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HomeSportFußballKolumne - Berti Vogts

Berti Vogts im Interview: "Rangnick hat ein Fußballer-Gehirn"


Vogts über Vizemeister
"Leipzig kann zu Dortmund aufschließen"

t-online, Florian Wichert

Aktualisiert am 17.08.2017Lesedauer: 4 Min.
Ralf Rangnick (l.) ist seit 2012 Sportdirektor bei Leipzig und führte RB 2016 als Trainer in die Bundesliga.Vergrößern des Bildes
Ralf Rangnick (l.) ist seit 2012 Sportdirektor bei Leipzig und führte RB 2016 als Trainer in die Bundesliga. (Quelle: imago-images-bilder)

Welt- und Europameister als Spieler und Trainer, Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse, Weltnationaltrainer – die Liste seiner Titel und Auszeichnungen ist unendlich lang. Ab sofort schreibt Berti Vogts regelmäßig Kolumnen für t-online.de. Im zweiten Teil des großen dreiteiligen Exklusiv-Interview zum Start der Zusammenarbeit spricht die Fußball-Legende über die neue Bundesliga-Saison, die am Freitag mit dem Spiel Bayern gegen Leverkusen beginnt.

Vogts warnt den neuen Dortmund-Trainer Peter Bosz und nennt seine Top-Fünf-Vereine.

t-online.de: Herr Vogts, am Freitag geht es endlich wieder los. Was erwarten Sie von der neuen Bundesliga-Saison?

Berti Vogts (70): Die fußballlose Zeit ist Gott sei Dank beendet. Freundschaftsspiele sind halt Freundschaftsspiele, auch wenn sie international sind. Man spielt nicht mit der ersten Garnitur, sondern mit den Spielern, die schon fit sind. Die Bundesliga ist neben Spanien und England in den Top drei der Welt. Ich freue mich sehr auf die Saison.

Stefan Effenberg sieht das anders. Er sagte bei t-online.de, dass die Bundesliga hinterher hinke, weil international nur Bayern und Dortmund mithalten. Sonst niemand.

Klar: In Champions- und Europa-League führt Spanien. Und klar: Hinter Bayern oder Dortmund ist da ein großes Fragezeichen. Aber ich glaube, dass Stefan das vor allem an den finanziellen Unterschieden festmacht, an den Möglichkeiten, die die Vereine in Spanien und England haben. Aber Deutschland hat enorm aufgeholt und wir brauchen uns nicht verstecken vor diesen Ligen.

Was trauen Sie Leipzig zu? Können die zu Bayern und Dortmund aufschließen?

Ich glaube, dass Leipzig aufschließen kann zu Dortmund, aber nicht zu Bayern München. Ich habe sie live in Mönchengladbach gesehen, das war sehr beeindruckend. Wie schnell ihr Umschaltspiel ist, wie schnell sie den Abschluss suchen, was für Spieler sie haben. Man sieht, was Ralf Rangnick in seinem Gehirn hat, er hat ein Fußballer-Gehirn. Er kauft nicht nach Namen, die nur für sich spielen. Er kauft immer danach ein, wer zu den vorhandenen Spielern passt. Man wundert sich ab und zu: Was will er mit Spieler X? Aber dann sieht man, wie sie spielen…

Aber?

Das ist eine ganz andere Art, Fußball zu spielen, als bei Bayern oder Dortmund, die viele Ballkontakte haben, mal das Tempo ein wenig rausnehmen und auf Ballsicherheit achten.

Was bedeutet das?

International weht ein ganz anderer Wind. Gerade in der Champions League, in der sie jetzt spielen, braucht man doch schon eine andere Qualität als in der Bundesliga.

Also wird es für Leipzig schwer, die Gruppenphase zu überstehen?

Das Problem ist, dass sie nicht gesetzt sind. Leipzig ist nur die Nummer drei oder vier in der Gruppe. Sie brauchen Losglück. Ich hoffe nicht, dass sie jetzt mit Juventus Turin und Real Madrid oder mit Chelsea in eine Gruppe kommen.

Was trauen Sie Dortmund in der neuen Saison zu?

