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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hattrick im Topspiel Kann Kane jetzt seine Kritiker zum Schweigen bringen?
Nach vier Spielen ohne Treffer musste sich Harry Kane einige Kritik anhören. Gegen den VfB Stuttgart meldete sich der Torjäger zurück – und schoss die Bayern an die Tabellenspitze.
"Ich habe schon nach der EM im Sommer gesagt, dass er den Beweis noch schuldig ist, die 100 Millionen wert zu sein": Die Kritik von Sky-Experte Didi Hamann an Bayerns Rekordtransfer Harry Kane war laut und deutlich. Geäußert hatte der Ex-Profi seine Attacke nach der 0:1-Niederlage des FC Bayern in der Champions League gegen Aston Villa.
Sowohl gegen Villa als auch im Bundesliga-Topspiel gegen Bayer Leverkusen hatte Kane nicht getroffen. Hamann meinte daraufhin, Kane sei nicht geholt worden, "um gegen Darmstadt einen Hattrick zu erzielen. Er wurde geholt, um gegen Leverkusen und Aston Villa ein Tor zu machen und im Viertelfinale der Champions League zu treffen. Das hat er bislang nicht getan." Er bleibe deshalb skeptisch, was den Engländer angeht.
Bayern und der "Tinnitus"
Bayerns Sportvorstand Max Eberl reagierte deutlich auf die Kritik. "Didi Hamann ist wie ein Tinnitus. Der kommt alle drei Tage hoch", sagte Eberl über den bereits häufiger gegenüber den Bayern kritisch aufgetretenen Experten vor dem nächsten Bundesliga-Gipfel gegen Eintracht Frankfurt.
Kane selbst blieb eine Antwort zunächst schuldig. Beim folgenden 3:3 gegen die Frankfurter, bei dem er allerdings den Assist zum zwischenzeitlichen 3:2 lieferte, traf er ebenso nicht, wie in der Länderspielpause mit England. Gegen Stuttgart richteten sich deshalb auch alle Augen auf ihn – und er lieferte.
Er drohte zum Chancentod zu werden
Dabei schien es lange Zeit, als würde Kane seine vier Pflichtspiele anhaltende Torkrise auch gegen den VfB Stuttgart fortsetzen. In der 20. Minute setzte der Mittelstürmer eine gute Kopfballchance vorbei, in der 31. Minute köpfte er einen weiteren Ball über das Tor, in der 33. Minute geriet ihm ein Dropkick zu hoch und in der 51. Minute rutschte er an einer Hereingabe von Gnabry knapp vorbei.
Vom Edelstürmer zum Chancentod? Die ersten Schlagzeilen dürften zu diesem Zeitpunkt schon geschrieben worden sein und Hamann spannte wohl schon wieder den Hahn seines verbalen Revolvers.
Gewaltschuss bringt die Wende
Doch dann kam die 57. Minute: Gut 25 Meter vor dem Stuttgarter Tor kam Kane an den Ball. Der 31-Jährige nahm kurz Maß und sammelte die gesamte angestaute Wut der letzten Wochen in seinem rechten Fuß. Nur einen Augenblick später schlug der Ball unten links im Kasten von VfB-Keeper Alexander Nübel ein. Der Bann war gebrochen.
Auf einmal ging es Schlag auf Schlag: Nur drei Minuten später behauptete Kane in einer unübersichtlichen Situation im gegnerischen Strafraum den Ball und vollendete zu seinem zweiten Treffer. Schon in der 67. Minute hätte der Engländer den Hattrick komplettieren können, doch verfehlte aus 14 Metern noch knapp. In der 80. Minute war er aber dann zur Stelle und machte mit dem 3:0 alles klar.
Der FC Bayern grüßt durch den Sieg und vor allem wegen Kane nun wieder von der Tabellenspitze der Bundesliga – und hat die bittere 1:3-Niederlage gegen die Stuttgarter am 32. Spieltag der letzten Saison vergessen gemacht. Der Beweis, dass Kane auch in wichtigen Spielen für die Bayern treffen kann? Erbracht.
"Ich glaube immer an mich selbst"
Entsprechend zufrieden präsentierte sich der Stürmer selbst auch im Anschluss an die Partie in der Mixed Zone, den in einer Plastiktüte verpackten Spielball in der linken Hand. "Ich habe es in meiner Karriere schon ein paar Mal durchgemacht, ein paar Spiele ohne Tor zu haben", sagte er. Manchmal habe man als Stürmer Phasen in der Saison, wo man kein Abschlussglück habe.
"Ich glaube immer an mich selbst. Ich glaube an meine Teamkollegen, dass sie Chancen für mich kreieren werden", so Kane. "Ich gebe immer hundert Prozent für das Team und ich weiß, dass die Tore schon kommen werden."
Die Kritik der vergangenen Wochen, sie scheint an ihm abgeperlt zu sein. Das Selbstvertrauen habe er jedenfalls nicht verloren, verkündete Kane. Auch Eberl spielte Kanes vorangegangene vermeintliche Krise nach dem Spiel herunter. Der Klub würde ihn nicht nur an Toren messen und auch in den vergangenen Spielen habe er viel für die Mannschaft gearbeitet. "Diese Torlosminuten wurden dann gezählt, aber Harry hat heute die beste Antwort gegeben mit einem Hattrick. Dass er Tore schießen kann, das beweist er jede Saison seit einiger Zeit", so Eberl. In der aktuellen Saison steht Kane jetzt schon wieder bei 13 Pflichtspieltoren, erzielte zum insgesamt siebten Mal drei oder mehr Tore in einem Spiel.
Die Rückendeckung des Vereins hatte Kane also so oder so. Dennoch dürfte es sich gut für ihn anfühlen, mit einem weiteren Spielball in der Hand die Heimfahrt anzutreten. Den sicherte sich Kane übrigens für seinen Sohn. "Mein Sohn Louis wird morgen mit einem weiteren Ball neben seinem Bett aufwachen und ihn durch das Haus schießen", sagte er. Für Kane dürfte der Kinderlärm zu Hause Musik in den Ohren sein – zumal "Tinnitus" Hamann vorerst schweigen wird.
- Eigene Beobachtungen
- Interviews mit Harry Kane und Max Eberl in der Mixed Zone