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Zum journalistischen Leitbild von t-online.DFB-Star plötzlich in Bestform Seinetwegen singen Fans Shakiras Welthit
Kai Havertz hatte einen schweren Start beim FC Arsenal. Mittlerweile lieben ihn die Fans. Das hat seine Gründe – und könnte für ihn als Schablone für das DFB-Team dienen.
Nach 86 Minuten erlöste Kai Havertz am vergangenen Samstag ein ganzes Stadion: Der deutsche Nationalspieler in Diensten des englischen Topklubs FC Arsenal stieg im Strafraum in die Luft und wuchtete einen Flankenball seines Mannschaftskollegen Ben White per Kopf in die Maschen des Gästetores. Es war das 2:1 und damit der Siegtreffer für die "Gunners" im schwierigen Heimspiel gegen den FC Brentford – der Havertz und seinem Team die Tabellenführung bescherte.
Der FC Arsenal ist das Team der Stunde auf der Insel. Die Londoner marschieren in der Premier League aktuell von Sieg zu Sieg, gewannen alle acht Ligaspiele in diesem Jahr, teilweise auf beeindruckende Art und Weise. Die letzten drei Auswärtsspiele beispielsweise blieb die Elf von Trainer Mikel Arteta nicht nur ohne Gegentor, sondern erzielte selbst unglaubliche 17 Treffer. West Ham (6:0), Burnley (5:0) und Sheffield United (6:0) wurden regelrecht deklassiert.
Mitverantwortlich für den Aufschwung des Klubs ist auch Kai Havertz. Der 24-Jährige ist nach Startschwierigkeiten bei seinem neuen Arbeitgeber mittlerweile angekommen und derzeit in bestechender Form. Sein Sommer-Wechsel vom Stadtrivalen FC Chelsea zum FC Arsenal scheint sich auszuzahlen. Auch bei den Fans ist die anfängliche Skepsis verflogen.
Hohn und Spott nach Havertz' Sommerwechsel
Denn noch zu Saisonbeginn sah es so aus, als würde die Beziehung zwischen Havertz und dem FC Arsenal keine glückliche werden. Schon der Start verlief alles andere als vielversprechend. Im Community Shield gegen Manchester City vergangenen August vergab der Offensivmann beste Möglichkeiten. "Er trifft das Scheunentor nicht", sagte der Ex-Fußballer Jamie O'Hara im Anschluss an die Partie bei "Talksport" und legte dann noch nach: "Wenn es ums Toreschießen geht, dann versagt er."
Tatsächlich hatte Havertz zu Beginn seiner Arsenal-Zeit sichtbare Probleme, an die Treffsicherheit vergangener Tage anzuknüpfen. Das und die allgemein schwankenden Leistungen des DFB-Stars führten dann auch noch zu einer unrühmlichen Auszeichnung. Eine Reihe an Spielerberatern wählte Havertz zum Transferflop des Sommers. 75 Millionen Euro hatte Arsenal an Chelsea überwiesen. Einer ungenannter Berater soll laut "The Athletic" gesagt haben: "Für dieses Geld ist es ein furchtbarer Deal – aber er wird mich vielleicht noch eines Besseren belehren."
Shakiras Welthit wird zu Havertz' persönlichem Song
Bis Havertz das tatsächlich tat, ging noch einige Zeit ins Land. Für Kopfschütteln bei den Fans hatte er schon auf der Vorbereitungstour des Klubs gesorgt. Der Angreifer trat vor Publikum in der "Cross- und Volley-Challenge" an und sollte dabei möglichst kreativ Tore schießen. Es gab sowohl für die Treffer als auch für die Kreativität Punkte. Allerdings traf Havertz kein einziges Mal.
Und auch im allgemeinen Spielbetrieb wollte es mit dem Treffen einfach nicht klappen. Erst Ende September brachte Havertz den Ball endlich im Tor unter. Dazu brauchte es aber einen Elfmeter beim Gastspiel gegen den AFC Bournemouth, den er zum 3:0 (Endstand 4:0) einschob.
Wenige Minuten nach dem Premierentreffer im Vitality Stadium tönte dann ein Gesang der Arsenal-Fans von den Rängen, der den Torschützen und dessen teuren Transfer zu ihrem Klub mehr oder weniger liebevoll veralberte. Zur Melodie von Shakiras Welthit "Waka Waka" sangen die Anhänger: "60 million down the drain, Kai Havertz scores again". Auf Deutsch: "60 Millionen Pfund aus dem Fenster geworfen, Kai Havertz trifft wieder."
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Nun hat sich eben jener Song weniger als ein halbes Jahr später kurioserweise zum absoluten Kulthit beim FC Arsenal entwickelt. Denn was anfangs vielleicht auch makaber anmutete und durchaus als Kritik am Havertz-Transfer bewertet werden durfte, ist mittlerweile tatsächlich Ausdruck der Zuneigung der Fans gegenüber ihrem Spieler. So schallte jüngst auch beim Sieg gegen Brentford das Lied wieder über die Ränge. Inzwischen aber offensichtlich, weil die Anhänger realisiert haben, dass die 75 Millionen Euro (umgerechnet 60 Millionen Britische Pfund) für Havertz sich wohl doch als gute Investition für den englischen Hauptstadtklub entpuppt haben.
