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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Demo in Sachsen "Wir wollen keine Ausländer" – Bürgermeister stimmt zu
Im sächsischen Laußig formierte sich unter dem Ruf "Wir wollen keine Asylantenheime" ein Protestzug aus etwa 280 Menschen. Sie wollten den Bürgermeister zur Rede stellen.
In Laußig bei Leipzig kam es am Donnerstag zu einer zunächst nicht angemeldeten Protestaktion. Etwa 280 Menschen demonstrierten dort gegen eine im nordsächsischen Ort geplante Unterkunft für Geflüchtete. Dies bestätigte die Polizei Leipzig t-online am Freitag auf Nachfrage.
Das Motto der Veranstaltung sei "Gegen die Einrichtung eines Asylantenheims" gewesen. Nach einem Aufruf im Internet mit dem Titel "Laußig wehrt sich. Asylflut stoppen" sammelten sich zunächst etwa 125 Menschen an der Feuerwehr in Laußig.
Sie zogen daraufhin zum Gemeindehaus, um den Bürgermeister zur Rede zu stellen. Im Laufe des Zuges wuchs die Menge laut Polizei auf 280 Teilnehmer an. Laußigs Bürgermeister Lothar Schneider sprach schließlich mithilfe eines Megafons aus einem Fenster des Gemeindehauses zu der offensichtlich aufgebrachten Menge.
Fotos, Videos und Berichte von einem Reporter zeigen die Szenen des Abends. Darauf ist zu sehen, wie die Menge hinter einem Transparent mit der Aufschrift "Wir wollen kein Asylantenheim!" durch die Straßen zog. Das Banner war ganz im Look der rechtsextremen Partei "Freie Sachsen" gehalten. Einzelne Teilnehmer riefen laut: "Wir wollen keine Asylantenheime!"
Polizei und Reporter berichten von "aufgeheizter Stimmung"
Nachdem die Versammlung vor dem Gemeindehaus offiziell beendet wurde und einige Teilnehmer gingen, verharrten etwa 150 bis 180 Menschen vor Ort und forderten lautstark eine Äußerung des Bürgermeisters. Auf einem Video ist zu hören, wie einer gen Gemeindehaus "Stell dich!" ruft. Später skandierte die Menge "Holt den Lothar raus". Dies zeigt ein Video, das die "Freien Sachsen" später auf Telegram veröffentlichten.
Gemeint war Bürgermeister Lothar Schneider (parteilos). Im Ort kursierte offenbar das Gerücht, im Gemeindehaus würde bei einem nicht öffentlichen Treffen zwischen Vertretern des Landkreises und dem Bürgermeister die Einrichtung der Flüchtlingsunterkunft im Ort beschlossen. Tatsächlich habe es eine nicht öffentliche Sitzung gegeben, bestätigte die Polizei. Allerdings, so später der Bürgermeister, nicht mit dem Ziel, etwas zu beschließen.
"Die Bürger fühlten sich offenbar nicht richtig informiert", sagte eine Polizeisprecherin am Freitag zu t-online und sprach von einer "aufgeheizten Stimmung". Der Protestzug sei zunächst nicht angemeldet gewesen, teilte sie mit. Dies sei später auf Initiative der anwesenden Ordnungskräfte nachgeholt worden.
Demo in Sachsen: "Wir wollen nicht, dass Ausländer kommen!"
Videos der "Freien Sachsen" zeigen den weiteren Fortgang der Demonstration und die hitzige Stimmung vor Ort: Ein Sprecher sagte der Menge, den Bürgern sei "das Recht verwehrt worden, an der Gemeinderatssitzung teilzunehmen". Ein Mann rief daraufhin: "Wir wollen nicht, dass Ausländer in unser Dorf kommen!" Es folgte zustimmendes Johlen. "Wir haben Frauen und Kinder", brüllte ein anderer. "Wir müssen überall auf die Straße gehen", forderte der Demosprecher.
Ein Reporter vor Ort berichtet, dass anrückende Polizeikräfte sich um das Gemeindeamt gestellt hätten, um den Eingang zu schützen. "Die Stimmung war aufgeheizt, es gab sehr viele Pöbeleien und betrunkene Menschen, auch Rufe wie 'Kanake' sind vereinzelt gefallen", schildert er. Er möchte aus Sicherheitsgründen anonym bleiben, t-online ist sein Name bekannt.
Seiner Beobachtung nach waren nicht alle Anwesenden aus dem Ort. Vor dem Gemeindeamt habe eine Menge von 150 bis 180 Menschen gestanden, sagte er.
Schließlich sprach Bürgermeister Schneider gegen 19:15 Uhr aus einem Fenster des Gemeindehauses heraus mit einem Megafon zu den Demonstrierenden. Laut dem Reporter vor Ort stimmte er den Demonstrierenden zu. "Da habt ihr ja auch völlig recht", sagte er unter anderem. "Wir wollen das alle nicht. Da sind wir uns doch einig." Diese Aussagen sind auch auf einem Video des Reporters zu hören. Die Gemeinde Laußig war für eine Stellungnahme telefonisch bislang nicht erreichbar.
Ein Video der "Freien Sachsen" dokumentiert die Rede des Bürgermeisters teilweise. "Wir haben alle in der Zeitung gelesen, dass immer mehr 'Asyler' nach Deutschland kommen und untergebracht werden", begann der Bürgermeister.
Schneider versuchte, das Gerücht zu dementieren, dass am selben Tag schon Entscheidungen zur geplanten Unterkunft getroffen worden seien. Daraufhin unterbrach ihn die aufgebrachte Menge mit lauten Rufen. "Du machst hier alles kaputt", brüllte ein Demonstrant, die anderen klatschten. Schließlich forderten die Protestler: "Tritt zurück. Tritt zurück." Schneider schloss daraufhin das Fenster.
"Es waren auch einige in der Menge, die konstruktiv diskutieren wollten", berichtet der Reporter t-online. "Aber die sind gar nicht durchgekommen." Schließlich habe sich die Menge zerstreut.
Laut Polizei Leipzig verlief der Abend weitgehend friedlich. Es seien vier Anzeigen aufgenommen worden, sagte eine Sprecherin zu t-online. Eine wegen Beleidigung, zwei wegen des Mitführens von Messern im Demonstrationszug und eine wegen des anfangs unangemeldeten Aufzugs.
- Telefonat mit der Polizei Leipzig
- Reporter vor Ort (Agentur und Name sind der Redaktion bekannt)
- Videos der Freien Sachsen auf deren Telegramkanal
- Polizei Leipzig: Mitteilung vom 20. Januar 2023