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FC Schalke 04: Revierklub nach dem Schröder-Rücktritt im Chaos


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Schalke 04 am Boden
Zurück zum Chaos


Aktualisiert am 26.10.2022Lesedauer: 4 Min.
Rouven Schröder: Der Nicht-Mehr-Sportdirektor von Schalke 04 hat intensive Wochen hinter sich.Vergrößern des Bildes
Rouven Schröder: Der Nicht-Mehr-Sportdirektor von Schalke 04 hat intensive Wochen hinter sich. (Quelle: IMAGO/Kirchner/Marco Steinbrenner)
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In Rouven Schröder verliert Krisenklub Schalke 04 seinen fähigsten Mitarbeiter. Der Abgang des Sportdirektors wirft die Knappen in ihrer Entwicklung brutal zurück.

Es ist einer der wenigen wirklich starken Momente der sechsteiligen Dokuserie "Zurück zum wir", in der der Privatsender RTL den abgestürzten Fußballriesen Schalke 04 durch die vergangene Zweitligasaison begleitet: Die Zuschauer sehen Sportdirektor Rouven Schröder in seinem Büro in der Geschäftsstelle der Gelsenkirchener gefährlich zwischen Contenance und Wahnsinn changieren. Deadline Day, letzter Tag des Transferfensters, gleich geht nichts mehr – und der 47-Jährige hat da noch einen Spieler an der Angel. Er sichtet und sortiert wiederholt die Papiere, tigert durch die Büroräume, schreit in sein Handy. Emotion pur, Einsatz pur.

Doch am Ende nützt alles nichts. Ein Scanner beim potenziell abgebenden Verein gibt den Geist auf, Schalke geht leer aus. Schröder sitzt bedröppelt da, seine Glatze ein Schützengraben aus Falten. "Das gibt es doch nicht. Das gibt es doch einfach nicht", murmelt er immer wieder vor sich hin.

Worte, die auch Millionen Schalker Fans am Mittwochnachmittag über die Lippen gekommen sein dürften. Da verkündete der Bundesliga-Aufsteiger und aktuelle Tabellenletzte, dass Schröder den Verein aus persönlichen Gründen und auf eigenen Wunsch vorzeitig und mit sofortiger Wirkung verlassen wird.

Viele Anzeichen für die Krise

Ein Schock. Denn in Schröder verliert Schalke seinen fähigsten Angestellten, einen engagierten, eloquenten, knallhart verhandelnden Sportdirektor, der den Klub von einer Gehaltsoase für überbezahlte, aber mittelmäßig begabte Kicker zu einem auf leistungsbezogene Verträge spezialisierten Gut-und-günstig-Salon umgebaut hat.

Wird nun auf Schalke ohne Schröder aus "Zurück zum wir" etwa allen ernstes "Zurück zum Chaos"?

Viele Anzeichen deuten darauf hin: Sechs Niederlagen in Folge, Bundesliga-Torverhältnis von -15 Toren, Aus im DFB-Pokal, Trainer entlassen – nur 04 Stichpunkte, um die fatale Krise zu beschreiben, in der Schalke aktuell steckt. Dass zudem einfach kein Nachfolger für den glücklos gescheiterten Übungsleiter Frank Kramer aufzutreiben ist, verschärft die Lage beim abstiegsbedrohten und chronisch in finanzieller Schieflage befindlichen Ruhrpottklub.

Seit der Demission Kramers wurde fast täglich mit der Verkündung eines neuen Namens gerechnet – bisher vergeblich. An einem Tag wurde die Pressekonferenz auf einen untypisch späten Termin verlegt, am nächsten das Mannschaftstraining zeitlich verschoben – immer in der Hoffnung, da schon den neuen Trainer präsentieren zu können. Früh legten sich die den Verein begleitenden Medien auf den Ex-Bochumer Thomas Reis fest, der schon im Sommer mit Schalke flirtete. Dann hieß es, der erfahrene Feuerwehrmann Bruno Labbadia sei der Wunschkandidat, Verhandlungen seien aufgenommen worden. Labbadia sagte ab, genauso wie der Perspektivkandidat Christian Ilzer vom österreichischen Überraschungsteam Sturm Graz. Plötzlich tauchte der Name Vladimir Petkovic auf, den Sportvorstand Peter Knäbel aus seiner Zeit beim Schweizer Verband kennt und schätzt. Parallel zum früheren "Nati"-Coach verhandle Schalke aber auch wieder mit Bochum um eine Ablöse für Reis. Alle im Schalker Umfeld gingen mit einer Entscheidung bis Mittwoch aus. Stattdessen warf Schröder das Handtuch.

