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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Oberbürgermeister unter Druck Ganser-Auftritt: "Schande der Fildern"
Wird der Auftritt von Daniele Ganser in der Region Stuttgart doch noch abgesagt? Der Widerstand gegen den "Verschwörungsunternehmer" wächst.
Lange sah es danach aus, als hätten die Gegner von Daniele Ganser keine Chance, den Auftritt des "Verschwörungsunternehmers" in Leinfelden-Echterdingen am 12. Mai zu verhindern. Oberbürgermeister Roland Klenk (CDU) verteidigte den Auftritt des Schweizers – mit dem Verweis auf die Meinungsfreiheit. Auch aus dem Gemeinderat der bei Stuttgart gelegenen Stadt kam nur zaghafte Kritik an dem Auftritt.
Doch das hat sich nun entscheidend geändert. Großen Anteil daran dürfte eine prominent besetzte Podiumsdiskussion des Bündnisses "Solidarität statt Hetze" haben, bei der Ganser dechiffriert und unter anderem als "Putin-Troll auf Globuli" bezeichnet wurde. OB Klenk hat an der Podiumsdiskussion nicht teilgenommen – weder als Diskutant noch als Zuschauer.
Die Veranstaltung hat bei der Opposition wohl so viel Eindruck hinterlassen, dass sich nun gleich vier Fraktionen gegen den Auftritt des promovierten Historikers und selbsternannten Friedensforschers aussprechen: SPD, Grüne und Linke sowie die Liste Engagierte Bürger/Demokratie in Bewegung.
Sie alle haben einen gemeinsamen Brief verfasst, in dem sie CDU-Mann Klenk in seiner Rolle als Oberbürgermeister und als Aufsichtsrats der Filderhalle, wo die Veranstaltung stattfinden soll, dazu auffordern, vom Vertrag mit Ganser und dessen Veranstaltungsagentur Nema Entertainment zurückzutreten. Das Schreiben liegt t-online vor.
AGB bieten laut Opposition Chance für Kündigung von Ganser
Die Möglichkeit, den Vertrag aufzukündigen, sehen sie in den AGB der Filderhalle. Darin heißt es unter anderem, "dass die Filderhalle Leinfelden-Echterdingen GmbH berechtigt ist, bei Verletzung wesentlicher Vertragspflichten vom Vertrag zurückzutreten, insbesondere wenn durch die beabsichtigte Veranstaltung eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder eine Schädigung des Ansehens der Filderhalle oder der Stadt Leinfelden-Echterdingen zu befürchten" sei.
In diesem Fall könnten laut AGB auch "keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden", heißt es in dem Schreiben der vier Fraktionen. "Die in den letzten Wochen stattgefundene breite öffentliche Diskussion lässt eine Schädigung des Ansehens der Filderhalle oder der Stadt Leinfelden-Echterdingen befürchten, möglicherweise ist diese bereits eingetreten", schreiben die Verfasser.
Ähnliche Diskussionen in Dortmund und Nürnberg
Außerdem dürfe die "Erzählung von allerlei Mythen, um nicht den Begriff Verschwörungstheorien zu verwenden, nicht in einer öffentlichen und mit unseren Steuermitteln finanzierten Halle erfolgen". Einziger Ausweg: die Kündigung.
Für Ralf Berti vom "Bündnis Solidarität statt Hetze" ist die Sache eindeutig: "Das Thema Meinungsfreiheit ist eine Ablenkung", sagt er zu t-online. Es sei völlig unnötig dass der OB sich hier versteift, die AGBs ließen einen Rücktritt vom Ganser-Vertrag zu. Das Ansehen sei nicht nur in Leinfelden Echterdingen beschädigt, so Berti weiter. "Das entwickelt sich zur großen 'Schande der Fildern'."
Zuvor hatte es bereits in Dortmund und in Nürnberg ähnliche Debatten um dort angesetzte Auftritte von Daniele Ganser gegeben. In beiden Städten wurden die Veranstaltungen verboten. In Dortmund entschied jüngst allerdings das Oberverwaltungsgericht, dass die Veranstaltung stattfinden darf. Gansers Team erklärte t-online, auch gegen die Absage in Nürnberg juristisch vorgehen zu wollen.
Davon wollen sich die Kritiker in Leinfelden-Echterdingen jedoch nicht abschrecken lassen.
- Eigene Recherchen