t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeSportFußballEM

Bewerbung um EM 2024: Wie Erdogan durch Fußball seine Macht sichern will


Bewerbung um die EM 2024
Wie Erdogan durch Fußball seine Macht sichern will

dpa, Mirjam Schmitt

Aktualisiert am 26.09.2018Lesedauer: 4 Min.
Recep Tayyip Erdogan unterstützt die EM-Bewerbung bei einer Veranstaltung im März 2017: Der türkische Präsident kämpft seit Jahren für ein sportliches Großereignis in seinem Land.Vergrößern des Bildes
Recep Tayyip Erdogan unterstützt die EM-Bewerbung bei einer Veranstaltung im März 2017: Der türkische Präsident kämpft seit Jahren für ein sportliches Großereignis in seinem Land. (Quelle: Yasin Bulbul/Presidential Press Service/dpa)

Staatschef Erdogan erhofft sich von einer Fußball-WM 2024 in der Türkei politischen Rückenwind. Doch derzeit hat bei der Bewerbung Deutschland die Nase vorn.

Die Animation zeigt das neue Olympia-Stadion in Istanbul aus der Vogelperspektive: ein runder Bau mit Verzierungen und bunten Details - von oben wirkt er wie ein überdimensionaler Donut. Es ist erst mal nur ein Entwurf dessen, was sein könnte, sollte die Türkei am Donnerstag das Rennen gegen Deutschland um die Ausrichtung der Fußball-EM 2024 gewinnen.

Empfohlener externer Inhalt
Youtube

Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Youtube-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Youtube-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.

Dann würde das alte Atatürk Olympia-Stadion, das zur Bewerbung für die Olympischen Spiele 2008 gebaut wurde, abgerissen und durch das neue ersetzt werden: mit einer Kapazität von 85.000 Zuschauern, Tribünen nahe am Rasen und verbesserter Akustik. Damals gingen die Spiele an Peking. Auch für die EM hatte die Türkei sich mehrmals beworben - und war immer gescheitert. Doch diesmal soll es klappen.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan – früher selbst Fußballer – sagte im Gespräche mit der Funke Mediengruppe, er denke, dass sein Land alle Voraussetzungen für eine Austragung der EM erfüllt habe und den Zuschlag erhalten sollte. Er erwarte von der UEFA eine "faire Beurteilung". Auch Yildirim Demirören, Chef des türkischen Verbands, ist von einem Erfolg überzeugt: "Wir glauben, dass wir jetzt an der Reihe sind. Wir möchten unsere Leidenschaft für Fußball mit ganz Europa teilen", sagte er bei der Vorstellung der Bewerbung.

Es geht um mehr als Fußball

Dabei geht es bei der EM-Vergabe um mehr als nur um Fußball. Für Erdogan wäre der Zuschlag ein Sieg in einer krisengeschüttelten Zeit. Er reist am Donnerstag nach Deutschland und wird voraussichtlich dort von der Entscheidung erfahren. Mit seinem Besuch will Erdogan die Beziehungen zu Deutschland und Europa wieder verbessern. Nachdem er sich mit den USA überworfen und sein Land in eine Währungskrise manövriert hat, braucht er Freunde und Erfolge.

Die EM käme da wie gerufen: Erdogan könnte sich als starken Mann präsentieren. Und er könnte zeigen, dass sein Land es trotz aller Kritik an der Menschenrechtslage mit Europa aufnehmen kann. Es wäre nach der Affäre um den ehemaligen deutschen Nationalspieler Mesut Özil eine kleine Genugtuung und ein Zeichen an die Wirtschaft, dass man seinem Land vertraut.

Emir Güney, Direktor für Sportstudien an der Kadir Has Universität in Istanbul, denkt, dass eine EM-Vergabe zunächst einen positiven Einfluss auf Investoren haben wird. Der Fußball-Experte Tugrul Aksar weist dagegen darauf hin, dass Erdogan angesichts der Währungskrise den Bau neuer Großprojekte erst einmal verschieben will, die Türkei aber für die EM in Stadien investieren müsse. Baumaterialien müssten importiert und in Euro oder Dollar bezahlt werden. Ein Risiko, sollte die Lira - die seit Anfang des Jahres 40 Prozent ihres Wertes verloren hat - diese Talfahrt fortsetzen. Aksar kommt deshalb auch zu dem Schluss: "In einer Zeit wirtschaftlicher Schwierigkeiten klingt die Verpflichtung der Türkei, solch ein Großereignis auszurichten, nicht nach einem nachhaltigen und realistischen Plan."

Und dann die Menschenrechtslage: Die türkische Führung geht nach wie vor hart gegen Oppositionelle vor. Auch fünf deutsche Staatsbürger sitzen nach wie vor aus politischen Gründen in Haft. Bislang gibt es trotz des neuen Schmusekurses mit Deutschland keine Anzeichen dafür, dass Erdogan seine Politik wesentlich ändern wird. Er muss sich 2023 zur Wiederwahl stellen und könnte bei einem Sieg über 2024 hinaus Präsident mit weitreichenden Vollmachten sein.

Andrew Gardner, Türkei-Experte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, sagt, dass sich die Menschenrechtslage in der Türkei unabhängig von der politischen Führung verbessern muss. Die UEFA habe im Fall einer Entscheidung pro Türkei "die Pflicht, das den türkischen Behörden deutlich zu machen". Und bei einem Zuschlag müsse sie die Forderungen auch umsetzen.

In ihrem Evaluationsbericht stellte die UEFA dem türkischen Fußballverband zwar insgesamt eine positive Bewertung aus, kritisierte aber auch, dass ein Aktionsplan zum Thema Menschenrechte fehle. Inwieweit das Thema die Abstimmung beeinflussen wird, bleibt abzuwarten. Favorit ist Deutschland, das dem Bericht zufolge auch in Sachen Infrastruktur überlegen ist. Ein weiterer türkischer Nachteil: Deutsche Stadien haben größere Kapazitäten und damit das Potenzial für höhere Einnahmen.

"Die Menschen sind sehr emotional – das ist gut für den Fußball."

Die Türkei wirbt unter dem Motto "gemeinsam teilen" vor allem mit ihrer geografischen Lage zwischen Europa und Asien und der kulturellen Vielfalt der geplanten neun Austragungsstätten von Istanbul bis Gaziantep an der syrischen Grenze. Der niederländische Besiktas-Profi Ryan Babel sagte in einem Werbevideo: "Die Menschen hier sind sehr emotional - und das ist gut für den Fußball."

Über einen Zuschlag für die EM würden sich nicht nur Erdogan-Anhänger freuen, da sind sich die Experten einig. Der britische Journalist Patrick Keddie, der über den türkischen Fußball ein Buch geschrieben hat, sagt, für den Präsidenten selbst sei es eine Win-win-Situation: "Wenn sie gewinnen, ist es für Erdogan eine gute Gelegenheit, sich ins Rampenlicht zu stellen. Wenn sie den Zuschlag nicht erhalten, kann er natürlich sagen, dass Europa die Türkei unfair behandelt."

Verwendete Quellen
  • dpa
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



TelekomCo2 Neutrale Website