Schon rollt die Spekulationslawine in den Sozialen Medien los. Was hat die Trainersuche mit Schröders Ende zu tun? Hatte sich Schröder etwa auf Petkovic festgelegt, der laut dem gut informierten Schweizer Journalisten Andreas Böni Schalke jedoch nur wenige Minuten vor der Pressemitteilung zum Schröder-Aus abgesagt haben soll? War Schröder so entnervt, dass es mit Reis nach Kramer schon auf die zweite Notnagellösung in seiner Amtszeit hinauslaufen dürfte, zudem eine teure mit Blick auf die wohl horrenden Ablöseforderungen der Pottnachbarn aus Bochum? All diese Fragen konnten auch am Mittwochabend nicht beantwortet werden, als Schalke offenbar eine Einigung mit Thomas Reis erzielte (mehr dazu lesen Sie hier).

Das Comeback des "Kotelettkaisers"?

Und was hat Clemens Tönnies mit alledem zu tun? Der "Kotelettkaiser" aus Rheda-Wiedenbrück, der nach allerlei Skandalen 2020 als Aufsichtsratsboss zurücktrat und angesichts der existenziellen Ängste des Klubs seinen Kopf wie Jack Torrance in "The Shining" durch die von ihm selbst zerstörte Tür steckt, weil er eine neue Chance auf maximale Einflussnahme wittert? Schalke bestätigte einen Austausch mit Tönnies, dieser ist weiterhin durch seine Firmen, wie etwa Böklunder, als Sponsor auf Schalke tätig, distanzierte sich jedoch nicht entscheidend von der Horrorvorstellung eines neuen Fleischfabrikantenpatriarchats. Ein Szenario, das dem Teamplayer Schröder definitiv nicht geschmeckt hätte.

Nichts davon lässt sich Stand jetzt stichfest beantworten. Und Spekulationen über Spekulationen sind wirklich das Letzte, was Schalke in der aktuellen, absolut hoffnungslosen Situation benötigt. In der Stadt der tausend Feuer herrscht gerade gespenstische Dunkelheit. Die Fantasie, wer die Person sein könnte, die den Klub wieder ins Licht führen könnte, fehlt nach dem Abgang Schröders erst recht.

Denn klar ist: Peter Knäbel dürfte das mittelfristig nicht sein. Zwar übernimmt der Sportvorstand interimsweise die Aufgaben Schröders, doch es fehlt ihm an Verve und Charisma, um den Verein an vorderster Front nun zusammenzuhalten. Sein Standing in Fankreisen ist nicht zuletzt deshalb arg beschädigt, weil er dem in der Zweitligasaison gefeuerten Trainer Dimitrios Grammozis einen Vertrag vorsetzte, der ihm eine automatische Vertragsverlängerung sowie Gehaltserhöhung zusicherte, sofern Schalke der direkte Wiederaufstieg gelingt – egal, ob der Deutsch-Grieche dann überhaupt noch auf der königsblauen Bank sitzt. So sitzt Grammozis nun schon seit Monaten in den heimischen vier Wänden und freut sich über ein Jahresgehalt von 1,8 Millionen Euro – fürs Nichtstun. Ein Deal, der Schalke aktuell nahezu manövrierunfähig macht.

Auch wegen dieses "Meisterstücks" Knäbels dürfte sich die Schalker Trainersuche noch weitere Stunden oder sogar Tage ziehen. Das Profitraining am Mittwoch leitete dann doch wieder Assistenztrainer Matthias Kreutzer. Nicht ausgeschlossen, dass er auch am Wochenende gegen Freiburg an der Seitenlinie stehen wird – obwohl die 1:2-Pleite in Berlin gegen Hertha doch definitiv (!) seine einzige Partie als verantwortlicher Coach bleiben sollte.

Doch mit dem allem muss sich Schröder nicht mehr herumschlagen. Er hat das sinkende Schiff verlassen – aus welchen Beweggründen auch immer. Das hat man zu respektieren. Man kann ihm privat als auch beruflich nur das Beste wünschen. Und hoffen, dass sich der Dauerpatient Schalke von diesem Schlag erholen kann.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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