Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Beben beim Rekordmeister Das hat extrem wehgetan
Der FC Bayern hat die turbulenteste Saison der letzten Jahre hinter sich. Wirklich? Es warten noch einige Herausforderungen.
Den Auftritt von Jan-Christian Dreesen und Herbert Hainer auf der Pressekonferenz des FC Bayern am Sonntag habe ich ganz genau verfolgt – und ganz genau zugehört. Er hat nämlich viel darüber ausgesagt, was im Innenleben des FC Bayern in dieser Saison los gewesen sein muss. Die Worte der beiden haben viel darüber verraten, dass es in bestimmten Bereichen des Vereins einfach nicht mehr gestimmt hat – denn sonst hätten die Bayern auch nicht diese Entscheidungen getroffen, die für sie eigentlich komplett untypisch sind. Dass direkt der CEO und der Sportvorstand entlassen werden – das kenne ich so nicht vom FC Bayern.
Es hat mir auch sehr wehgetan, dass die Bayern-Spieler schon mit Abpfiff nach dem dramatischen Titelgewinn in den Interviews damit konfrontiert wurden, dass Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić nicht mehr in ihren Ämtern sind. Auf der einen Seite ist das nun mal das Geschäft, auf der anderen Seite aber für die Spieler unglaublich bitter, nach so einem dramatischen Gewinn der Meisterschaft direkt dieser ungeahnten Situation ausgesetzt zu werden.
Kahn und die Bayern müssen sich jetzt zusammensetzen
Der Zeitpunkt war maximal unglücklich, das hätte man anders machen müssen. Deshalb trüben diese Vorgänge den Titelgewinn. Uli Hoeneß hat bereits gesagt, man hätte sich von Kahn und Salihamidžić getrennt, auch wenn alle drei Titel geholt worden wären – das ist schon eine starke Aussage. Da muss einfach vieles verkehrt gelaufen sein.
Jetzt bin ich gespannt darauf, wie Oliver Kahn reagiert. Wann treffen sie sich? Wie verläuft die Trennung weiter? Was wird in Statements gesagt? Sie müssen sich jetzt noch mal – wie auch von Kahn angekündigt – zusammensetzen und reinen Tisch machen. Ich sage klar und deutlich: Man muss Kahn auch die Möglichkeit geben, auf die Vorwürfe, die im "Doppelpass" aufkamen und auch von Uli Hoeneß nochmals geäußert wurden, zu reagieren. Ob er das überhaupt will, das ist seine eigene Entscheidung. Wenn die Vorwürfe aber nicht stimmen, dann kenne ich Oli auch so, dass er dann klar dazu Stellung nehmen würde. Sollten es wirklich Falschbehauptungen sein, würde ich das an seiner Stelle nicht auf mir sitzen lassen.
Ein Faktor ist für die Münchner jetzt entscheidend: Sie müssen sofort Ruhe in den Verein bekommen. Das haben sie auch geschafft, indem sie in der Aufsichtsratssitzung am Dienstag Karl-Heinz Rummenigge in den Aufsichtsrat geholt haben und Uli Hoeneß auch wieder näher heranrückt. Hoeneß hat ja auch bereits angekündigt, dass sie bis Weihnachten einen neuen Sportvorstand präsentieren wollen – und genau darin sehe ich eine Gefahr, die sie nicht unterschätzen dürfen: Wenn es Richtung Sommer oder sogar Herbst geht und es noch keine Neuigkeiten gibt, dann gehen die Spekulationen und Diskussionen wieder los: Wer wird es denn jetzt? Diesen Fehler sollten die Bayern unbedingt vermeiden, sonst haben sie erneut diese permanente Unruhe wie in den letzten Wochen und Monaten, die mit der Entlassung von Julian Nagelsmann begann.
Eberl will in Leipzig etwas aufbauen
Ich gehe aber fest davon aus, dass die Bayern bis Jahresende eine Lösung präsentieren werden. Eins möchte ich ausschließen: So erfahren die beiden auch sind und so glücklich sich die Bayern auch schätzen können, dass sie jetzt wieder helfen: Hoeneß und Rummenigge sind keine Dauerlösung für das nächste Jahrzehnt, das muss klar sein.
Natürlich habe ich auch verfolgt, wer nun als Nachfolger für Hasan Salihamidžić gehandelt wird. Der Name Max Eberl sorgte für besonders großes Aufsehen. Dass er wirklich nach seinem Aus bei Borussia Mönchengladbach und seinem Wechsel zu RB Leipzig nun zu den Bayern geht, kann ich mir in keiner Weise vorstellen. Wenn es dazu kommen sollte, dann verliere ich den Glauben an Verträge im Fußball. Man möchte etwas aufbauen, Dinge anstoßen, langfristige Entwicklungen vorantreiben. Du schließt einen Vertrag als Sportdirektor oder Sportvorstand, um eine Reise mit anzutreten. Und ich bin mir sicher, dass Max, den ich sehr schätze, das nun mit Leipzig tun will.
