Vogts über Heynckes' Chancen Bayerns Ballgeschiebe wird sich Jupp nicht bieten lassen
Berti Vogts und Jupp Heynckes spielten insgesamt 13 Jahre lang zusammen – bei Borussia Mönchengladbach und in der deutschen Nationalmannschaft. Sie wurden gemeinsam Weltmeister, Europameister, Uefa-Pokalsieger, Deutscher Meister und Pokalsieger. In seiner neuen Kolumne schreibt Vogts über seinen alten Weggefährten, der mit 72 nochmal Bayern-Trainer wird. Vogts ist sich allerdings sicher: Mit diesem Bayern-Kader wird er es schwer haben.
Die Kolumne von Berti Vogts bei t-online.de.
Jupp und ich haben gemeinsam wunderschöne Erfolge gefeiert und in dieser langen Zeit natürlich unglaublich viel erlebt. Ob wir nach dem dritten Bier bei einer Meisterfeier aus Jux und Tollerei eine Zigarette gequalmt haben oder im gleichen Zimmer in der Kölner Uniklinik bei Professor Schneider gelandet sind, weil wir beide verletzt waren. Da sind viele lustige Anekdoten und Fotos entstanden.
Jupp ist bei Bayern immer anders aufgetreten als in Gladbach
Wenn wir uns heute treffen, ob mit Jupp, Günter Netzer oder Rainer Bonhof, freuen wir uns immer. Es ist keine klassische, enge Männer-Freundschaft, weil wir uns nicht alle paar Monate treffen – trotzdem kann man sagen, dass uns diese großartigen Erfolge mit dieser kleinen Stadt zu Freunden gemacht haben. Wir haben gemeinsam viel für den deutschen Fußball geleistet. In Gladbach ist es einfach so: Man kann sich aufeinander verlassen, wenn es einem mal nicht gut geht. Man ist bereit, einander zu helfen.
Aber es war auch schon immer so, dass Jupp sich in Mönchengladbach eher etwas zurückgenommen hat, während er bei Bayern ganz anders aufgetreten ist: Selbstbewusster.
Ich freue mich wie jeder Gladbacher, dass nochmal einer von uns den größten deutschen Klub übernehmen darf.
Er weiß: Das Triple wird er nicht erreichen
Er weiß ganz genau: Das Triple wie 2013 kann er nicht nochmal erreichen. Jupp kann mit dieser Mannschaft, die so völlig falsch zusammengestellt und zum Teil auch überaltert ist, maximal Deutscher Meister werden. Ich wünsche ihm, dass er das schafft und ich wünsche ihm natürlich auch, dass er möglichst weit in der Champions League kommt.
Er ist schon 72 Jahre alt und war viereinhalb Jahre raus – Bedenken kann ich daraus beim besten Willen nicht ableiten. Im Gegenteil: Er ist jetzt frisch, ausgeruht und topfit. Die drei, vier Jahre Pause haben ihm gut getan. Und Jupp Heynckes war ganz sicher nie weg vom Fußball. Er sieht, was in der Bundesliga gerade nicht so gut läuft. Und es ist ihm extrem hoch anzurechnen, dass er sich der Verantwortung stellt. Ich finde das großartig, das ist eine wahre Männerfreundschaft zwischen Uli Hoeneß und ihm. Der Uli bittet ihn um Hilfe und er sagt zu.
Schon in den Interviews nach dem Deutschland-Spiel in Nordirland hat man gesehen, dass die Spieler sich darauf freuen, mit ihm arbeiten zu dürfen.
Das Ballgeschiebe wird sich Jupp nicht bieten lassen
Jupp weiß genau, wo er ansetzen muss, was international gefragt ist und was bei Bayern falsch gelaufen ist. Und das wird er auch gegenüber Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge ganz deutlich ansprechen. Dieses Ballgeschiebe auf dem Platz wird er nicht durchgehen lassen.
