Wiesbaden Wechsel an Regierungsspitze: Boris Rhein Ministerpräsident
Mit mehr als den nötigen Stimmen ist der CDU-Politiker Boris Rhein zum Nachfolger von Volker Bouffier als hessischer Ministerpräsident gewählt worden. Der 50-Jährige erhielt am Dienstag im Landtag in Wiesbaden im ersten Wahlgang in geheimer Abstimmung 74 Ja-Stimmen - und damit auch Zustimmung aus der Opposition. Christdemokraten und Grüne verfügen im Parlament über 69 Sitze, das ist die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme. Die Wahl war deshalb mit Spannung erwartet worden.
Der als konservativ geltende Rhein war bisher Präsident des hessischen Landtags. Rhein dankte unter dem Applaus der Abgeordneten nach seiner Wahl für das "überwältigende Vertrauen". Er erklärte, Ministerpräsident aller Hessinnen und Hessen sein zu wollen und bot der Opposition eine faire Zusammenarbeit an.
Er trete sein Amt in einer unübersichtlichen Zeit und mit Respekt an. "Es spricht so manches dafür, dass wir von krisenhaften Entwicklungen begleitet sein werden in den nächsten Jahren, deren Ausmaß und deren Auswirkungen wir vielleicht noch nicht einmal ganz und voll übersehen können", sagte der neue Regierungschef.
In Hessen findet im Herbst kommenden Jahres die nächste Landtagswahl statt. Die Landes-CDU hatte sich mit Blick auf dieses wichtige Ereignis für den Personalwechsel an der Spitze der Landesregierung entschieden.
Bouffier hatte sein Amt nach fast zwölf Jahren an der Spitze der hessischen Landesregierung am Dienstag abgegeben. Der 70-Jährige war der dienstälteste Ministerpräsident in Deutschland, seinen Rückzug hatte er bereits im Februar angekündigt. Im Landtag verabschiedete sich Bouffier mit einer kurzen Rede, auf die die Abgeordneten mit stehendem Applaus reagierten.
Nach der Wahl im Parlament und dem Ende der Landtagssitzung lief Rhein zusammen mit seiner Frau und seinem Sohn durch die Wiesbadener Innenstadt zur Staatskanzlei, wo diese von Bouffier und seiner Gattin zur offiziellen Übergabe des Regierungssitzes erwartet wurden. Im Anschluss kam die Landesregierung zur ersten Kabinettssitzung unter Führung des neuen Ministerpräsidenten zusammen.
Rheins Werdegang war bisher von Höhen und Tiefen geprägt. Mit 27 Jahren war er erstmals in den hessischen Landtag gewählt worden, mit 38 Jahren übernahm er das Amt des hessischen Innenministers. Bei der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters in seiner Heimatstadt Frankfurt verlor er dann 2012 überraschend gegen den SPD-Mann Peter Feldmann.
Im Jahr 2014 wurde Rhein zum Wissenschaftsminister in die schwarz-grüne Landesregierung berufen. Seit Januar 2019 ist der verheiratete Katholik und zweifache Vater Landtagspräsident gewesen. In dem Amt hat er sich fraktionsübergreifend Respekt erarbeitet, unter anderem mit engagiertem Auftreten gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus.
Die erste Änderung gab es gleich bei der Ernennung der Ministerinnen und Minister: An die Stelle der bisherigen Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) tritt der 52 Jahre alte bisherige Präsident des Staatsgerichtshofs und des Frankfurter Oberlandesgerichts (OLG), Roman Poseck. Die Opposition macht Kühne-Hörmann unter anderem für eine verschleppte Einführung der E-Akte und die große Personalnot in der hessischen Justiz verantwortlich.
Zudem wird die 48 Jahre alte Juristin Tanja Eichner neue Staatssekretärin im Justizministerium. Als neuer Regierungssprecher und Nachfolger von Michael Bußer ist Landtagssprecher Tobias Rösmann (44) vorgesehen.
Es war schon länger über eine mögliche Kabinettsumbildung auf CDU-Seite spekuliert worden. Mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst 2023 galt es als wahrscheinlich, dass Rhein sich mit frischem Wind in seinem Regierungsteam profilieren möchte.
Die CDU ist - neben dem Ministerpräsidenten - mit sieben Ministerinnen und Minister in der Regierung vertreten, die Grünen mit vier. Der kleinere Koalitionspartner hatte bereits durchblicken lassen, dass er keinen personellen Änderungsbedarf bei den Ressortchefs und -chefinnen sieht. Das Kabinett wollte noch am Dienstag in der Staatskanzlei zu einer Sitzung zusammenkommen.
Die Opposition gratulierte Rhein, reagierte aber ansonsten kritisch. SPD-Fraktionschef Günter Rudolph erklärte, von Aufbruchstimmung gebe es keine Spur. Rhein habe versprochen, die Regierung jünger und weiblicher aufzustellen, was nicht stattfinde. Bis auf den überfälligen Wechsel im Justizministerium habe sich der Ministerpräsident entschieden, "mit den alten Problemfällen am Kabinettstisch weiterzumachen".
Die FDP forderte, Rhein müsse Hessen aus dem Mittelmaß führen. "Bouffier hat Rhein einige Baustellen hinterlassen, die nicht warten können - von der fehlenden Klimaschutz-Strategie über eine vernachlässigte Wirtschaft bis zu Digitalisierung", erklärte Fraktionschef René Rock. Die AfD gab Rhein 100 Tage, bis sie ein erstes Urteil fällen will. Die Linke forderte einen sozialökologischen Aufbruch für Hessen und einen echten Politikwechsel. 23 Jahre CDU-Regierung seien genug.
Als Nachfolgerin Rheins wurde Astrid Wallmann an die Spitze des hessischen Parlaments gewählt, sie ist in Hessen die erste Frau in diesem Amt. Wallmann bedankte sich nach der Wahl für das Vertrauen bei den Abgeordneten und sagte, sie freue sich sehr auf die neue Aufgabe. Wallmann ist Tochter des Wiesbadener Bürgermeisters Wilhelm Wallmann und Nichte des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Walter Wallmann.