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Frauen-WM: Australiens Coach wird emotional – der Grund ist ungewöhnlich


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Dramatischer Sieg bei WM
Reporterin bricht in Tränen aus – So reagiert der Australien-Coach


Aktualisiert am 13.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Tony Gustavsson: "Erfolg definiert sich nicht nur durch die glänzende Medaille, die um deinen Hals hängt".Vergrößern des Bildes
Tony Gustavsson: "Erfolg definiert sich nicht nur durch die glänzende Medaille, die um deinen Hals hängt". (Quelle: IMAGO/DARREN ENGLAND)

Der Mann hinter dem Erfolg der "Matildas" heißt Tony Gustavsson. Er wird nach dem historischen Sieg seines Teams mit einer emotionalen Frage konfrontiert.

Aus Brisbane berichtet Christoph Cöln

Wenn in der Pressekonferenz Tränen fließen, dann muss etwas Besonderes passiert sein. Als Australiens Trainer Tony Gustavsson eine Stunde nach dem Schlusspfiff die Fragen der australischen Journalisten annahm, konnte sich eine Reporterin nicht mehr zusammenreißen. Sie brach in Tränen aus, als sie den Schweden danach fragte, ob er schon realisiert habe, was soeben auf dem Platz passiert war und welche Bedeutung der 7:6-Sieg nach Elfmeterschießen über Frankreich habe. Dass er das ganze Land mit seinem Team glücklich gemacht habe.

"Wow. Du bringst mich jetzt auch zum Weinen", sagte der Coach. Er rückte sich kurz seine Mütze zurecht und holte einmal tief Luft. Dann fasste er sich wieder und setzte sichtlich bewegt zu seiner Antwort an. Es war nicht der einzige Gefühlsausbruch an diesem Abend in Brisbane, an dem Australien Fußball-Geschichte geschrieben hatte.

"Klingt zwar ein bisschen blöd, wenn ich das jetzt sage"

"Es war die reinste Achterbahn", sagte Emilie van Egmond nach dem Spiel. "Fußball kann so grausam sein, aber auch so wunderbar. Für uns war er heute wunderbar." Zum ersten Mal überhaupt stehen die "Matildas" damit in der Runde der letzten Vier, wo sie am Mittwoch in Sydney auf Europameister England treffen (ab 12.00 Uhr im Liveticker von t-online). Erneut treffen sie also auf einen Top-Favoriten auf den Titel.

"Es klingt zwar ein bisschen blöd, wenn ich das jetzt sage, ich weiß, aber ich habe schon vor der WM daran geglaubt, dass wir so weit kommen", so Trainer Gustavsson vor den Reportern. Kaum jemand hatte den von Verletzungen geplagten Australierinnen vor dem Turnier eine solche Leistung zugetraut. Seit 2020 ist der Coach im Amt und hat das Team seitdem Schritt für Schritt der Weltspitze angenähert. Zu den Favoriten hatte die Australierinnen trotzdem kaum jemand gezählt.

Doch Gustavsson hat einen klaren Plan. Er verlässt sich nicht nur auf Superstar Sam Kerr, die beste Spielerin der "Matildas" und das Aushängeschild des Teams, sondern hat seine Spielerinnen zu einer verschworenen Gruppe zusammengeschweißt. "Wir fühlen uns einfach wohl, können wir selbst sein und funktionieren als Kollektiv richtig gut", sagte Stürmerin Caitlin Foord nach dem Spiel. "Wir glauben an uns, und jede Hürde, die wir überwinden, steigert unser Selbstbewusstsein weiter."

Australien schlitterte in die Verlängerung

Titel, das ist eine Binse, gewinnt nicht unbedingt das Team mit den besten Einzelspielern. Meist thront am Ende das Team ganz oben, das sich im Laufe des Turniers am besten entwickelt. Diese Erfolgsdynamik haben die Australierinnen auf ihrer Seite. Nichts konnte sie bislang stoppen. Nicht die Verletzung von Kerr, nicht der missratene Start in die Gruppe, nicht die zahlreichen vergebenen Chancen von Mary Fowler im Spiel gegen Frankreich und auch nicht fünf vergebene Elfmeter am Ende der ohnehin schon verrückten 120 Minuten an diesem Abend im Brisbane Stadium.

