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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Vorfall bei Querdenker-Demo Polizisten wegen Misshandlung angeklagt – Freispruch
Er soll sie beleidigt – sie ihn unrechtmäßig fixiert, angezeigt und verletzt haben. In Köln ist das Urteil in einem Prozess um zwei Polizisten gefallen, die mit einem Teilnehmer einer Corona-Demonstration aneinandergeraten waren.
Vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Köln sind am Freitag schwere Anschuldigungen gegen zwei Polizisten verhandelt worden. Die beiden Männer sollten bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen unrechtmäßig einen Mann fixiert, angezeigt und verletzt haben. Die Vorwürfe konnten jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden – die Beamten verließen das Gericht mit einem Freispruch.
"Das war eine der schwierigsten Entscheidungen des Jahres", gab Rolf Krebber, Vorsitzender des Schöffengerichtes am Amtsgericht, zu, nachdem er den Freispruch für die zwei Polizisten verkündet hatte. Das Gericht folgte mit seiner Entscheidung dem Antrag der Verteidiger. Die Staatsanwaltschaft hatte den Polizisten Körperverletzung im Amt, die Verfolgung eines Unschuldigen und Freiheitsberaubung vorgeworfen.
In seinem Plädoyer hatte auch Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn deutlich gemacht, dass er mit diesem Schritt gehadert hatte: "Man macht es sich als Staatsanwalt nicht leicht, Anklage gegen Polizeibeamte zu erheben, die sich Coronaleugnern aussetzen." Seiner Betrachtung zufolge hätten sich die Vorwürfe aber bestätigt – wenn auch im minderschweren Fall. Die Tat habe kein solches Ausmaß, dass die Polizisten deswegen den Dienst quittieren müssten. Willuhn hatte für beide eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 50 Euro gefordert.
Kölner Oberstaatsanwalt: Polizeiliche Falschaussagen erschüttern das System
Er warf den Polizisten einen Konflikt vor, zu dem es am 26. April 2020 gekommen war. Bei einer im Nachgang angemeldeten Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen hielten einige Personen auf dem Heumarkt spontan eine zusätzliche und nicht genehmigte Kundgebung ab.
Die angeklagten Polizisten hatten sich bemüht, diese zu zerstreuen, wobei es zur Auseinandersetzung mit einem heute 27-Jährigen kam. Einer der Polizisten habe ohne Vorankündigung nach dem Mann gegriffen, so Willuhn. Videos, die im Gerichtssaal gesichtet wurden, dokumentieren dieses Geschehen. Zusätzlich wurden zahlreiche Zeugen vernommen.
Nach einem kurzen Gerangel, in das auch der zweite Angeklagte involviert war, sei der Demonstrant am Boden fixiert und anschließend zur Wache gebracht worden. Später hätten dann die beiden Beamten eine Anzeige geschrieben, um ihren Übergriff im Nachhinein zu rechtfertigen. Darin hätten sie unrechtmäßig den Demonstranten der Beleidigung beschuldigt.
Prozess in Köln: Ist "Bulle" eine Beleidigung?
Dessen Ausdruck "Bulle" sei keine Beleidigung. "Frei erfunden" sei es auch, dass der junge Mann nach einer ersten Bitte um seine Papiere gesagt habe: "Die brauchen meinen Ausweis nicht." In der manipulierten Anzeige liege die eigentliche Problematik: "Es greift das Vertrauen des ganzen Polizeisystems an, wenn wir als Staatsanwälte uns auf polizeiliche Angaben nicht verlassen können."
Die Verteidiger hingegen argumentierten: Es sei durchaus beleidigend, wenn Polizisten "Bullen" genannt und gefragt würden, ob sie blöd und bescheuert seien. Einer der Rechtsanwälte wies darauf hin, dass der 27-Jährige wegen einer Verurteilung im Zusammenhang mit sexualisierten Missbrauchsdarstellungen von Kindern unter laufender Bewährung gestanden und, wie später festgestellt worden sei, Drogen bei sich gehabt habe.
Aus diesen zwei Gründen habe er wohl das Weite gesucht, nachdem einer der Angeklagten ihm vorgehalten habe, dass er sich gleich mehrfach der Beleidigung schuldig gemacht habe. Entscheidend sei aber letztlich die Frage, ob man die Angaben der Angeklagten widerlegen könne.
Richter: "Eine Entscheidung spitz auf Knopf"
Das war nicht der Fall, befanden die Richter: "Es war eine Entscheidung spitz auf Knopf. Wir haben uns strikt an den Grundsatz 'Im Zweifel für den Angeklagten' gehalten und mussten daher zugunsten der Angeklagten entscheiden", so Rolf Krebber. In seiner Urteilsbegründung wies er darauf hin, dass die Videos durchaus belegten, dass im anfangs friedlichen Gespräch mit den beiden Polizisten der 27-Jährige immer erregter geworden sei.
Die Aufzeichnungen zeigen wild gestikulierend, während die Polizisten zunächst völlig reglos standen. "Dann stürzt sich der Angeklagte auf den Zeugen. Das sieht nicht gut aus und ist auch nicht gut", so Krebber. Es habe aber auch der 27-Jährige bestätigt, dass der Polizist ihn vorher nach seinen Personalien gefragt habe. Der Zugriff sei somit legitimiert gewesen. Zudem seien die Beamten angesichts der Äußerung "Bulle" von einer Beleidigung ausgegangen – und dann sei es sogar ihre Pflicht, diese als eine Straftat anzuzeigen.
- Besuch der Gerichtsverhandlung