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Schalke 04 im Umbruch: Bundesliga zum Sparpreis


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Schalke im Umbruch
Bundesliga zum Sparpreis


Aktualisiert am 17.06.2022Lesedauer: 6 Min.
Rouven Schröder: Der Sportdirektor gilt als der Architekt des neuen FC Schalke 04.Vergrößern des Bildes
Rouven Schröder: Der Sportdirektor gilt als der Architekt des neuen FC Schalke 04. (Quelle: RHR-Foto/imago-images-bilder)

Schalke ist zurück in der Bundesliga. Die Kasse der Königsblauen ist jedoch klamm. Die Kreativität des Sportdirektors ist nun gefragter denn je, findet eine Klubikone.

"Falke, äh, Schalke ist ein ganz, ganz toller Verein." Frank Kramer war die Nervosität bei seiner offiziellen Vorstellungsrunde deutlich anzumerken.

Der 50-Jährige übernimmt zur kommenden Saison das Cheftraineramt des FC Schalke 04. Dass er damit eine Aufgabe mit besonderer Schwere übernimmt, dürfte dem gebürtigen Bayern spätestens im Blitzlichtgewitter nach seinem Moment der Unkonzentriertheit deutlich geworden sein.

Er, der Arminia Bielefeld in der vergangenen Saison in den Tabellenkeller coachte und noch vor dem besiegelten Abstieg gehen musste, soll den drittgrößten Sportklub des Landes wieder in der Beletage des deutschen Fußballs etablieren. Er, der zuvor nur mäßigen Erfolg an den beschaulichen Standorten Fürth und Düsseldorf hatte, soll sich nun täglich dem emotionalen Ausnahmezustand beim tief gefallenen Traditionsklub stellen. Nicht wenige Fans und Beobachter fragen sich: Wie konnte ausgerechnet dieser Kramer Schalkes neuer Coach werden?

Die Antwort auf diese Frage ist vielschichtig – und beinhaltet doch immer einen Namen: Rouven Schröder.

"Rouven hat in Zusammenarbeit mit dem Vorstand bislang gute Arbeit geleistet", sagt Schalkes Rekordtorschütze Klaus Fischer im Gespräch mit t-online, "ich wünsche ihm, dass er mit Kramer einmal mehr ein glückliches Händchen bewiesen hat."

Schalkes Sportdirektor und Kramer haben eine gemeinsame Vergangenheit, arbeiteten in dieser Konstellation bereits in Fürth zusammen. In dieser Zeit, in der das Duo das Kleeblatt in die Bundesliga-Relegation 2014 führte und unglücklich am Hamburger SV scheiterte, entstand ein unerschütterliches Vertrauensverhältnis, das auf gegenseitiger Wertschätzung und Augenhöhe basiert. Auch deshalb zeigte sich Schröder überzeugt davon, dass sein alter Spezi Kramer trotz seiner Bruchlandung in Bielefeld der richtige Mann für Schalkes Bundesliga-Renaissance ist.

Schalkes Büskens-Dilemma

Schröders erste Wahl dürfte Kramer dennoch nicht gewesen sein.

Seit der feststehenden Rückkehr ins Fußball-Oberhaus wurden zahlreiche Trainer auf Schalke gehandelt, von Daniel Farke über Sandro Schwarz sowie Peter Zeidler bis zu Christian Ilzer und Zsolt Löw. Gerade Löw, Assistent von Thomas Tuchel, soll ein besonders heißer Kandidat für den Chefposten gewesen sein, sogar bereits das Vereinsgelände besichtigt haben. Informationen der "Bild" zufolge scheiterte eine Einigung aber an einer Vereinslegende: Mike Büskens.

Mit sieben Siegen aus acht Partien führte der 54-Jährige – mit Unterbrechungen seit 30 Jahren auf Schalke, Uefa-Pokalsieger 1997, zweifacher DFB-Pokalsieger – Königsblau als Interimscoach im Saisonendspurt an die Tabellenspitze der 2. Liga. Ambitionen, die Chefrolle dauerhaft zu übernehmen, hat Büskens aber trotz des Erfolgs nicht. Er will stattdessen, wie er es selbst sagt, zum "Hermann Gerland von Schalke" werden. Der ewige Co-Trainer. Der Mann, der Chefs, Intrigen, Erfolge und Misserfolge wie ein Fels in der Brandung übersteht.

