Schon bald alle zwei Jahre? Die Fußballwelt streitet über die WM-Revolution
Im Weltfußball brodelt es. Die Fifa plant eine Reform der WM, will ein Turnier alle zwei Jahre. Doch das gefällt vor allem der Uefa nicht, die zum Gegenschlag ausholt. Der Streit droht zu eskalieren.
Die Fifa plant eine Revolution der Weltmeisterschaften. Der Fußball-Weltverband spricht sich für eine WM alle zwei Jahre aus, momentan ist der Rhythmus noch vierjährig. Für dieses Vorhaben hat sie sogar schon eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, deren Neutralität angezweifelt wird. Präsident Gianni Infantino wirbt aktuell um Zustimmung, hat sich dabei sogar Hilfe von über 80 ehemaligen Trainern und Spielern geholt, die als "Berater" seine Pläne unterstützen. Unter ihnen befanden sich mit Sami Khedira, Lothar Matthäus und Jürgen Klinsmann auch drei ehemalige deutsche Nationalspieler. Wie groß der tatsächliche Beratungsanteil war, bleibt offen.
Die geplante Wirkung hingegen ist klarer: Die großen Namen sollen die Fans überzeugen, dass die WM eine tolle Idee sei. Dabei ist sich Fifa-Direktor Arsène Wenger sicher, die WM alle zwei Jahre sei ohnehin "das, was die Fans wollen".
Doch die Idee ist umstritten. Schon jetzt platzt der Fußballkalender aus allen Nähten. Die Winter-WM 2022 in den Spielplan zu integrieren, ist für die Ligen Arbeit genug. Und es wird nicht leichter, denn immer mehr Spiele kommen dazu. Sei es durch neue Wettbewerbe wie die Conference League mit ihren Qualifikationsrunden oder ligainterne Veränderungen. Die nationalen und internationalen Verbände wollen verdienen am Fußball – so viel wie möglich. Die Belastungsgrenze der Spieler ist erreicht. Einige Trainer wie Jürgen Klopp oder Christian Streich sprachen sich daher klar dagegen aus.
Gegenwind von Ceferin
Die Fifa führt ihre Pläne trotzdem fort. Das hat finanzielle Gründe. Rund 90 Prozent seiner Einnahmen generiert der Weltverband durch das Turnier. Der Umsatz geht in den WM-Jahren durch die Decke. 2018 machte die Fifa einen Umsatz von über 4,6 Milliarden US-Dollar (umgerechnet rund 3,9 Millionen Euro), 2020 lediglich 267 Millionen US-Dollar, was 225 Millionen Euro entspricht.
Die Rechte für die Weltmeisterschaften bis 2032 sind dazu bereits verkauft. Bei weiteren Turnieren in den geraden Nicht-EM-Jahren könnte die Fifa neue Einnahmen generieren.
Doch in jenen Nicht-EM-Jahren gibt es Konkurrenz – von der Uefa. Die europäische Fußball-Union trägt dort bekanntlich die EM aus. Uefa-Boss Ceferin reagierte daher bestimmt: "Wir (die europäischen Länder, Anm. d. Red.) können entscheiden, nicht teilzunehmen", sagt er der "Times" und ergänzte: "So weit ich weiß, gehen die Südamerikaner da auch mit – viel Glück mit einer solchen WM. Ich denke, das wird niemals passieren, da es so sehr gegen die grundlegenden Prinzipien des Fußball verstößt."
Weiter betonte er: "Der Wert liegt gerade darin, dass die WM alle vier Jahre ausgerichtet wird. Darauf wartet man, es ist wie bei den Olympischen Spielen – ein riesiges Ereignis. Ich sehe nicht, dass unsere Konföderation das unterstützt. Ich hoffe, die Fifa kommt wieder zu Sinnen." Der Vorschlag würde "den Fußball töten".
Afrika und Asien dafür, Südamerika dagegen
Wie Ceferin andeutete, gibt es auch von Seiten Südamerikas wenig Unterstützung. Der Verband Conmebol betonte, dass das aktuelle Modell das Beste sei. Bei einer Abstimmung könnte die Fifa zwar immer noch gewinnen, weil Europa und Südamerika nicht die Mehrheit wären, aber sie sind zweifelsohne die wichtigsten Verbände, da sie die Top-Nationen stellen.
Infantino lässt sich davon jedoch nicht abbringen, wirbt aktuell bei den einzelnen Kontinentalverbänden um Stimmen. Die Klub-WM beispielsweise könnte laut der Nachrichtenagentur AP in Südafrika stattfinden, was dem afrikanischen Fußballverband CAF gefallen würde. Daher ist es wenig überraschend, dass dieser auch seine Zustimmung zum neuen WM-Format gab.
Am heutigen Dienstag zog dann der asiatische Verband AFC nach. "Die AFC begrüßt den umfassenden Konsultationsprozess, der von der Fifa eingeleitet wurde, um die Optionen zur Optimierung des neuen internationalen Spielkalenders mit der Machbarkeit einer Weltmeisterschaft alle zwei Jahre anstatt dem derzeitigen Intervall von vier Jahren zu prüfen." Weiter heißt es: "Die AFC hat die klare Ambition, dass die asiatischen Teams und Spieler durch Weltklasse-Wettbewerbe auf den größten Bühnen der Welt glänzen können."
Südamerika und Europa dagegen, Afrika und Asien dafür. Das ist der aktuelle Stand. Aus Nord- und Mittelamerika (Concacaf) gibt es noch kein klares Signal. Doch von der Austragung der WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko könnte die Fifa profitieren. Denn diese drei Länder sind die wohl einflussreichsten im Concacaf. Ein angeschlagenes Verhältnis zur Fifa kann weniger als fünf Jahre vor der WM hier niemand brauchen.
Doch selbst wenn die Fifa eine Stimmenmehrheit hat, ohne die Teilnahme europäischer und südamerikanischer Länder wäre die WM ein Misserfolg. Doch Infantino ist für seine Hartnäckigkeit bekannt. Das letzte Wort im Kampf um die WM-Reform ist noch nicht gesprochen.
- Eigene Recherche
- Material der Nachrichtenagenturen SID, dpa