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Kolumne von Berti Vogts: Die Zeit der Experimente muss jetzt vorbei sein


Kolumne von Berti Vogts
Die Zeit der Experimente muss jetzt vorbei sein

Meinungt-online, Berti Vogts

Aktualisiert am 06.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Die deutsche Nationalmannschaft nach dem 6:0 in Stuttgart gegen Norwegen.Vergrößern des Bildes
Die deutsche Nationalmannschaft nach dem 6:0 in Stuttgart gegen Norwegen. (Quelle: imago-images-bilder)
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Deutschland testet in England und gegen Frankreich – und t-online.de-Kolumnist Berti Vogts freut sich auf zwei absolute Kracher. Der Ex-Bundestrainer erklärt, warum ein WM-Bonus für Spieler wie Götze richtig ist – und niemand eine Bayern-Achse braucht.

Die Kolumne von Berti Vogts für t-online.de.

Früher hat man jahrelang darauf warten müssen, wieder im Wembley-Stadion spielen zu dürfen, heute gibt es zum Glück viel mehr Freundschaftsspiele. Wobei die Spiele in England und danach gegen Frankreich natürlich keine Freundschaftsspiele werden, sondern wirklich harte Tests. Ich hoffe, dass alle wirklich mit der stärksten Mannschaft antreten. Ich hoffe, dass Vereine und Spieler sich bewusst sind, wie wichtig diese Spiele gegen große Kontrahenten sind.

Die Zeit der Experimente muss vorbei sein

Diese Spiele sind top für den deutschen Fußball und die Entwicklung der Spieler! Das ist etwas anderes als beim Confed Cup gegen Chile, die nicht einmal qualifiziert sind für die WM.

Die Zeit der Experimente muss jetzt vorbei sein. Joachim Löw weiß das. Natürlich kann man mal den ein oder anderen testen. Wie weit ist er? Wie kommt er mit dem Druck in England klar? Aber ich denke, dass der Bundestrainer mindestens mit acht Spielern der ersten Elf antreten sollte und antritt.

Frankreich ist mit das Stärkste im Weltfußball

Ausprobiert haben wir beispielsweise beim Confed Cup genug. Viele junge Spieler haben eine Chance bekommen und viele haben sie auch genutzt. Das müssen sie jetzt gegen große Mannschaften bestätigen. Wenn man da ängstlich reingeht, geht man auch bei der WM ängstlich ins Turnier.

Und Frankreich ist mit das Stärkste, was es im Weltfußball gibt. Das ist ein ganz großer Gegner. Und auch England sehe ich auf einem sehr guten Weg. Trainer Gareth Southgate macht in meinen Augen einen hervorragenden Job und hat viele junge, hungrige Spieler eingebaut.

Für den Confed Cup habe ich nur ein Lächeln übrig

Eins ist klar: Mit Deutschland, Frankreich und England ist auch in Russland zu rechnen. Einer der beiden Kontrahenten wird womöglich unser Gegner in der WM-Gruppe. Da können wir jetzt sehen, wo wir wirklich stehen.

Denn: Den Confed Cup und die Quali darf man nicht überbewerten. Für den Confed-Cup habe ich nur ein Lächeln übrig. Früher wollten wir den auf keinen Fall spielen, heute wird man für den Sieg lange gefeiert. Dabei ist eins geblieben: Er hat keine Bedeutung.

Jetzt müssen Götze und Gündogan liefern

Ich freue mich, dass Mario Götze und Ilkay Gündogan jetzt wieder dabei sind, keine Frage. Ich hoffe, dass ihnen bewusst ist, dass der Bundestrainer ihnen eine Chance gibt, obwohl sie in den letzten Spielen im Verein nicht so überragend gespielt haben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Jetzt müssen sie liefern.

Als Bundestrainer arbeitet man natürlich gerne mit den Spielern, mit denen man schon viel erreicht hat. Man lässt ihnen bis zum letzten Moment ein Türchen offen.