Es war ein Wellenbad der Gefühle, eine Achterbahn und eine Dramaturgie, die den Französinnen zunächst die bessere erste Halbzeit bescherte. An deren Ende erspielten sich die Gastgeberinnen dann aber beste Gelegenheiten, schnürten Frankreich auch nach der Pause noch in deren Hälfte ein. Doch dann bekam das Team von Trainer Hervé Renard plötzlich wieder Zugriff. Australien mühte sich in den letzten zwanzig Minuten, kam aber unbeschadet in die Verlängerung.

Dort zeigte sich dann das gleiche Bild. Das Pendel schwang hin und her. Mit hochkarätigen Chancen auf beiden Seiten, die allesamt und teils auf spektakuläre Art ungenutzt blieben.

Was der Coach seinem Team vor dem Elfmeterschießen sagte

Im Elfmeterschießen schnurrte das Spiel schließlich wie eine Matroschka auf seinen dramaturgischen Kern zusammen: Alles, was in den 120 Minuten zuvor gewesen war, kam hier noch einmal in komprimierter Form zum Vorschein. Erst die zehnte Schützin jedes Teams brachte die Entscheidung. Frankreichs Vicki Becho setzte ihren Schuss an den Pfosten, Cortnee Vine traf für Australien. Das Stadion in Brisbane bebte. Die Fans konnten es kaum glauben, was ihr Team gerade vollbracht hatte.

Gustavsson war von der Coolness seiner Spielerinnen nicht überrascht, wie er hinterher sagte. "Ich habe vor dem Elfmeterschießen einen Kreis gebildet und ihnen gesagt: 'Ihr müsst euch keine Sorgen machen, ihr schafft das, denn ihr seid sehr gut vorbereitet'". Der Schwede verwies auf die akribische Arbeit seines gesamten Trainerteams; und natürlich hätten sie auch Elfmeterschießen üben lassen. "Ich wusste genau, was ich tat", sagte Siegtorschützin Vine später in der Mixed Zone. "Ich wusste, der muss jetzt rein, und er ging auch rein." So klingt Selbstbewusstsein.

"Erfolg definiert sich nicht nur durch die glänzende Medaille, die um deinen Hals hängt, sondern darüber, was auf der Rückseite eingraviert ist", philosophierte Gustavsson nach dem Spiel sichtlich bewegt. "Und dort, auf der Rückseite, da steckt das Herzblut drin."

Kampfansage an die Konkurrenz

Australiens Coach machte nicht nur auf die sportliche Dimension aufmerksam, die dieser Sieg über den Favoriten Frankreich hatte. "Die Art und Weise, wie dieses Team kämpft, wie sie alles auf dem Platz lassen, macht mich so stolz und glücklich. Wir wollen die jungen Kids inspirieren, die nächste Generation Fußballer inspirieren und die Nation hinter uns vereinen."

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Ausgerechnet die "Matildas" geben Australien ein neues Hochgefühl. Dabei spielt Fußball in dem Land bislang kaum eine Rolle. Die Sportnation Australien interessiert sich vornehmlich für Rugby, Cricket, Netball – und natürlich Surfen. Dennoch erzielen die Spiele der Fußball-Nationalmannschaft im Fernsehen gerade Quotenrekorde. Dabei wurden selbst die zur gleichen Zeit stattfindenden Matches der populären australischen Rugby-Liga am Samstag von dem Fußballspiel der Frauen in den Schatten gestellt. Mancher einheimische Sportfan hält die Frauen-WM inzwischen schon für das größte Sportereignis seit den Olympischen Spielen in Sydney im Jahr 2000.

Vielleicht wird es ja sogar noch ein bisschen größer. Schließlich sind die Gastgeberinnen bislang immer zurückgekommen in diesem Turnier. Für die verbleibenden Mannschaften könnte das eine schlechte Nachricht sein. Oder wie Caitlin Foord sagte: "Wir haben doch gerade erst angefangen. Wir sind hier, um das Ding zu gewinnen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen im Stadion und bei der Pressekonferenz
  • Gespräche mit den Spielerinnen in der Mixed Zone
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