Fußball-EM Oranje zwischen Schiri-Kritik und Stolz: Gekämpft wie Löwen
Für den Kapitän ist das niederländische EM-Aus in der Nachspielzeit "Schmerz pur". Van Dijk und Trainer Koeman nehmen aber auch viel Positives mit. Eine Szene erhitzt die Gemüter - auch in England.
Die Schuld für das Ende der großen Oranje-Party wollte Ronald Koeman explizit nicht Felix Zwayer geben. Deutlich war die Kritik des niederländischen Nationaltrainers nach dem so bitteren Aus im EM-Halbfinale gegen England trotzdem. "Der Fußball wird durch Entscheidungen wie diese zerstört", sagte der 61-Jährige.
Der Elfmeterpfiff des deutschen Schiedsrichters zugunsten der Three Lions löste bei Englands 2:1-Sieg in einem packenden Duell hitzige Debatten aus, auch wenn Koeman erklärte: "Das ist nicht der Grund für unsere Niederlage." Mit einer Mischung aus Ärger, Stolz und Optimismus für die Zukunft verabschiedete er sich aus dem Turnier. "Es gibt keine Kritik an der Mannschaft, wir haben gekämpft wie Löwen", sagte Koeman.
Ex-Schiedsrichter stützt Zwayer
Heftiger als sein Trainer kritisierte der niederländische Kapitän Virgil van Dijk den Unparteiischen. "Die Tatsache, dass er direkt in die Kabine rennt, sagt alles", sagte Van Dijk, der konkret Zwayers Spielleitung in den letzten Minuten monierte. "Es gab so viele Fehlentscheidungen, aber ich möchte heute nicht über den Schiedsrichter sprechen. Vielleicht sollte er auch hierherkommen und darüber sprechen."
Das tat Zwayer nicht. Er hätte für seine Bewertung des umstrittenen Elfmeter-Zweikampfs zwischen dem niederländischen Verteidiger Denzel Dumfries und Bayern-Stürmer Harry Kane aber gute Argumente auf seiner Seite gehabt.
"Kane ist zuerst am Ball, zieht ab. Dann ist es so: Dumfries trifft nicht den Ball, trifft stattdessen Kane", sagte der frühere Schiedsrichter Lutz Wagner in der ARD. "Der Ball ist noch im Spiel. Und wenn er diese Berührung als evident, als auch ausschlaggebend erachtet, dann muss er hier Strafstoß geben." Auch Dumfries selbst konnte die Entscheidung nachvollziehen.
Van Dijk: "Das ist Schmerz pur"
Kritik gab es erstaunlicherweise aus England. Der ehemalige Nationalspieler Gary Neville nannte den Pfiff eine "Schande" und "eine skandalöse Entscheidung". Auch der frühere Nationalverteidiger Jamie Carragher hielt die Entscheidung für falsch. Kane war das egal. Der 30 Jahre alte Bayern-Star glich die frühe niederländische Führung zum 1:1 aus. Das dramatische Aus der Elftal besiegelte dann Joker Ollie Watkins mit seinem Tor in der Nachspielzeit.
"Wenn du in der letzten Minute so verlierst, dann tut das weh. Das ist Schmerz pur", sagte Van Dijk. "Wir wollten so sehr, dass dieser Traum in Erfüllung geht. Ich habe alles gemacht, was möglich war. Aber am Ende hat es nicht gereicht." Van Dijk stellte aber auch fest: "Wir können viel Positives aus dem Turnier ziehen."
Koeman sieht Zukunft positiv - Xavi Simons als Hoffnungsträger
Mit packenden Spielen, Comeback-Qualitäten und nicht zuletzt ihren feierwütigen Fans haben die Niederländer die EM geprägt. Dass die ersehnte große Final-Fiesta in Berlin gegen Spanien für die von links nach rechts hüpfenden Anhänger mit ihrem berühmten Partybus nun ausfällt, enttäuschte natürlich auch Koeman. Der Europameister von 1988 machte den Fans jedoch Mut. "Eine solche Mannschaft ist in der Lage, mehr zu erreichen", sagte der Bondscoach.
Große Hoffnungen ruhen dabei neben dem dreimaligen EM-Torschützen Cody Gakpo (25) auch auf Xavi Simons. Der 21-Jährige glänzte gegen England mit einem Traumtor und war auch sonst ein Aktivposten seines Teams. "Ich bin wirklich sehr froh, ihn in unserer Mannschaft zu haben", sagte Koeman über den Offensivmann, der zuletzt von Paris Saint-Germain an RB Leipzig ausgeliehen war und an dem der FC Bayern interessiert sein soll. "Er wird eine große Zukunft bei einem großen Verein und in der Nationalmannschaft haben."
Nach der insgesamt positiven EM - die Niederlande galt nicht als einer der Topfavoriten - will Koeman das Team auch auf die nächste Weltmeisterschaft vorbereiten. Sein Vertrag gilt bis nach dem Mega-Turnier 2026 in den USA, Mexiko und Kanada. Er ist sich sicher: "Wir werden zurückkommen."
- Nachrichtenagentur dpa