Stuttgart Nach dem Sturm ist vor dem Sturm: Warnungen vor Unwettern
Die dunklen Wolken sind weitergezogen, aber nach den Unwettern der vergangenen Tage werden die Kommunen, Landwirte und Hausbesitzer noch länger zu kämpfen haben. Nicht nur standen viele Keller unter Wasser, Autos sind Totalschäden und Straßen weiter gesperrt. Die Gewitter haben auch die Kirschernte verhagelt, in Stuttgart müssen Opern- und Ballettaufführungen abgesagt werden und auf dem Neckar stehen die Schiffe still. Wetterexperten und Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) warnen angesichts des Klimawandels vor häufigeren Unwettern dieser Größenordnung.
Versicherer gehen nach den Ereignissen der vergangenen Tage von einem hohen Millionenschaden aus und erwarten weitere Anträge von Betroffenen. "Die aktuellen schweren Unwetter lassen die Schadenszahlen nach oben schnellen", teilte die SV SparkassenVersicherung am Mittwoch mit. Es seien bereits mehr als 15.000 Schäden gemeldet worden. Eine Schadensprognose sei aber erst später möglich, denn immer wieder gebe es lokal starken Regen mit Überschwemmungen. Schäden seien vor allem durch Überschwemmungen, Starkregen, Sturm und Hagel entstanden.
Viele Bauern schauen fassungslos auf ihre Ernteausfälle: Landwirte in den Kreisen Esslingen, Reutlingen, Tübingen und Zollernalb müssen nach Angaben des Landesbauernverbands bis zu 100 Prozent von ihrem Mais, Getreide und ihren Kartoffeln abschreiben. In den Landkreisen Calw und Freudenstadt ist der zweite Schnitt im Grünland wegen Starkregens nicht mehr möglich. Das trifft die Versorgung der Kühe. Nicht alle Landwirte hätten eine Hagelversicherung, sagte Vize-Hauptgeschäftsführer Horst Wenk. "Wir raten aber dazu, weil das Wetter immer unkalkulierbarer wird."
Betroffen ist auch weiterhin die Schifffahrt auf dem Neckar. Bereits seit Montagnacht geht auf dem Fluss nichts mehr, weil der Wasserstand durch die starken Niederschläge innerhalb kurzer Zeit gestiegen ist und weiterhin hoch bleibt. Im Stuttgarter Raum sei nicht mit einem Neustart für die Schifffahrt im Laufe des Mittwochs zu rechnen, am unteren Neckar bei Heilbronn sei das dagegen möglich, sagte Johanna Reek, die Sprecherin des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamts Baden-Württemberg.
Auch die unwettergeplagte Staatsoper in Stuttgart kann frühestens an diesem Samstag ihren Bühnenbetrieb wieder aufnehmen. Nachdem der Sturm am Montagabend einen Teil des denkmalgeschützten Kupferdaches abgedeckt hatte, konnten am Dienstag erneut Tausende Liter Wasser in das Haus eindringen. Es hatte erst seit rund zwei Wochen wieder geöffnet. Mehrere Aufführungen, darunter die Ballettpremiere am Mittwochabend, mussten verschoben werden.
In den rund 24 Stunden von Montag- bis Dienstabend war die Feuerwehr Stuttgart bei über 550 Einsätzen gefordert und durchgehend im Einsatz, wie sie am Mittwochabend mitteilte. Keller, U-Bahn-Stationen und Unterführungen waren vollgelaufen und wurden leergepumpt beziehungsweise mit Sandsäcken gesichert.
Nach Ansicht des Meteorologen Uwe Schickedanz sind die Unwetter eine Folge des Klimawandels. Sie passten in das Bild, das Klimaforscher zeichnen, mit sommerlicher Abwechslung zwischen Dürre und Starkregen-Ereignissen, sagte der Leiter des Deutschen Wetterdienstes dem "Südkurier" (Mittwoch). Gewitterlagen wie die der vergangenen Tage seien in der Heftigkeit zwar immer noch ein relativ seltenes Ereignis. "Aber auch ich habe den Eindruck, dass sie in dieser Heftigkeit häufiger geworden sind", sagte Schickedanz.
Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) rief die Kommunen auf, die extremen Wetterlagen im Blick zu haben und sich vorzubereiten. Für die Hochwasser an Flüssen lägen Hochwassergefahrenkarten vor, mit denen sich die Kommunen ausmalen könnten, wie wahrscheinlich und wie stark sich verheerende Hochwasserereignisse in ihrer Region ereignen könnten. Außerdem lasse sich dort ablesen, wie hoch die zu erwartenden Schäden ausfallen könnten. Die jüngsten Unwetter "erinnern uns daran, dass wir uns darauf vorbereiten müssen, dass es künftig verstärkt zu Starkregen- und Hochwasserereignissen kommen kann. Auch am eigenen Wohnort", mahnte sie.
Konkrete Ideen hat bereits der Bürgermeister von Dußlingen (Kreis Tübingen). Dort waren am Dienstag zwei Menschen unter dramatischen Umständen aus einem 450 Meter langen überfluteten Tunnel gerettet worden. "Jetzt müsste aus meiner Sicht auf der Gemarkung Nehren ein Rückhaltebecken gebaut werden. Das muss nicht aus Beton sein, ein Erdwall oder ein Erddamm mit einer Höhe von bis zu 1,5 Metern wäre ausreichend", sagte Bürgermeister Thomas Hölsch. Ziel müsse es ein, künftig Wassermassen vor einem Eintritt in den Tunnel zu verhindern. Es würden bereits Gespräche geführt. Bauträger des Tunnels ist der Bund. Wer für die Kosten eines möglichen Erdwalls aufkommen müsste, konnte Hölsch nicht sagen.
Warnungen kommen auch von der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Württemberg: Viele Menschen unterschätzten die Gefahren von überfluteten Straßen. "Sie werden in ihren Fahrzeugen eingeschlossen und können dann nur noch per Boot gerettet werden", sagte Eberhard Metzger, der Leiter Einsatz des DLRG Landesverbandes. Unterführungen und Tunnel seien besonders gefährlich, weil das Wasser bei Starkregen wie bei einer Badewanne einströme, aber nicht abfließen könne. "So manch ein Hochwasser-Einsatz könnte vermieden werden, wenn sich die Menschen nicht selbst unbedarft in Gefahr begeben würden", sagte Metzger.