"Enttäuscht, aber erleichtert" Gericht: Auftritt von Daniele Ganser in Dortmund darf stattfinden
Letztes Kapitel im Auftritts-Streit: Daniele Ganser darf in Dortmund auf die Bühne. Das hat das Oberverwaltungsgericht in letzter Instanz entschieden.
Die Veranstaltung des umstrittenen Historikers Daniele Ganser am 27. März in der Dortmunder Westfalenhalle darf stattfinden. Das hat das Oberverwaltungsgericht in Münster (OVG) am Donnerstag bestätigt. Zuvor hatte bereits das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen entschieden, dass der Vortrag stattfinden darf. Das OVG-Urteil kann nun nicht mehr angefochten werden.
Ganser ist promovierter Historiker und bezeichnet sich selbst als Friedensforscher. Experten sehen ihn kritisch und halten ihn für "brandgefährlich". Die Veranstalter hatten gegen die Westfalenhalle GmbH geklagt, nachdem diese Ganser die Überlassung für die Vortragsveranstaltung untersagen wollte. Zuvor war die Durchführung der Veranstaltung jedoch vertraglich vereinbart worden.
Gericht: In die Meinungsfreiheit darf nur durch ein Gesetz eingegriffen werden
Die Stadt Dortmund, als Gesellschafterin der Westfalenhalle, hatte die Verweigerung damit begründet, dass frühere Äußerungen des Vortragenden antisemitisch einzustufen seien. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Gelsenkirchen, dass die Untersagung der Durchführung unzulässig sei, hatte die Stadt Dortmund vor dem Oberverwaltungsgericht Beschwerde eingelegt – und nun in letzter Instanz verloren.
"Die streitige Veranstaltung bewegt sich im Rahmen des Widmungszwecks", begründet das OVG sein Urteil. In Umsetzung des weiten Widmungszwecks habe die Stadt die Westfalenhalle bereits am 2021 für eine Veranstaltung mit Daniele Ganser zu einem politischen Thema zur Verfügung gestellt. "Der Zweck der Widmung ist entgegen der Auffassung der Stadt nicht durch den Ratsbeschluss vom 21. Februar 2019 eingeschränkt worden, mit dem sich der Rat der 'Grundsatzerklärung des Netzwerks zur Bekämpfung von Antisemitismus in Dortmund vom 18.01.2019' angeschlossen hatte", heißt es weiter.
Nutzungsversagung verstößt gegen Meinungsfreiheit
In der Grundsatzerklärung heißt es, "dass Organisationen, Vereinen und Personen, die etwa den Holocaust leugnen oder relativieren, die Existenz Israels als jüdischen Staat delegitimieren, zu antijüdischen oder antiisraelischen Boykotten aufrufen, diese unterstützen oder entsprechende Propaganda verbreiten [...] oder die anderweitig antisemitisch agieren, keine Räumlichkeiten oder Flächen zur Verfügung gestellt werden".
Die damit verbundene Nutzungsversagung verstoße dem Gericht zufolge in dieser Allgemeinheit gegen die Meinungsfreiheit, "weil sie an Meinungsäußerungen mit einem bestimmten Inhalt anknüpft", heißt es in der Begründung des Gerichts weiter. In die Meinungsfreiheit dürfe grundsätzlich nur durch ein allgemeines Gesetz eingegriffen werden.
"Die Entscheidung ist in Zeiten von 'Cancel-Culture' ganz besonders zu begrüßen", erklärt die von Gansers Agentur beauftragte Rechtsanwältin Kirsten König gegenüber t-online. Erst, wenn Meinungsäußerungen konkret eine Gefährdungslage darstelle, dürfe der Staat in die Meinungsfreiheit zugunsten anderer geschützter Rechtsgüter eingreifen. "Für eine solche Gefährdungslage gab es nach Überzeugung des Gerichts im Falle von Dr. Daniele Ganser nicht die geringsten Anhaltspunkte."
Ganser "enttäuscht, aber erleichtert"
Gansers Pressesprecher Dirk Wächter macht der Stadt Dortmund nun Vorwürfe: "Zurück bleiben ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis, verärgerte Bürger, ein enttäuschter, aber dennoch jetzt erleichterter Referent (also Ganser, Anmerkung d. Redaktion) sowie die Gerichts- und Anwaltskosten, die die Stadt Dortmund nun allein zu tragen hat."
Die Entscheidung zeige, dass der öffentliche Debattenraum in einer Demokratie nie eingeschränkt werden dürfe – besonders in Krisenzeiten. Einen Dank richtet Wächter an "alle, die ihre Tickets behalten haben".
- Mitteilung des Oberverwaltungsgerichts Münster am 23. März 2023