WM-Bonus ist normal und richtig

Der Trainer weiß genau, wie sich diese Spieler bei solchen Turnieren konzentrieren und präsentieren können, wenn sie gesund sind. Sie müssen ein Zeichen setzen, aber: Wenn der Bundestrainer zwei Spieler auf einem ähnlichen Niveau hat, wird er sich immer für den Siegtorschützen aus dem WM-Finale entscheiden – denn er weiß, dass er sich auf ihn verlassen kann, wenn es drauf ankommt. Das weiß er bei den Jungen noch nicht.

Es ist normal und richtig, dass es bei der Nominierung eines WM-Kaders einen Bonus gibt für die Weltmeister – und die Spieler, die schon eine WM gespielt haben. Wir haben es schließlich nicht mit Einzelspielern, sondern mit einer Mannschaft zu tun. Wenn die Mannschaft nicht funktioniert, kann man 23 Superspieler haben, holt aber trotzdem keinen Titel.

Ich hatte 1994 keine Mannschaft

Ich hatte 1994 als Bundestrainer einen besseren Kader als Franz Beckenbauer beim Weltmeistertitel 1990 – aber ich hatte keine Mannschaft. Da waren die Spieler aus der DDR, dann ein paar Nachwuchsspieler und die Weltmeister, die noch egoistisch ihre Plätze verteidigen wollten. Ich habe es nicht geschafft, aus diesen Spielern eine Mannschaft zu formen. Das war 1996 anders – da hatten wir nicht mehr die überragenden Spieler, aber eine überragende Mannschaft, einen überragenden Geist. Der Star ist die Mannschaft – deshalb habe ich diesen Satz geprägt. Und so sind wir Europameister geworden.

Man kann nur hoffen, dass – wie Götze – auch die ebenfalls lange verletzten André Schürrle und Marco Reus noch auf die Beine kommen.

Marco Reus ist ein armer Kerl

Schürrle muss jetzt in den Spiegel schauen und sagen: „Verdammt nochmal, jetzt musst du Leistung bringen und den Rückstand aufholen!“ Dass er ein überragender Spieler ist, hat er bewiesen – jetzt muss er das aber erstmal im Klub zeigen.

Marco Reus dagegen ist wirklich ein armer Kerl! Ich mag ihn – seit er hier in Gladbach gespielt hat. Er soll jetzt bloß nicht zu früh wieder anfangen. Wenn er sich perfekt vorbereitet und dann eine gute Rückserie spielt, dann hat er Zeit genug, um den Sprung in den WM-Kader zu schaffen. Das wäre ihm zu wünschen. Mit seiner unglaublichen Dynamik und Schnelligkeit macht er es auch international jedem Gegner schwer, gegen ihn zu spielen. Er hat etwas ganz Besonderes.

Die Bundesliga ist nicht 1A in Europa

Dortmund ist zum Glück ein Verein, der den Spielern die Zeit und die Gelegenheit gibt, wieder zurückzukommen.

Neben den Rückkehrern fällt noch etwas auf beim Blick auf den DFB-Kader.

Wir haben elf Spieler im Kader für die nächsten beiden Spiele, die im Ausland spielen. Das spricht für den Kader. Die Bundesliga ist nicht 1A in Europa, das haben die Klubs im Europacup gezeigt.

Wir brauchen keine Bayern-Achse

Jahrelang wurde über eine Bayern-Achse in der Nationalmannschaft diskutiert, um ihr Stabilität zu verleihen. Heute haben wir in der Abwehr zwar mit Kimmich, Boateng und Hummels Bayern-Spieler – ich denke aber, dass man keine klassische Bayern-Achse mehr braucht. Man braucht zwar eine Achse, die kann aber in den Länderspielen entstehen und ist bei Deutschland auch entstanden, da es immer mehr Partien gibt. Wenn sechs, sieben Spieler fast immer dabei sind, dann ist das die Achse.

Joachim Löw sucht nicht danach aus, ob jemand beim FC Bayern spielt – er geht nach Qualität und Klasse. Trotzdem glaube ich auch in diesem Fall: Wenn es zwei gleichstarke Spieler gibt, wird Jogi Löw am Ende eher den Spieler mitnehmen zur WM, der beim FC Bayern den internationalen Wettkampf gewohnt ist.

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