"Es ist unmöglich, ihn nicht zu lieben"
Das liegt daran, dass Havertz aus der Offensive der Londoner kaum noch wegzudenken ist – und vor allem auch daran, dass er momentan trifft und trifft. In den letzten vier Ligaspielen schoss er jeweils ein Tor, legte dazu noch zwei weitere Treffer auf.
Selbst Trainer Mikel Arteta konnte die Begeisterung über seinen Schützling kaum verbergen – und tatsächlich auch über dessen Song. "Wenn mir jemand in den ersten zwei, drei Monaten gesagt hätte, dass das ganze Stadion nach dem Spiel sein Lied mit dieser Leidenschaft, mit diesem Gefühl, mit dieser Chemie singen würde, wäre das schwer zu glauben gewesen", so der Spanier nach dem Brentford-Spiel. "Aber das ist es, was mit guten Leuten passiert." Havertz sei ein außergewöhnlicher Spieler.
Dass der DFB-Star nun treffe, habe laut Arteta auch die Fans und Havertz zusammengebracht. "In dem Moment, als er anfing, Tore zu schießen und alles zu laufen begann, fühlten sich die Leute mehr mit ihm verbunden", betonte der langjährige Arsenal-Spieler. Doch es seien letztlich nicht nur die Treffer, die den Umschwung in Havertz' Wahrnehmung bei den Fans brachten. "Sie sehen sein Arbeitstempo, sie sehen, dass er intelligent ist. Sie sehen, wie er sich für die Mannschaft einsetzt und seinen Beitrag leistet", erklärte Arteta und geriet dann noch einmal komplett ins Schwärmen: "Es ist unmöglich, ihn nicht zu lieben."
"Keine Unterstützung": Havertz verärgerte DFB-Anhänger
Die Beziehung zwischen Havertz und den Arsenal-Fans, sie scheint letztlich also doch zu einer von Wertschätzung geprägten zu avancieren. Nun muss der frühere Leverkusener nur noch eine andere Unterstützergruppe zurück auf seine Seite ziehen: die Anhänger der deutschen Nationalmannschaft.
Die hat Havertz nämlich im September vergangenen Jahres nachhaltig verärgert. Auf der Pressekonferenz vor dem Testspiel gegen Japan (1:4), dem letzten Länderspiel des später geschassten Bundestrainers Hansi Flick, monierte er deren fehlenden Support während der WM 2022 in Katar. "Wir hatten keine Unterstützung. Das hatte auch andere Gründe, das verstehen wir", hatte Havertz gesagt. "Aber auch fußballerisch war kein Support vorhanden. Da waren wir auf uns allein gestellt." Und: "Man sagt immer, die Fans seien der zwölfte Mann. Das haben wir nicht immer hundertprozentig gespürt."
Die Reaktionen auf Havertz' Generalkritik an den Fans folgte prompt. Als "realitätsfern" oder "Frechheit" wurden die Aussagen des Fußballers von Fans der Nationalmannschaft betitelt. Die Stimmung um die DFB-Elf, die aufgrund der mauen Ergebnisse in den vergangenen Monaten ohnehin mehr als dürftig anmutete, war damit auf einem neuerlichen Tiefpunkt.
Havertz' erneute Chance auf Versöhnung
Fakt ist jedoch: Bundestrainer Julian Nagelsmann kommt an Kai Havertz trotz seines Fan-Fauxpas vor einigen Monaten nicht vorbei – vor allem nicht in dieser Form. Bei beiden DFB-Lehrgängen, die der frühere Bayern-Coach betreute, war der Arsenal-Profi mit von der Partie. Auch bei den anstehenden Länderspielen gegen Frankreich (23. März) und die Niederlande (26. März) wird Nagelsmann auf Havertz setzen. Alles andere wäre eine faustdicke Überraschung.
Havertz wird bald also erneut die Möglichkeit bekommen, die Fans der deutschen Nationalmannschaft auf einer offensiveren Position von sich und seinen Fähigkeiten zu überzeugen – und das Verhältnis zu den Anhängern wieder zu verbessern.
Beim FC Arsenal ist ihm das schon gelungen. Am Dienstagabend zeigte Havertz wieder seine Klasse. Im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen den FC Porto musste der Premier-League-Spitzenreiter ins Elfmeterschießen. Havertz verwandelte seinen Versuch vom Punkt souverän flach ins rechte Eck und Arsenal zog ins Viertelfinale des Wettbewerbs ein. Der Traum vom Titel in der Königsklasse lebt beim Klub aus Nord-London – auch dank des Nationalspielers.
- Eigene Recherche
- Frühere t-online-Artikel
- kicker.de: "Arteta: 'Es ist unmöglich, Havertz nicht zu lieben'"
- sport1.de: "Fan-Wut auf Havertz: 'Frechheit!'"