Dortmunds Reise sehe ich auch noch nicht am Ende. Der BVB hatte im Saisonfinale alles in der Hand. Aber dann treffen die Bayern zum 1:0 in Köln, sie selbst bekommen das 0:1 gegen Mainz, verschießen wenig später den Elfmeter und kriegen dann auch noch das 0:2 – da war es natürlich schwer, zurückzukommen. Der Anschlusstreffer ist ihnen auch zu spät gelungen (in der 69. Minute, Anm. d. Red.), dann lief ihnen einfach die Zeit weg. Da hat man gesehen, dass es manchmal eben nicht nur eine Frage der Qualität ist – die haben die Dortmunder vor allem über die Rückrunde hinweg bewiesen. Aber es spielt sich eben auch viel "zwischen den Ohren" ab.
Dortmunds Gier muss noch größer geworden sein
Thomas Müller hat es ja gesagt: Wenn über 80.000 im Stadion sind und 200.000 davor, um Party zu machen und die Meisterschaft zu feiern, dann ist das natürlich ein unfassbarer Druck, mit dem sie dann auch im Zusammenhang mit dem Spielverlauf einfach nicht klargekommen sind. Man hat ja auch gesehen, dass selbst das 1:1 in Köln – durch das die Dortmunder Spieler wussten: "Jetzt reicht uns sogar das aktuelle Ergebnis" (zu diesem Zeitpunkt lag der BVB 1:2 gegen Mainz hinten, Anm. d. Red.) – nichts bewirkt hat. Sie haben es einfach nicht mehr zu ihren Gunsten drehen können.
Natürlich wird dieser Ausgang der Meisterschaft den Dortmundern erst mal noch sehr wehtun. Ich bin mir aber sicher, dass man sich letztlich sagen wird: Jetzt fahren wir im Urlaub etwas runter, und dann greifen wir in der kommenden Saison wieder voll an. Der BVB hat schließlich eine gute Mannschaft, auch wenn sie jetzt Jude Bellingham und Raphael Guerreiro verlieren. Der Großteil bleibt aber zusammen – und da muss die Gier jetzt noch größer geworden sein. Daher glaube ich, dass der Abstand zu den Bayern an der Tabellenspitze in den nächsten Jahren nicht mehr so groß sein wird wie in den letzten zehn Jahren. Ich erwarte, dass die Spieler nun endgültig realisieren: Wir waren so nah dran, jetzt wollen wir es in der kommenden Saison schaffen. Und wir können es schaffen.
Deshalb muss ich Edin Terzic auch in einem Punkt widersprechen. Nach dem 1:1 gegen Bochum vor vier Wochen sagte der BVB-Trainer nämlich: "Das ist die vielleicht einzige Chance in meinem Leben" auf den Titel. Das ist ein ganz falsches Zeichen an die Mannschaft und auch nach außen, an die Fans. Im Umkehrschluss heißt das doch: "Solange ich Trainer bin, haben wir keine Chance gegen die Bayern" – denn es hat ja nun in der abgelaufenen Saison nicht geklappt. Diese Aussage sollte er unbedingt überdenken.
Spannendste Relegation seit Jahren
Ich schreibe das schließlich aus Erfahrung: Genau diese Motivation hatten wir beim FC Bayern damals auch, als wir 1999 in 85 Sekunden das Champions-League-Finale verloren haben. Das hat auch extrem wehgetan – aber wir haben uns geschworen, den Titel doch noch nach München zu holen (die Bayern gewannen die Königsklasse zwei Jahre später, Anm. d. Red.).
Und das muss nun auch die Einstellung der Dortmunder sein, wenn es im Juli wieder in die Saisonvorbereitung geht. Sie müssen nun diesen Antrieb haben und auch als Mannschaft zusammenhalten. Und wenn sie dann noch Bellingham gut ersetzen – dann ist im nächsten Jahr alles möglich, dann sind sie auch im nächsten Jahr ein Konkurrent für den FC Bayern.
Ebenso übrigens wie die Leipziger, die zwar mit Christopher Nkunku auch einen ganz wichtigen Spieler verlieren. Aber trotzdem werden sie noch ein Stück weiter heranrücken an das Spitzenduo. Sie werden sich schließlich daran erinnern, wie sie in den letzten Saisonwochen erst 0:1 in Bochum, dann zu Hause 0:3 gegen Mainz verloren haben – wenn sie diese sechs Punkte geholt hätten, wären sie Meister geworden.
Nicht die nötigen Punkte geholt haben auch der VfB Stuttgart und der Hamburger SV – die einen im Kampf um den Klassenerhalt, die anderen im Aufstiegsrennen der 2. Liga. Beide treffen deshalb heute im Hinspiel der Relegation aufeinander. Es werden die spannendsten Spiele seit Jahren. Ich sage es ganz ehrlich: Das Aufeinandertreffen zwei so großer Klubs in der Relegation tut auch weh.
Als Hamburger drücke ich natürlich dem HSV die Daumen. Wie schon beim BVB stellt sich auch beim HSV die Frage, wie sie diesen Schlag, den sie am letzten Spieltag kassiert haben, verarbeiten. Innerhalb von nur ein paar Tagen wieder hochzufahren – das ist eine Mammutaufgabe. Stuttgart ist der leichte Favorit – obwohl sie den größeren Druck haben. Das Beste für die Bundesliga wäre natürlich, wenn beide Vereine oben spielen würden. Jetzt ist es leider so, dass einer im kommenden Jahr in der zweiten Liga spielen wird. In der Zukunft wünsche ich mir aber beide Klubs in der Bundesliga – denn beide gehören dorthin.
- Eigene Beobachtungen