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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Veranstaltung der Uni Heidelberg Experten wehren sich gegen Krone-Schmalz und Guérot
Ulrike Guérot und Gabriele Krone-Schmalz versetzen die Osteuropa-Wissenschaften mit ihren Aussagen in Aufruhr. Jetzt wollen die Experten sich wehren.
Es begann als Gegenveranstaltung zu einem Auftritt von Gabriele Krone-Schmalz in Heidelberg. Am Ende stand eine Absichtserklärung zahlreicher renommierter Osteuropaforscher, sich als Wissenschaftsgemeinschaft stärker gegen Desinformationen zu wehren. Namentlich genannt wurde neben der Autorin Krone-Schmalz auch die Bonner Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot.
Man habe 2014 nach der Annexion der Krim Gabriele Krone-Schmalz – und deren faktenwidrigen Aussagen über Russland – zu wenig widersprochen, bedauerte Tanja Penter, die Heidelberger Historikerin und Professorin für osteuropäische Geschichte, die die Diskussionsrunde mit dem Titel "Desinformation, Social Media und die Rolle von Expert:innen" als Gegenveranstaltung zum "RNZ-Forum" mit Gabriele Krone-Schmalz federführend organisiert hat. Das habe sie gelehrt, "dass wir als Fachgemeinschaft stärker gegen öffentlichkeitswirksame, aber aus wissenschaftlicher Sicht unhaltbare Thesen Position beziehen und zugleich unsere eigenen Forschungen stärker in eine breitere Öffentlichkeit vermitteln müssen".
Neben Penter sprachen auch Lilia Sabina, PhD-Kandidatin der CEU Wien, über Desinformation in sozialen Medien, Professor Martin Aust von der Universität Bonn über die Bonner Kollegin Ulrike Guérot und der Tübinger Professor Klaus Gestwa über Gabriele Krone-Schmalz.
Zweifel an wissenschaftlicher Relevanz von Krone-Schmalz
In seinem Redebeitrag machte Klaus Gestwa, Osteuropahistoriker der Universität Tübingen, deutlich, dass Gabriele Krone-Schmalz nach ihrer Promotion zu den Vorstellungen von Russen und Russland im westdeutschen Schulfunk "im Fach keinerlei Spuren hinterlassen hat. Es finden sich auch keinerlei Hinweise darauf, dass Frau Krone-Schmalz jemals in einer Fachzeitschrift einen wissenschaftlichen Beitrag publiziert hat. Das gilt sowohl für den Bereich der Osteuropaforschung als auch für die Medienwissenschaft."
Es seien daher sicherlich keine "ausgezeichneten wissenschaftlichen Beiträge" gewesen, "mit denen sie zu ihrem Professorentitel gekommen ist". Den hatte ihr die private Fachhochschule Business and Information Technology School in Iserlohn 2011 verliehen. Auf Nachfrage bestätigte die heute "University of Europe" (UE) genannte Hochschule, dass der Studiengang "TV- und Medienwissenschaften" inzwischen eingestellt wurde und Gabriele Krone-Schmalz seit 2021 nicht mehr an der UE unterrichtet.
Ähnlich kritisch referierte Martin Aust über das aktuelle Buch von Ulrike Guérot, "Endspiel Europa". Es sei geschrieben worden ohne jede Kenntnis der Ukraine. "Welche Konsequenzen stellen sich unserem Fach angesichts der Lektüren von Gabriele Krone-Schmalz und Ulrike Guérot?"
"Haben Krone-Schmalz im Blick"
In Anspielung auf den Vortrag von Krone-Schmalz bei der Volkshochschule Reutlingen sagte er, man müsse feststellen, dass die von der Öffentlichkeit bezahlten Institutionen ihrer Aufgabe nicht in allen Fällen verantwortungsbewusst nachkämen. "Dementsprechend müssen wir an dieser Stelle unsere Stimme erheben."
Mit Spannung blickten die Beteiligten außerdem auf die Unterlassungsklage von Gabriele-Krone Schmalz gegen die Münchner Historikerin Franziska Davies – Krone-Schmalz wehrt sich darin gegen die deutlich vorgetragene Kritik der Wissenschaftlerin –, die sie an dieser Stelle auch für ihren Einsatz lobten.
"Bei dieser auch juristisch ausgetragenen Kontroverse geht es um weit mehr als nur um Krone-Schmalz", sagte Klaus Gestwa. "Sie ist nur ein prominentes Sprachrohr derjenigen in der deutschen Politik und Öffentlichkeit, die bereit sind, auf dem Altar der deutsch-russischen Beziehungen im Namen eines faulen Friedens die Ukraine zu opfern." In einer großen Solidaritätsaktion hatten vor allem Osteuropahistoriker mehr als 20.000 Euro Spenden für Davies gesammelt.
"Wir haben Gabriele Krone-Schmalz jetzt im Blick und werden solche Veranstaltungen sicherlich wiederholen, falls sie wieder auftreten sollte", sagte Gestwa in der Runde. "Das Format hat sich durchaus bewährt, auch wenn die RNZ es leider ignoriert hat." Martin Aust als aktueller Vorsitzender des Fachverbands will dieses Thema auf der nächsten Verbandstagung im Frühjahr 2023 ebenfalls ausführlich erörtern.
- Teilnahme an der Online-Veranstaltung "Desinformation, social media und die Rolle von Expert:innen" mit Lilia Sabina, Ph.D. Kandidatin (CEU Wien), Prof. Dr. Martin Aust (Bonn), Prof. Dr. Klaus Gestwa (Tübingen) und Prof. Dr. Tanja Penter (Heidelberg)
- Schriftliche Anfrage bei Klaus Gestwa, Uni Tübingen
- Schriftliche Anfrage bei Tanja Penter, Uni Heidelberg
- Schriftliche Anfrage bei der University of Europe, Iserlohn