Ich mochte die Spielweise von Ajax Amsterdam unter Trainer Peter Bosz, aber es war manchmal zu viel. Er hat aus jeder Position nach vorne spielen lassen. Man dachte: Verdammt nochmal, einen Hausbau beginnt man doch auch mit einem Keller oder mit einem Fundament. Da hat er ein wenig übertrieben in Amsterdam. Ich glaube nicht, dass er so offensiv spielen lässt, wie er das in Holland gemacht hat. In der Bundesliga, wenn er da drei, vier Spiele 3:4 verliert, werden schnell die ersten kritischen Fragen kommen. Für mich ist es wichtig, dass er einen schönen Fußball spielen lässt. Aber ob man damit zufrieden ist in Dortmund, nur schön zu spielen, oder ob es nicht besser ist, Punkte zu sammeln, wird man sehen.

Was muss Dortmund machen, um an Bayern heran zu kommen?

Dortmund hat zwei neue Innenverteidiger geholt. Sie haben also gesehen, was in den letzten ein, zwei Jahren gefehlt hat. Man kann nicht immer nur „offensiv, offensiv, offensiv“. Dann schreien erstmal alle „Bravo, Bravo, Bravo“, aber dann verlierst du 3:4. Das war bei Gladbach in den frühen Siebziger Jahren ähnlich. Wir sind erst Meister geworden, als wir zwei Innenverteidiger gekauft haben – Klaus-Dieter Sieloff und Ludwig Müller. Beide über 30, beide Nationalspieler mit eher wenigen Länderspielen. Die haben uns jungen Wilden gesagt: „Bleib doch mal hinten stehen. Renn nicht immer gleich mit dem Ball nach vorne.“

Was halten Sie von den Neuen beim BVB – neben den Verteidigern Toprak und Zagadou kamen Philipp und Dahoud?

Dahoud hätte ich lieber noch in Gladbach gesehen, weil er noch nicht so weit ist. Er muss noch reifen. Er spielt praktisch jeden Ball nach vorne. Es wäre ganz gut, wenn er mal quer, ich nenne es mal einen „Vorbereitungspass“ spielen würde, nicht direkt nach vorne. Seine Fehlpässe kamen immer durch einen Risikopass zustande. Diese Pässe hat er zu früh gespielt, deshalb hat man sie ihm zum Teil nicht verziehen. Aber: Für mich ist er eines der größten Talente, die wir im deutschen Fußball haben, ein toller Kerl obendrein.

Welche Vereine landen in den Top Fünf?

Bayern München vorn – klar. Dortmund dahinter – klar. Leipzig wird oben rein kommen. Dann Hoffenheim mit der Doppelbelastung – egal wie, ob Europa League oder Champions League. Und Gladbach traue ich zu, dass sie Platz Fünf schaffen. Sie haben nun ohne Europacup nur noch ein Spiel in der Woche. Wobei es schwierig ist, ein Jahr international zu spielen und dann wieder nicht. Entweder ist man im Rhythmus drin wie die großen Klubs alle. Aber ein Jahr schon, ein Jahr nicht – das ist schwierig.

Warum?

Es werden zu viele Fehler gemacht, wenn die Erfahrung fehlt. Warum soll ich denn heute aus Madrid mitten in der Nacht zurückfliegen nach Deutschland? Warum bleibe ich nicht in Madrid? Trainiere am nächsten Tag dort, analysiere noch einmal das Spiel, kann noch etwas Teambuilding machen, zusammen Essen gehen, und manchmal auch den Spielern die Meinung geigen und am Freitagmorgen fliege ich schön relaxed direkt nach München oder Stuttgart. Ich verstehe es nicht, wenn man das anders macht.

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Sie meinen, dass die Vereine sonst Kräfte verschenken?

Klar, Du kommst mitten in der Nacht nach Hause, kannst eh nicht schlafen und hast noch mit anderen privaten Dingen zu tun.

Das ist Berti Vogts: Geboren in Büttgen (heute: Kaarst) in Nordrhein-Westfalen, legte Hans-Hubert "Berti" Vogts eine unglaubliche Spielerkarriere hin. 419 Bundesliga-Spiele für Mönchengladbach, 96 für die deutsche Nationalmannschaft – er wurde Weltmeister 1974, Europameister 1972, fünfmal Deutscher Meister, zweimal Uefa-Pokalsieger, DFB-Pokalsieger, Fußballer des Jahres. Als Trainer führte er die DFB-Elf 1996 zum Europameister-Titel, 1990 wurde er als Co-Trainer von Franz Beckenbauer Weltmeister. 1996 wurde er auch als Weltnationaltrainer und mit dem Bundesverdienstkreuz erster Klasse ausgezeichnet.

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