Nun gegen den Weltmeister Mutige Schweden wollen Weltmeister stürzen
Nischni Nowgorod (dpa) - Am Tag nach dem WM-Auftaktsieg galt die volle Konzentration von Emil Forsberg und Co. bereits dem Weltmeister.
Bei schwülwarmen 27 Grad trainierten Schwedens Fußballer bei leichter Bewölkung bestens gelaunt, wenige Stunden zuvor hatten sie schon selbstbewusst ihre Botschaft in Richtung der DFB-Elf geschickt. Sie lautete: Jetzt wollen wir den Titelverteidiger vom Thron stürzen! "Wir hätten gegen Südkorea schon ein paar Tore machen können, aber das kommt jetzt gegen Deutschland", sagte Leipzigs Forsberg, der beim ersten schwedischen WM-Auftaktsieg seit 1958 nur eine Nebenrolle spielte.
Das 1:0 gegen die schwerfälligen und harmlosen Südkoreaner am Montag in Nischni Nowgorod war ein mühevoller Kraftakt, doch das war den Skandinaviern schnell egal. "Wir sind stolz auf uns und jetzt kommt der Weltmeister und die müssen gewinnen", stellte Forsberg fest. "Wir haben gesehen, dass sie schlagbar sind. Also werden wir es vielleicht auf die gleiche Art probieren", ergänzte Viktor Claesson.
In der Tat wird das Spiel in Sotschi am Samstag (20.00 Uhr) zu einem Endspiel für Joachim Löws Titelverteidiger. Und die Schweden könnten ihre beeindruckende Serie als Favoritenschreck erfolgreich fortsetzen. Die Niederlande und Italien müssen bei der WM schon zuschauen, weil sie an dem Kollektiv ohne den zurückgetretenen Superstar Zlatan Ibrahimovic scheiterten. Geht die WM ab dem Achtelfinale auch ohne den nach seiner 0:1-Auftaktpleite gegen Mexiko angeschlagene Champion weiter? "Den ganzen Druck hat Deutschland. Wir können da ruhig reingehen und das Spiel genießen", sagte der 26 Jahre alte Forsberg. Die Konstellation ist gefährlich.
Der Respekt ist trotz des Selbstvertrauens allerdings unverändert groß. "Wenn Deutschland gegen Schweden spielt, ist Deutschland der Favorit. Da spielt es keine Rolle, ob sie gegen Mexiko verloren und wir gegen Südkorea gewonnen haben", sagte Flügelspieler Claesson.
Denn neben dem Resultat dank eines Elfmetertors von Kapitän Andreas Granqvist zeigten die Schweden vor allem offensiv nur wenig, was Löw und seinem Team Angst machen müsste. Das Sturmduo Marcus Berg und Ola Toivonen versiebt Chance um Chance, die Deutschland-Legionäre Forsberg und Hamburgs Albin Ekdal finden noch kaum Bindung zum Offensivspiel. "Jeder arbeitet für den anderen. Wir geben dem Gegner keinen Raum", sagte Ekdal und fasste damit bereits die größte Stärke des Ensembles von Trainer Janne Andersson zusammen. Große Spielkunst ist nicht zu erwarten.
Granqvists Strafstoß war der erste schwedische Treffer nach drei torlosen Tests gegen Dänemark, Peru und Rumänien. Dazu kommt: Südkorea um den blassen Offensivstar Heung-Min Son war nur sehr begrenzt ein Gradmesser, die Asiaten verschanzten sich in ihrer eigenen Hälfte und blieben nach vorne harmlos. "Deutschland ist ein ganz anderes Level. Ich hoffe, wir können so weitermachen, wie wir hier angefangen haben", erklärte Ekdal. Schon ein ermauertes 0:0 gegen den Weltmeister würde die Schweden ganz nah an das große Ziel WM-Achtelfinale führen.
Trainer Andersson wollte Deutschlands Ausnahmerolle schon vor dem überraschenden ersten Spieltag nicht anerkennen. "Ein Fußball-Spiel entscheidet sich auf dem Feld. Ich denke vorher überhaupt nicht an so etwas", hatte er auf die Frage geantwortet, ob es nur um Rang zwei hinter Gruppenfavorit Deutschland gehe. Nach dem Sieg über den WM-Vierten von 2002 meinte der 55-Jährige: "Nach Mexikos Erfolg war es noch wichtiger für uns, diesen Auftakt zu gewinnen." Der Pragmatiker baut nun auf seinen Abwehrriegel, der beim erkämpften 0:0 im WM-Playoff gegen Italien bereits die Qualifikation für die Endrunde brachte.
Nun auch gegen die Deutschen? "Sie sind der nächste Gegner, den wir schlagen wollen", sagte Andersson. Neben der eigenen Kompaktheit setzt Schweden auf eine extrem offensive Ausrichtung der Deutschen. "Sie müssen Tore machen, das kann uns Räume bringen. Wir wissen, dass wir hinten gut stehen", erklärte Forsberg, der sich auf ein "geiles und großes Spiel" freut. Und wenn die DFB-Elf wirklich ausscheidet? "Darf ich danach noch nach Deutschland fliegen? Das ist die Frage", scherzte Forsberg. Die Katakomben von Nischni Nowgorod verließ er bestens gelaunt.