Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Fünfte Jahreszeit Maskenpflicht ist überall – nur nicht beim Kölner Karneval
In Köln wird ab Donnerstag Straßenkarneval gefeiert. Nachdem das Fest im vergangenen Jahr komplett ausfiel, wird nun das ganze Stadtgebiet zur Brauchtumszone. Muss das sein?
Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Schüler in Köln. Ein Teenager, dreifach geimpft, also umgangssprachlich geboostert. An Weiberfastnacht ist für gewöhnlich wenigstens für ein paar Stunden Unterricht, danach wird der Straßenkarneval zelebriert. Der Auftakt zu sechs Tagen Ausnahmezustand. Sie als der Schüler müssen also am Vormittag im Klassenraum mit ihren durchschnittlich 20 bis 30 Klassenkameradinnen und Klassenkameraden eine Maske tragen, das ist seit Dezember wieder so Vorschrift. Mittags könnten Sie dann in der Kölner Innenstadt Karneval feiern, mit Tausenden anderen, ohne Maske, ohne Abstand.
Und das ist eigentlich das Wichtigste, was man zum Straßenkarneval in diesem Jahr sagen muss.
Köln: OB rechnet mit Unverständnis
Denn wenn Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) Anfang der Woche sagt, ihr sei klar, dass die Karnevals-Feierlichkeiten außerhalb des Rheinlandes auf Unverständnis stoßen könnten, dann geht es natürlich zum einen um den, vorsichtig gesagt, ungewohnt anmutenden Anblick Tausender aneinandergedrängter Feiernder. So war es schließlich schon am 11.11., dem traditionellen Karnevalsauftakt.
Es geht aber auch um die Unverhältnismäßigkeit. Es geht darum, dass Konzerte seit, man kann es inzwischen sagen, Jahren gar nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich sind. Darum, dass alle möglichen Berufszweige strenge Corona-Auflagen haben. Und auch darum, dass große Menschenansammlungen nach wie vor eigentlich vermieden werden und, wenn sie vorkommen, in der Regel Maske getragen wird. Weil es sicherer ist. Außer wenn in Köln Karneval ist – könnte man überspitzt sagen.
Die meisten Menschen im Land halten sich an die Corona-Regeln, sie sind solidarisch und sie sind geimpft, in der Hoffnung, niemanden anzustecken. Möglichst auch nicht sich selbst. Und in der Hoffnung, dass diese Pandemie endlich irgendwann vorbei sein möge.
Strenge Regeln, aber wie genau werden sie durchgesetzt?
Dass da die Brauchtumszone der Stadt Köln, die extra für die Karnevalszeit eingerichtet wurde, auf Unverständnis stößt, ist wiederum einigermaßen verständlich. Im Übrigen auch innerhalb des Rheinlandes.
Was genau eine Brauchtumszone ist, ist von der Stadt immer wieder detailliert erklärt worden. Im Prinzip ist es so: Das gesamte Kölner Stadtgebiet wird zur Brauchtumszone, in der ohne Maske und ohne Abstand gefeiert werden kann, drinnen wie draußen. Dafür gibt es Regeln, die streng anmuten, aber wohl nur schwierig durchgesetzt werden können. Die sollen ein sicheres Feiern möglich machen.
Draußen gilt flächendeckend die 2G-plus-Regel, drinnen müssen alle einen negativen Schnelltest dabeihaben, auch Geboosterte. Das mag beim Zutritt in abgesperrte Gebiete oder in Kneipen umsetzbar sein. Jeder, der noch weiß, wie es am 11.11. auf der Zülpicher Straße aussah, kann sich ausmalen, dass eine flächendeckende Kontrolle draußen sehr wahrscheinlich nicht realistisch ist.
Kritische Fragen müssen erlaubt sein
Selbst die Stadt spricht von "stichprobenartigen Kontrollen". 160 Mitarbeitende vom Ordnungsamt sollen "in der Spitze" unterwegs sein, dazu 440 Mitarbeitende von Sicherheitsfirmen. Das ist mit Sicherheit gut gemeint, aber der Volksmund hat in diesem Fall recht, wenn er sagt, dass es nicht automatisch gut gemacht ist. Allein auf dem Heumarkt durften am 11.11. bis zu 15.000 Menschen eingelassen werden.
Der Karneval verbindet die Menschen im Rheinland, er macht Spaß, und weniges steht so für Köln wie der Karneval. Er hat eine Sonderstellung, die außerhalb der Stadt kaum nachvollzogen werden kann. Im vergangenen Jahr ist er komplett ausgefallen.
Das war hart und traurig, und vermutlich sind es die Allerwenigsten, die den Wunsch nach Feiern, Fröhlichkeit und Unbeschwertheit nicht nachvollziehen können. Die Fragen, ob in diesem Jahr wirklich schon wieder so groß Straßenkarneval gefeiert werden muss und ob das verhältnismäßig ist, müssen insbesondere nach so langer Zeit Pandemie aber erlaubt sein.