Wiesbaden Früherer Justizstaatssekretär soll NSU-Akten erneut prüfen
Im Konflikt um die Freigabe von geheim eingestuften NSU-Akten soll ein früherer hessischer Justizstaatssekretär als Sachverständiger eingeschaltet werden. Rudolf Kriszeleit (FDP) solle die Berichte sichten und dabei die Fragestellungen aus einer Petition miteinbeziehen, schlugen die Landtagsfraktionen von CDU und Grünen am Donnerstag in Wiesbaden zusammen mit der Landesregierung vor. Das sei ein klarer Schritt auf die Petenten zu.
Bei der Forderung nach Freigabe der NSU-Akten geht es hauptsächlich um zwei Berichte des Landesamtes für Verfassungsschutz aus den Jahren 2013 und 2014. Die Initiatoren der Petition erhoffen sich neue Erkenntnisse über die Morde des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) und mögliche Verbindungen zum Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke.
Innenminister Peter Beuth (CDU) hat die Freigabe mit Verweis auf die Arbeit der Sicherheitsbehörden abgelehnt. Er hatte in der Landtagsdebatte im vergangenen Jahr darauf verwiesen, dass das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium Verfassungsschutz vollumfängliche Akteneinsichtsrechte besitze und jederzeit sämtliche Informationen des Verfassungsschutzes einsehen könne.
Die Petition wurde danach vom hessischen Landtag an die Landesregierung überwiesen. Damit sollte geprüft werden, ob und wie ihrem Anliegen entgegengekommen werden kann, obwohl die geltende Rechtslage eine Berücksichtigung der Petition nicht zulässt.
Die Links- und die SPD-Fraktion kritisierten das Vorhaben: Es dränge sich der Eindruck auf, dass sich die Landesregierung und Regierungsfraktionen hinter einem Sachverständigen verstecken wollten, "der absehbar nichts Wesentliches zur Aufklärung beitragen und dem Anliegen der Petition nicht gerecht" werde, sagte die Fraktionschefin der Linken, Elisabeth Kula. "Es handelt sich vielmehr um eine Placebo-Pille für 135 000 Menschen, die die Petition unterschrieben haben."
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Günter Rudolph meinte, Schwarz-Grün gehe es offenkundig nicht um einen Zugewinn an Erkenntnis, sondern um einen Zugewinn an Zeit. "CDU und Grüne möchten sich so lange wie möglich vor einer Entscheidung über die Offenlegung der NSU-Berichte drücken – am liebsten vermutlich bis zur nächsten Landtagswahl."
Als NSU hatten sich die Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt bezeichnet, die zwischen 2000 und 2007 zehn Menschen ermordeten. Es waren acht türkischstämmige und ein griechischstämmiger Kleinunternehmer sowie eine Polizistin. Ihre Mittäterin Beate Zschäpe wurde 2018 verurteilt.