Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bundesliga-Topspiel Was der FC Bayern vom BVB lernen muss
Das Duell zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund war lange nicht mehr so brisant wie an diesem Samstag. Aktuell liegt der BVB vorne – aus einem guten Grund.
Das prestigeträchtigste Duell im deutschen Fußball steht an – und zur Abwechslung geht Borussia Dortmund als Favorit in die Begegnung mit Bayern München. Denn die Münchner funktionieren aktuell nicht als Einheit und können so manches vom BVB lernen.
Fehlende spielerische Wende
Nach dem enttäuschenden 1:1 gegen den SC Freiburg am vergangenen Wochenende meldete sich sogar die Ehefrau von Thomas Müller zu Wort und kritisierte Bayern-Trainer Niko Kovac in einem Beitrag auf Instagram. Was viele als Randgeschichte abtaten, verdeutlichte doch die aktuelle Gemengelage in München. Immer mehr beim und im Umfeld des FC Bayern sind frustriert mit den durchwachsenen Leistungen. Kovac muss sich der Kritik von diversen Seiten erwehren.
Bis jetzt ist es dem 47-Jährigen nicht gelungen, die spielerische Wende bei den Bayern einzuleiten. Genau das hatten sich die Verantwortlichen wohl erhofft, als sie ihren Ex-Spieler im Sommer an die Säbener Straße holten. Aber die aktuelle Bayern-Mannschaft mit ihrem teils einfallslosen Offensivspiel ähnelt doch stark jener, die noch von Carlo Ancelotti trainiert wurde – nur dass nun einige Säulen des Teams nochmals um zwei Jahre gealtert sind.
Favres Kontrollfußball
Borussia Dortmund durchlief in der jüngeren Vergangenheit selbst eine schwierige Phase. In der vergangenen Saison misslang das Experiment mit Peter Bosz. Der Niederländer führte die Mannschaft zwischenzeitlich auf Platz eins der Bundesliga-Tabelle, baute seinen Erfolg aber auf einem riskanten Spielsystem auf, das dem BVB schon nach kurzer Zeit zum Verhängnis wurde. Die Folge: Die Dortmunder verpflichteten Lucien Favre vor einigen Monaten.
Favre ist in gewisser Weise die Antithese zu Bosz. Der Schweizer legt viel Wert auf kontrollierten Offensivfußball. Er möchte Spieldominanz nicht um jeden Preis. Und genau dieser Ansatz zahlt sich momentan aus. Denn einerseits verfügt der BVB über eine hochtalentierte Offensivabteilung voll von Instinktfußballern à la Jadon Sancho und Marco Reus. Andererseits kümmert sich Favre um die Absicherung hinter eben dieser Offensivabteilung. Nicht ganz grundlos haben sich die zwei physischen Mittelfeldspieler Axel Witsel und Thomas Delaney auf Anhieb Stammplätze erarbeiten können.
Grafik: So könnten beide Mannschaften in ihren angestammten Spielsystemen am Samstagabend antreten.
Mehr Anarchie wagen
Favre weiß, dass Reus und Co. auch in Unterzahl viel Unheil in der gegnerischen Hälfte anrichten. Auch wenn Witsel und Delaney bei Angriffen erst etwas verzögert nachrücken, tut dies dem Dortmunder Offensivspiel in der Regel keinen Abbruch. Zumal in den vergangenen Wochen gerade Außenverteidiger Achraf Hakimi mit seinen Vorstößen die Durchschlagskraft der gesamten Mannschaft erhöhte.
Was Favre jedoch seinen Offensivkräften gewährt, ist weitgehende Autonomie im Angriff. Sie dürfen rochieren, Zonen überladen und miteinander kombinieren, wie sie es für richtig halten und was ihnen ihr Instinkt sagt. Es gibt keine festgefahrenen Schemen – insbesondere im letzten Spielfelddrittel.
Bei den Bayern sieht dies schon anders aus. Das Angriffsspiel wirkt allzu mechanisch. Die Laufwege sind am Reißbrett vorgezeichnet und werden immer wieder absolviert. Dadurch können sich selbst krass unterlegene Gegner auf die Spielzüge einstellen und diese verteidigen. Dem FC Bayern fehlt die Kreativität und Freigeistigkeit, die kontrollierte Wildheit des BVB.
- Eigene Recherche