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Manuel Neuer: Psychologe sieht große Belastungsgefahr für Bayern-Torwart


Ungewisse Lage bei Neuer
"Das kann sich negativ auswirken"

Von Nils Kögler

Aktualisiert am 21.02.2023Lesedauer: 4 Min.
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Manuel Neuer: Der Bayern-Torwart fehlt seinem Verein noch bis Saisonende.Vergrößern des Bildes
Manuel Neuer: Der Bayern-Torwart fehlt seinem Verein noch bis Saisonende. (Quelle: IMAGO/Laci Perenyi)

Der Schlussmann des FC Bayern muss aktuell gleich mehrere Probleme bewältigen. Ist das überhaupt möglich? Im Gespräch mit t-online erörtert ein Experte die Gefahren der psychischen Belastung.

Ruhige Wochen hat Manuel Neuer aktuell nicht – obwohl er sie gebrauchen könnte. Der Torwart des FC Bayern München ist mitten in der Genesungsphase nach seinem Unterschenkelbruch, den er sich im Skiurlaub in der Winterpause zugezogen hatte. Der 36-Jährige fällt in der Folge mindestens noch bis Saisonende aus.

Ein schwerer Schlag – doch nicht der einzige: Erst kamen Fragen nach möglichen Folgen auf – schließlich musste der deutsche Rekordmeister eilig für acht Millionen Euro den Gladbacher Schlussmann Yann Sommer als Ersatz verpflichten. Dann wurde der langjährige Bayern-Torwarttrainer und Neuer-Vertraute Toni Tapalovic entlassen, was Neuer in einem nicht mit dem Verein abgestimmten Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" beklagte: "Ich hatte das Gefühl: Mir wird mein Herz rausgerissen".

Mittlerweile scheint auch seine Zukunft bei den Münchnern mindestens fraglich – Ersatzmann Sommer wurde mit einem Vertrag bis 2025 ausgestattet, Neuers Verhältnis zum Klub ist angespannt.

Selbst für erfahrene Fußballer wie Neuer kommt da viel zusammen. Wie geht ein Profisportler mit einer solchen Belastung um? t-online hat mit Prof. Dr. Jens Kleinert vom Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln darüber gesprochen, wie sich psychische Belastungen auf die Genesung auswirken und worauf Neuer jetzt achten sollte.

t-online: Herr Kleinert, was macht es mit einem Sportler, permanent in der Öffentlichkeit zu stehen?

Prof. Dr. Jens Kleinert: Je nach Persönlichkeit finden die meisten Sportlerinnen und Sportler ihren eigenen Weg, mit dem Thema Öffentlichkeit umzugehen. Einige genießen es ein wenig, die meisten versuchen jedoch, ihre Auszeiten von der Öffentlichkeit zu finden, Rückzugsräume aufzubauen, sei es in der Familie, bei engen Freunden oder im eigenen Heim. Es ist wichtig, einen geschützten Bereich zu haben, in den man sich zurückziehen kann, wenn Erholung notwendig ist.

Bayern-Torwart Manuel Neuer sollte sich eigentlich auf seine Genesung konzentrieren, war zuletzt aber ständig in den Schlagzeilen. Was würden Sie ihm in dieser Situation raten?

Insbesondere in der Phase der Heilung oder Rehabilitation ist es wichtig, auf sich selbst zu hören, die eigenen körperlichen und psychischen Signale wahrzunehmen und ernst zu nehmen. Daher schotten sich viele verletzte Sportlerinnen und Sportler zumindest überwiegend ab und konzentrieren sich auf ihre sportliche Rehabilitation. Ablenkung ist auch wichtig, wird aber dann im engeren Freundes- und Familienkreis gefunden, weniger in der Öffentlichkeit.

Der Fokus sollte also auf dem Wesentlichen liegen?

Das Wichtigste ist wohl Reizkontrolle, also Medien zu meiden. Weniger Instagram, Twitter, Sportnachrichten. Das ist gar nicht so einfach, weil die Athletinnen und Athleten häufig sehr eng mit ihren Social-Media-Kanälen verbunden sind. Hilfreich ist daher, sich medienfreie Routinen aufzubauen. Im Verletzungsfall ist das natürlich die konsequente Reha verbunden mit dem Sich-Kümmern um den Körper, wie Massage, Wärmeanwendungen und so weiter. Aber je nach Typ sind auch meditative Techniken oder Entspannungsverfahren sehr hilfreich, um bei sich zu bleiben und die Öffentlichkeit ausblenden zu können.

Während seiner Genesungsphase ist Neuer in Konflikte mit dem Verein verwickelt. Verzögert das den Heilprozess zusätzlich?

Grundsätzlich ist nachgewiesen, dass Gefühle, Emotionen oder Stress die Heilung beeinflussen können. Viele Heilungsprozesse sind mit unserem emotionalen System verknüpft, und das vegetative Nervensystem steuert unsere Erholung und Entspannung, die in der Reha sehr wichtig sind. Wenn verletzte Sportler Konflikte an sich heranlassen oder sogar beteiligt sind, dann kann sich das also auf die Heilung negativ auswirken. Daher ist es in der sportpsychologischen Betreuung von verletzten Athleten wichtig, Techniken zum Entspannen, Einschlafen oder Konzentrieren auf sich selbst zu erlernen und zu üben.

Aktuell muss Neuer zudem machtlos zuschauen, was sein potenzieller Nachfolger Yann Sommer an seiner Stelle leistet. Eine zusätzliche Belastung?

Das hängt von der Phase der Rehabilitation ab. In den frühen Rehaphasen ist es für die verletzten Sportlerinnen und Sportler nicht allzu schwierig, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Meist ist ja die Rehaeinrichtung nicht direkt am Trainingszentrum, und das Rehaprogramm erfordert volle Aufmerksamkeit. Schwieriger wird es in der Phase des Übergangs zum Training, wenn teilweise wieder mit der Mannschaft trainiert wird. Dann sieht der Sportler die anderen, macht sich Gedanken über seine Rückkehr, und es besteht die Gefahr, dass man sich zu viel zu schnell zumutet.

Wo findet man in einer solchen Lage Hilfe?

Hier spielt das Team der Physiotherapeuten, Sportärzte oder auch Konditionstrainer eine große Rolle, die mit dem Spieler immer wieder durchgehen müssen, was geht und was nicht.

Neuer ist selbst für seinen Skiunfall verantwortlich. Welchen Effekt hat das auf die Psyche?

Die Ursache für eine Verletzung spielt bei der Verarbeitung grundsätzlich eine Rolle, da sie die Stimmung und damit auch die Heilung beeinflussen kann. Wenn die Verletzung durch eigenes Verschulden passiert ist, kann das aber auch eine positive Wahrnehmung nach sich ziehen, denn dann besteht ja die Möglichkeit, ähnliche Situationen in Zukunft zu vermeiden. Entscheidend ist also, welche Bewertung und Konsequenzen die Betroffenen mit der Entstehung der Verletzung verbinden.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Prof. Dr. Jens Kleinert
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