Doch ausgerechnet der Aufstiegsheld bringt Schalke in die Bredouille. Büskens gilt nach der rauschhaften Rückkehr in die Bundesliga endgültig als unantastbar, Cheftrainer werden sich immer an ihrem Assistenten messen lassen müssen. Wozu das führen kann, hat Erzrivale Borussia Dortmund in der vergangenen Saison erfahren müssen. Auf der einen Seite der teuer eingekaufte Übungsleiter Marco Rose, auf der anderen Seite der Ur-Dortmunder Edin Terzic, der den BVB als Interimslösung nach der Trennung vom glücklosen Lucien Favre noch zum DFB-Pokalsieg coachte.

Terzic wollte nach seinem Meisterstück nicht zurück ins zweite Glied, wurde zum Technischen Direktor befördert – auch, um eine räumliche Distanz zur Arbeit Roses zu schaffen. Diese wird es auf Schalke, wo Büskens weiter täglich auf dem Trainingsplatz stehen wird, nicht geben. Und laut "Bild" soll genau das der ausschlaggebende Grund für Löws Absage an Königsblau gewesen sein.

Rekordtorschütze Fischer: Kramer muss Leidenschaft entfachen

Deshalb wünscht sich Vereinsikone Fischer vor allem eins von Kramer: Mut. Was er damit konkret meint, macht er an der Personalie Simon Terodde deutlich:

"Es wurde ja gemunkelt, Terodde sei keiner für die Bundesliga, weil er in seinen bisherigen Erstligasaisons nicht sonderlich viele Tore erzielt hat. Aber warum hatte er da so schlechte Ausbeuten? Weil seine Teams, wie Köln und Stuttgart, zu ängstlichen Fußball gespielt haben. Terodde ist ein Vollblutstrafraumstürmer. Wenn ihn der Ball im Sechzehner erreicht, weiß er immer, wo das Tor steht. Deshalb muss Kramer Schalke mutigen Fußball spielen lassen."

Fischer fordert Kramer also auf, sportliche Risiken einzugehen. Immerhin: Zum großen finanziellen Wagnis wird der Ex-Bielefelder bei einem möglichen Misserfolg auf Schalke nicht. Kramer nimmt die vor Ort herrschenden Gegebenheiten ohne Murren hin, verzichtet auf ein selbst zusammengestelltes Funktionsteam. Das bedeutet: Schalke müsste im Fall einer vorzeitigen Trennung nur Kramer von der Gehaltsliste kriegen. Bundesliga zum Sparpreis.

Lobeshymnen auf Sportdirektor Schröder

Sollte der Bayer auf Schalke scheitern, dürfte er Schröder kaum mit sich ins Verderben reißen. Zu groß ist der Kredit, den sich der Sportdirektor mit seiner Arbeit der vergangenen zwölf Monate bei Vereinsführung und Fans aufgebaut hat.

Das wurde auch auf der Mitgliederversammlung am vergangenen Sonntag deutlich. So bezeichnete ein Fan Schröder in seiner Wortmeldung als "Kaisertransfer", ein anderer dankte dem 46-Jährigen, dass Schalke aufgrund seiner Kaderplanung die Fans wieder mitreißen könne. Selbst sein Vorgesetzter stimmte in die Lobeshymnen ein: "Rouven Schröder ist vielleicht die wichtigste Verpflichtung des vergangenen Sommers", sagte Sportvorstand Peter Knäbel, "er hat mit seinen 50 Transfers wesentlich zur Gesundung beigetragen."

Ähnliche Töne schlägt auch Klublegende Fischer an. "Rouven hat in der vergangenen Saison mit seiner Kreativität die bestmöglichen Spieler für den schmalen Taler, der Schalke zur Verfügung steht, nach Gelsenkirchen geholt. Das gibt mir das Gefühl, das Schalke bei ihm in guten Händen ist", sagt der Torschützenkönig von 1976.

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Das Herausstellen der Stärken des Sportdirektors stimmt Fischer aber auch nachdenklich – und lässt ihn zu einer Abrechnung mit einem von Schröders Vorgängern ansetzen: "Rouven ist nicht zu vergleichen mit einem Christian Heidel, der große Töne spuckte, massig Geld zur Verfügung stehen hatte und es für Nichtskönner wie Sebastian Rudy und Nabil Bentaleb aus dem Fenster warf. Auch wegen ihm und seinen Transfers ist Rouven erst in der misslichen Lage, in der er sich nun mit Schalke befindet."

Der bittere Blick in die Vergangenheit lässt erkennen, dass sich der Patient Schalke 04 noch lange nicht auskuriert hat. Das zeigte zuletzt auch die Personalie Ko Itakura brutal auf, die der streng haushaltenden Vereinsführung schlicht zu teuer war. Wetten auf die Zukunft, wie sie Schalke einst mit den von Fischer angesprochenen auf Pump bezahlten Transfers einging, gibt es nicht mehr.

