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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sorge um DFB-Star Ein Müller-Ausfall könnte zum EM-Killer werden
Spätestens das Portugal-Spiel hat klargemacht: Der alte Thomas Müller ist zurück im Nationaldress. Doch so schnell er wieder zur Stütze beim DFB wurde, so schnell könnte er wieder ausfallen. Und das hätte Folgen.
Überall war am Samstagabend und Sonntag der Name Robin Gosens zu lesen. Und das ging völlig in Ordnung. Der Linksaußen der Nationalmannschaft eroberte mit seinem Einsatz und seiner Leistung gegen Portugal die Herzen der Fans. Doch diese Leistung war auch nur durch seine Teamkollegen möglich. Allen voran Joshua Kimmich und Thomas Müller, die viele seiner Aktionen einleiteten oder vorbereiteten.
Besonders Müller war ein Schlüssel zum deutschen Sieg. Der 31-Jährige war der Anführer der Offensive, die Portugal ständig unter Druck setzte und zu Fehlern zwang. Im Vergleich zum Frankreich-Spiel stand Deutschland noch höher, griff den Gegner früher an, um Bälle zu erobern. "Radio Müller", wie er aufgrund seiner kommunikativen Art genannt wird, gab dabei den Takt vor und entschied über die Pressingmomente.
Während er gegen Frankreich große Probleme hatte und in seinen geliebten Halbräumen von N'Golo Kanté und Co. gut zugestellt wurde und daher immer wieder auf den Flügel ausweichen musste, lief es gegen Portugal ideal.
Umso bitterer wäre es für das Team von Bundestrainer Joachim Löw, wenn sich die Meldungen von "Bild" und "Sport1" bewahrheiten. Demnach fällt Thomas Müller für mindestens ein EM-Spiel aus. Eine Kapselverletzung im rechten Knie mache einen Einsatz gegen Ungarn am Mittwoch unmöglich und einen in einem Achtelfinale fraglich. Der DFB bestätigte bisher nur die Verletzung des Nationalspielers, über die Dauer des Fehlens gab es noch keine Angaben.
Ein Ausfall Müllers könnte ein Killer sein.
Zwei "Anführer-Alternativen"
Das Problem ist, dass die anderen Offensivspieler um Kai Havertz, Serge Gnabry, Leroy Sané oder Timo Werner keine Lautsprecher sind. Sie sind hochbegabte Fußballer und zählen auf ihren Positionen zu den besten Spielern der Welt. Aber Anführer sind sie (noch) nicht. Gegen Ungarn muss die deutsche Offensive aber wieder gut funktionieren, denn ansonsten droht ein ähnliches Schicksal wie gegen Frankreich.
Die Franzosen hatten zwar ein Chancenplus am Samstag, doch die erwartete Überdominanz blieb aus. Ungarns Abwehr hielt stand und die Offensive sorgte für gefährliche Konter. Schon gegen Portugal blieb die Defensive lange makellos und brachte den Gegner zeitweise zur Verzweiflung. Daher ist es wichtig, dass Deutschland wieder "wie die Feuerwehr loslegt", wie Müller es nach dem Duell gegen Portugal in der ARD ausdrückte. Ohne ihn wird das aber schwieriger.
Doch selbst wenn es gegen Ungarn auch ohne Müller gut klappt, wäre ein Ausfall im Achtelfinale, wenn ein schwierigerer Gegner wartet, gefährlich. Je nach Ausgang des letzten Spieltags drohen der DFB-Auswahl Teams wie Belgien oder England, die mit ihrem starken Spiel nach vorne Fehler oder Nachlässigkeiten im Pressing oder Gegenpressing eiskalt bestrafen würden. Ohne einen Anführer wie Müller, der genau das koordiniert, wäre Deutschland immens geschwächt.
Löw muss sich also entscheiden, ob er Müller tatsächlich mit einem eher stilleren Werner oder Sané ersetzt, oder ob er eine andere Lösung wagt. Denn mit Kevin Volland und Leon Goretzka hätte er zwei Optionen, die der Anführerrolle näher kämen.
Wird aus "Radio Müller" "Radio Goretzka"?
Volland war in Leverkusen Vizekapitän und ging im Sturm voran. Auch bei seiner aktuellen Station in Monaco übernimmt er viel Verantwortung in der Offensive und macht auf dem Platz viele Ansagen. Goretzkas Präsenz im Spiel der Bayern ist mit der Zeit gewachsen. Er war auch bis zu seiner Verletzung eine Stütze im Spiel des DFB, ein echter Antreiber, der seine Mitspieler mitreißt.
Normalerweise macht er das auf der "Acht", die ist aber mit Toni Kroos und Ilkay Gündogan gut besetzt, sodass Goretzka eine Reihe weiter vorne mit eingreifen könnte. Er selbst glaubt zumindest an sich, wie er auf der Pressekonferenz am Montag unter Beweis stellte: "Ich traue mir die Rolle grundsätzlich zu. Seine Position hier beim DFB ähnelt meiner prinzipiell schon. Das ist eine Position, die ich in der Vergangenheit beim DFB schon öfter gespielt habe."
Womöglich darf er das am Mittwoch gegen Ungarn unter Beweis stellen und aus "Radio Müller" wird "Radio Goretzka".
- Eigene Beobachtungen
- Pressekonferenz des DFB