Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Hype um Frauenfußball? Das ist absurd
Die Fußball-EM der Frauen brach alle Rekorde. Und auch wenn das deutsche Team das Finale gegen England verlor, begeisterte die Mannschaft viele Menschen in der Heimat. Wie geht es nun weiter, was bleibt vom Turnier?
Millionen vor den Fernsehern, Public Viewing in der ganzen Republik, der Kanzler als Edelfan in London als einer von 90.000 Zuschauern: Trotz der Finalniederlage der deutschen Nationalmannschaft gegen England am Sonntagabend hoffen die Frauen auf einen positiven Effekt für ihren Sport.
Die Bundestrainerin Martina-Voss Tecklenburg fordert Nachhaltigkeit und fragt: "Wenn nicht jetzt, wann dann?" Ein "neues Wahrnehmungszeitalter" solle eingeläutet werden, beteuerte Siegfried Dietrich, Vorsitzender des DFB-Ausschusses Frauen-Bundesligen.
Und tatsächlich gibt es von allen Seiten Lob und Respekt für die Ehrlichkeit, Bodenständigkeit und beeindruckende Entwicklung im Frauenfußball. Gerade im Gegensatz zu den Männern, wo Millionäre mit Egoismus und Allüren viele Sympathien verspielen.
Kann der Frauenfußball den Männern den Rang ablaufen?
Ja, vor allem auf Nationalmannschaftsebene
Der Sommer 2022 hat vieles verändert. Die Partien der deutschen Fußballerinnen bei der EM in England begeisterten viele. Mit ihrer kämpferisch als auch spielerisch brillanten Leistung im Halbfinale gegen Frankreich verdienten sie sich jeden der 12,187 Millionen Deutschen vor dem Fernseher. Nie hatte ein Spiel der Frauen-Nationalmannschaft eine höhere Reichweite. Beim Finale in Wembley waren es sogar 17,9 Millionen. Ein Allzeit-Rekord im Frauenfußball.
Auf der Vereinsebene wird es lange Zeit dauern, dem Herrenfußball echte Konkurrenz zu machen. Dafür ist der Vorsprung zu groß. Aber bei der Nationalmannschaft kann das durchaus gelingen. Denn es geht gerade beim Nationalteam eben nicht nur darum, die größten Stars im Team zu haben, sondern vor allem auch um Identifikation mit der Mannschaft. Und da haben unsere Frauen den Männern bereits jetzt richtig was voraus.
Die Fußballerinnen und ihre Trainerin Martina Voss-Tecklenburg begeistern sportlich, sind bodenständig und extrem sympathisch. Die Herren nicht. Die Frauen sind weniger mediengeschult, ihre Natürlichkeit spürt man in Interviews, auch das gefällt den Zuschauern. Und es fallen sogar Weltklasse-Tore durch Alexandra Popp – einer richtigen Stürmerin. Das gab es bei den Männern seit dem Abgang von Miroslav Klose 2014 nicht mehr. Wenn das Team von Bundestrainer Hansi Flick nicht aufpasst, werden sich künftig viele Fußballfans umorientieren.
Nein, der Boom wird mal wieder ausbleiben
Toller Offensivfußball, sympathische und bodenständige Spielerinnen, ein begeisternder Spirit: mehr Werbung für den Frauenfußball hätte die deutsche Nationalmannschaft kaum machen können. Logisch: die Hoffnung ist riesig – auf einen Boom und darauf, den Männern irgendwann den Rang abzulaufen.
Einen Boom?
Moment mal.
Diese Hoffnung kommt einem doch bekannt vor.
Ach ja, vor drei Jahren bei der WM war sie schon mal riesig, vor fünf Jahren bei der letzten EM ebenfalls. Genauso beim letzten deutschen EM-Titel 2013. Oder bei der Heim-WM 2011.
Jedes Mal wurde es nichts. Im Gegenteil. Im Vergleich zu 2010 gibt es heute 40 Prozent weniger Mädchenmannschaften in Deutschland. Die Bundesligisten spielen immer noch im Schnitt vor weniger als 1.000 Zuschauern. Es fehlen Sponsoren, Strukturen und Basics – von der Rasenheizung bis zur medizinischen Betreuung. Die TV-Gelder sind überschaubar, viele Spielerinnen sind noch immer Amateure, die TV Präsenz nahm zuletzt sogar ab.
Nachdem sich der Frauenfußball in anderen Ländern durchaus positiv entwickelt hat, wird es in Deutschland – mal wieder – nichts mit einem Boom. Und über einen Vergleich mit dem Männerfußball brauchen wir gar nicht erst zu reden. Der ist absurd.
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