Frisches Geld sollen nun verliehene Großverdiener wie Ozan Kabak, Amine Harit und Rabbi Matondo einbringen. Die einstigen Hoffnungsträger sollen um die 20 Millionen Euro Ablöse erlösen und zudem das Gehaltsgefüge entscheidend ausbalancieren. Harit beispielsweise müsste in der kommenden Saison noch mit fünf Millionen Euro entlohnt werden. Eine Summe, mit der Schalke eigentlich bis zu fünf Leistungsträger bezahlen will.

Die wichtigste Neuverpflichtung steht im Tor

Schröder treibt die Transferplanungen bereits kräftig voran. So wurden etwa die beiden Aufstiegshelden und Fanlieblinge Thomas Ouwejan (Vertrag bis 2024) und Rodrigo Zalazar (Vertrag bis 2026) für 2 respektive 1,5 Mio. fest verpflichtet. Zudem fügte Schröder Schalkes Kader bereits sieben neue Gesichter hinzu.

Mit Offensivroutinier Florent Mollet (30, über 300 Pflichtspiele in Frankreich) sowie den beiden Toptalenten Tom Krauß (21, defensives Mittelfeld) und Leo Greiml (20, Innenverteidigung) wurden drei potenzielle Stammspieler verpflichtet. Zudem sollen Zweitligastar Tobias Mohr (26, Linksaußen) sowie die Perspektivspieler Justin Heekeren (21, Torhüter) und Ibrahima Cissé (21, Innenverteidiger) den Konkurrenzkampf ankurbeln.

Die bislang wichtigste Neuverpflichtung hat Schalke auf der Position zwischen den Pfosten getätigt: Alexander Schwolow wird in der kommenden Saison im Tor stehen. Der 30-Jährige kommt im zweiten Anlauf auf Leihbasis nach Gelsenkirchen, nachdem sich 2020 sein eigentlich schon spruchreifer Wechsel aufgrund finanzieller Engpässe bei den Knappen zerschlug.

"Es war wichtig, dass Schalke die Personalie Torwart so schnell wie möglich klärt", findet auch Fischer, der zudem sagt: "Mit Schwolow haben sie aus meiner Sicht eine gute Nummer eins geholt. Nach seinem unglücklichen Jahr bei der Hertha wird er hochmotiviert sein, auf Schalke an seine alten Freiburger Leistungen anzuknüpfen."

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Für Schwolow ist der Leihtransfer in der Tat eine Zäsur: Bei Hertha BSC in Ungnade gefallen, nimmt er nun erhebliche Gehaltseinbußen in Kauf, um auf Schalke an sein altes Niveau anzuknüpfen. Sollte ihm dies gelingen, gäbe es gleich drei Gewinner: Schwolow selbst, der sich dann wieder für höhere Aufgaben empfohlen hätte. Herthas Sportdirektor Fredi Bobic, der aufgrund einer fehlenden Kaufoption eine möglichst hohe Ablösesumme aushandeln könnte. Und zu guter Letzt Schalke. Denn ein Schwolow in bestechender Form kann die entscheidenden Punkte zum Klassenerhalt bedeuten.

Fischer empfiehlt dem Schlussmann, sich jedoch in Acht zu nehmen. "Die Erwartungen auf Schalke sind hoch – auch als Aufsteiger. Der Verein hat eine deutlich höhere Zugkraft als Hertha oder Freiburg, es wird wohl nur über Bayern und Dortmund so viel berichtet wie über S04. Ich bin gespannt, wie er mit diesem Umfeld umgeht."

Auch nach der Verpflichtung Schwolows gibt es noch viel zu tun für Schröder. So wollen etwa noch die eklatante Kaderlücke auf der Rechtsverteidigerposition gefüllt und fähige Ersatzleute für das Stürmerduo Terodde/Bülter verpflichtet werden. Doch wer da auch noch kommen mag: Von Kramer wird Schröder keine großen Widerworte befürchten müssen. Vielleicht wird gerade diese Genügsamkeit, die ihm von Skeptikern als Schwäche ausgelegt wird, zu Kramers großer Stärke. Und womöglich stimmen die Schalker Fans dann den alten königsblauen Gassenhauer mit der folgenden Zeile an: "Wer kreist so wie ein Falke? Der FC Schalke!"

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche und Beobachtungen
  • Telefongespräch mit Klaus Fischer
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