Gestatten Sie mir übrigens noch eine Anmerkung zu Carlo Ancelotti: Ich finde es unverschämt, ihn so in Frage zu stellen. Es ist eine Frage der Ehre, wie man mit ihm umgeht. Spieler sind schnell dabei, Ausreden zu finden und sich zu beschweren. Sie werden von ihren Medienberatern unterstützt. Aber so mit Dreck hinterherzuwerfen und ihm schlechtes Training vorzuwerfen, das gehört sich nicht.
Wenn es darum geht, was bei Bayern schief gelaufen ist, liegt das Problem ganz woanders. Michael Reschke wird weggelobt zum VfB Stuttgart – aber die entscheidende Frage ist doch, ob man in den letzten Jahren die richtigen Transfers für den großen FC Bayern getätigt hat. Und wer sie getätigt hat. Darauf hatte Ancelotti doch gar keinen großen Einfluss.
Ribéry und Robben kann man nicht mehr als Spitzenduo verkaufen
Robben ist nicht mehr der Robben von vor drei, vier Jahren. Ribéry – es tut mir leid, dass er verletzt ist – und Robben kann man doch nicht mehr als das große Spitzenduo auf den Flügeln verkaufen. Da hat man es versäumt, zu reagieren. Da haben sie keine Möglichkeiten. Das reicht vielleicht teilweise noch für die Bundesliga, aber längst nicht mehr international.
Da hole ich doch lieber ein, zwei teurere Spieler, die auch helfen – anstatt sechs, sieben Spieler, die nicht helfen. Ancelotti hat schon gesehen, was nicht läuft beim FC Bayern, da bin ich mir sicher.
Jupp wird einspringen – aber wie geht es dann weiter bei Bayern?
Löw wird kaum zum FC Bayern gehen
Selbst Joachim Löw wurde jetzt mit Bayern in Verbindung gebracht – aber wenn er einen Verein übernehmen sollte, dann sicher irgendwo, wo er mehr Lebensqualität hat und nicht diesen permanenten Druck bei Bayern. Vielleicht hängt Jupp ja sogar noch ein Jahr dran.
Für mich ist das nämlich ein großes Fragezeichen, ob die jungen Trainer wie Nagelsmann wirklich im nächsten Sommer schon zum FC Bayern wechseln sollten. Man sollte sie nicht zu früh verbrennen. Das ist ein Weltklub auf einer Stufe mit Real Madrid und dem FC Barcelona.
Zumal diese jungen Trainer international zuletzt nicht von ungefähr ihre Spiele verloren haben. Es wird zu viel auf den Fehlpass des Gegners gewartet, um in Ballbesitz zu kommen. Da muss man bei den jungen Trainern eher auch mal die Ausbildung hinterfragen.
Die deutschen Mannschaften treten in Europa nicht so auf wie die Nationalmannschaft und das ist das Problem.
So ist Deutschland auch nicht Weltmeister geworden – und so hat Joachim Löw nicht die WM-Qualifikation gemeistert, wofür ich ihm und dem DFB gratulieren möchte. Er will, dass die Spieler die Zweikämpfe suchen – und zwar knallhart. Wenn der Gegner zur Flanke kommt, habe ich als Abwehrspieler den Zweikampf verloren. In der Premier League oder selbst in Frankreich wird schneller und aggressiver gespielt als in der Bundesliga.
Am Ende meiner Kolumne noch ein paar Sätze zum nächsten DFB-Gegner Aserbaidschan, den ich von 2008 bis 2014 trainiert habe. Deutschland wird den nächsten Sieg einfahren, das steht außer Frage.
Das Besondere an Aserbaidschan ist, dass das Land nichts Besonderes anzubieten hat. Sie haben schon geträumt nach den Siegen gegen San Marino, aber da muss man sagen: "Spinnt ihr? Ihr habt doch keine Chance auf Platz zwei!" Sie sind auf einem guten Weg und haben interessante Spieler, die auch in der zweiten Bundesliga bei Topvereinen spielen könnten. Mich hat es traurig gestimmt, dass sie sich damit begnügt haben, in Aserbaidschan zu spielen. Sie sind dort auch ein bisschen bequem – vielleicht weil Ringen und Schach dort wichtiger sind.