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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Einzigartig in Deutschland Diese Einsatzteams sollen schwere Corona-Verläufe verhindern
Wer an Corona erkrankt, bleibt meist erst einmal zu Hause. Doch was, wenn sich der Zustand verschlechtert? In Köln kommen spezielle Teams der Feuerwehr zum Einsatz – und sorgen so offenbar für weniger schwere Verläufe.
Als sich Sabine im August 2021 mit dem Coronavirus infizierte, folgten bald die ersten Symptome. Fieber, Kopfschmerzen und ein Zustand starker Erschöpfung machten ihr zu schaffen. "Mein Allgemeinzustand war für mich nicht stabil, ich wusste nicht, was als Nächstes kommt", sagt die Kölnerin, die ihren Nachnamen lieber für sich behalten will. Dazu kam die Unsicherheit. "Kann ich mich weiter um meine drei Kinder kümmern, kann ich es nicht?"
Von ihrem Hausarzt fühlte sie sich in ihrer Quarantäne alleingelassen. Einen Besuch in der Praxis habe er ihr verboten, erinnert sich die 44-Jährige. Auch er würde aus Angst vor einer Ansteckung nicht zu ihr kommen, ließ er sie wissen. Stattdessen habe er ihr vorgeworfen, dass sie ihren Impftermin verschoben habe. Die Folge: "Ich habe mental abgebaut".
Als die Beschwerden begannen, hatte Sabine angefangen, das städtische Online-Symptomtagebuch auszufüllen. Am zehnten Tag wurde sie von einem Notarzt in Schutzkleidung besucht – ihr Rettungsanker, wie ihn Sabine heute bezeichnet. Sie bekam eine Infusion, die sie stärkte, und fasste neuen Mut: "Ab diesem Tag ging es bergauf".
Mobile Einsatzteams in Köln: Tausende Fahrten während der Pandemie
Seit Beginn der Pandemie setzt die Stadt Köln "Mobile Einsatzteams" ein, die Covid-Patienten an ihrem Wohnort untersuchen und beraten. Anfangs hielten die Infizierten vor allem telefonisch Kontakt mit dem Gesundheitsamt, mittlerweile ist das kürzlich für alle freigeschaltete "Digitale Kontaktmanagement"-Portal das Mittel der Wahl.
Hier können sich Betroffene registrieren und regelmäßig ihren Gesundheitszustand durchgeben. Die städtischen Mitarbeiter behalten vor allem Risikogruppen und Ältere im Auge. Wer keinen Internetzugang hat, kann sich weiterhin unter der Rufnummer 0221/221-33500 beim Gesundheitsamt melden.
"Bei erheblicher Symptomverschlechterung wird ein Rettungsmittel entsandt", sagt Christian Miller, Chef der Kölner Berufsfeuerwehr. Das "Rettungsmittel" besteht aus einem Rettungswagen, der unter Umständen von einem Notarztwagen ergänzt wird. Rund 13.000 Einsätze sind die mobilen Teams seit Beginn der Pandemie gefahren. "Jetzt unter der Omikron-Variante werden wir zwar oft alarmiert, aber wir haben weniger schwere Fälle", sagt der Leiter der Kölner Feuerwehr.
Corona-Patienten, die überredet werden müssen, ins Krankenhaus zu gehen
Ein Phänomen, das die Einsatzkräfte schon früh beobachteten, heißt "stille Hypoxie" – eine gefährliche Sauerstoffunterversorgung, die der Patient zunächst aber nicht bemerkt. "Diese Diskrepanz zwischen medizinischem Befund und subjektivem Wohlbefinden war richtig auffällig", so Miller. In vielen Fällen hätten die Patienten regelrecht überredet werden müssen, ins Krankenhaus zu gehen: "Als sie dann im Krankenhaus waren, war es nicht selten so, dass sie in kurzer Zeit auf die Intensivstation mussten".
Das ambulante Versorgungssystem ist laut Miller in dieser Form einmalig in Deutschland. Zu Beginn des Pilotprojekts war nur ein Rettungswagen für die Corona-Fahrten reserviert, mittlerweile sind alle Fahrzeuge entsprechend ausgestattet. Zum Einsatz kommen medizinische Geräte, welche die Patientendaten direkt an Notärzte der Feuerwehr im Gesundheitsamt übertragen können. Dazu gehört zum Beispiel ein tragbares Ultraschallgerät, das Flüssigkeitseinlagerungen in der Lunge sehr früh erkennbar macht.
Im Gesundheitsamt wird dann entschieden, wie der Patient weiterzubehandeln ist. "Eine Sauerstoffsättigung des Bluts von unter 95 Prozent ist zum Beispiel eine eindeutige Indikation für eine Krankenhauseinweisung", sagt Christian Miller.
Corona in Köln: Sterblichkeitsrate deutlich unter dem Bundesschnitt
Die Notärzte seien mittlerweile geübt darin, den richtigen Zeitpunkt für eine Krankenhauseinweisung einzuschätzen. Das entlaste die Kliniken, denen nur diejenigen Infizierten zugeführt werden, die tatsächlich nicht mehr zu Hause zurechtkommen. Und natürlich dienten die Einsätze auch der besseren Versorgung der Corona-Patienten.
Die Sterblichkeitsrate unter Covid-Erkrankten liege bundesweit bei 1,32 Prozent, in Köln jedoch nur bei 0,71 Prozent, gibt die Stadt an. Für Christian Miller hat dies zumindest teilweise mit den Mobilen Einsatzteams zu tun. "Ich denke schon, dass wir viele Patienten rechtzeitig in die Klinik bekommen haben".
Covid-Patientin Sabine blieb das Krankenhaus erspart. Die Infusion zu Hause half und es ging ihr schnell wieder besser. Auch, weil der Notarzt ihr Mut machte und Tipps für eine psychische Stabilisierung gab: "Auch vom Mentalen her war es wichtig, dass jemand nach mir geguckt hat".
- Videotelefonat mit Christian Miller und einer ehemaligen Covid-Patientin
- Daten der Stadt Köln