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Köln: Lauterbach-Gegnerin Serap Güler – "In diesem Punkt hat er versagt"


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CDU-Direktkandidatin
Güler gegen Lauterbach: "In diesem Punkt hat er versagt"

InterviewVon Michael Hartke

Aktualisiert am 24.09.2021Lesedauer: 6 Min.
Serap Güler: Die Politikerin tritt für die CDU in Köln-Mülheim/Leverkusen an.Vergrößern des Bildes
Serap Güler: Die Politikerin tritt für die CDU in Köln-Mülheim/Leverkusen an. (Quelle: Meike Böschemeyer/Vigilux Pressefoto)

Serap Güler will für die CDU in den Bundestag. Die NRW-Staatssekretärin tritt im Wahlkreis Köln-Leverkusen an und somit gegen SPD-Politiker Karl Lauterbach. Was will sie anders machen?

NRWs Kulturstaatssekretärin Serap Güler (CDU) will dem SPD-Mann Karl Lauterbach den Wahlkreis Köln-Mülheim/Leverkusen nach 16 Jahren bei der Bundestagswahl streitig machen. Im Interview mit t-online verrät sie, mit welchem Programm sie das schaffen möchte.

t-online: In Ihrem Wahlkampfspot präsentieren Sie sich mit Musik des Rappers Eko Fresh. Wie kam es denn dazu?

Serap Güler: Eko und ich kennen uns schon länger. Wir haben auch schon ganz viel zusammen gemacht vor allem in meiner Rolle als NRW-Integrationsstaatssekretärin. Deshalb hab ich ihn einfach mal gefragt. Er meinte: Klar. Und hat dann diesen Song (Anm. d. Red.: "Vielfalt ist unsere Stärke hier in NRW") gemacht.

Was verbindet Sie denn mit Eko?

Einerseits das Ziel, sich für Integration stark zu machen und andererseits unsere ähnlichen Biografien. Wir sind Kinder ein und derselben Generation. Wir kennen die Vorbehalte und wir kennen auch viele positive Geschichten.

Sehen Sie Ihre türkischen Wurzeln als Vorteil, um im Wahlkreis anzukommen?

Es klingt vielleicht ein bisschen pathetisch, aber ich finde, es ist grundsätzlich ein Vorteil, wenn man noch eine andere Kultur mitbringt. Ich sehe es als Bereicherung.

Köln-Mülheim ist ein sehr bunter Stadtteil, Leverkusen eine vielfältige Stadt. Alleine der Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte in Mülheim ist höher als in ganz Köln. Der liegt bei ungefähr 43 Prozent. Ich glaube, das macht ganz vielen Menschen auch türkischer oder anderer Herkunft Mut, zur Wahl zu gehen, weil sie das Gefühl haben: Da ist auch eine von uns dabei.

Wenn Sie in vier Jahren auf Ihre politische Arbeit für Mülheim und Leverkusen zurückblicken würden: Was wünschen Sie sich dann?

Ein großes Thema in Leverkusen ist nach wie vor der Autobahnausbau. Der bisherige Bundestagsabgeordnete für Leverkusen hat in diesem Punkt versagt. Der Leverkusener Stadtrat wollte für die A1 einen kurzen Tunnel, Karl Lauterbach besteht auf einem langen Autobahntunnel mit dem Ergebnis, dass es gar keinen Tunnel gibt.

Das ist natürlich für die Menschen in Leverkusen das absolut schlechteste Ergebnis. Außerdem ist natürlich Corona ein ganz wichtiges Thema. Darunter haben viele Familien gelitten, weil eben nicht jeder ein Haus mit eigenem Garten hat und jedes Kind ein eigenes Zimmer oder ein Tablet hat.

Wie wollen Sie die Probleme, die durch Corona entstanden sind, lösen?

Erst einmal will ich, dass wir aus unseren Fehlern lernen. Die Älteren, aber auch die Jüngeren hat Corona schwer getroffen. Wenn Sie den Präsidenten für Deutsche Kinder- und Jugendmedizin hören, der sagt: "Die Nachwirkungen von Corona sind für die Kinder belastender als die Erkrankung selbst." Da müssen doch bei uns allen die Alarmglocken läuten und deshalb halte ich auch nichts von dieser Panikmache: Lockdown, Lockdown, Lockdown.

Ich möchte mich wirklich einsetzen, dass die Schulen und Kitas offen bleiben und dass nie wieder Jugendzentren geschlossen werden.

Integration ist ein Thema, das Mülheim und Leverkusen schon sehr lange beschäftigt und das auch Sie sich groß auf die Fahne geschrieben haben. Was wollen Sie konkret dafür tun, um Integration zu verbessern?

Wir müssen den Zugang zum Arbeitsmarkt und den Zugang zu Bildungseinrichtungen verbessern. Es gibt nach wie vor Hürden vor allem in Verbindung mit dem Aufenthaltsstatus. Wir müssen die Förderstrukturen aufbauen für diejenigen, die neu ankommen, damit sie schon Orientierung finden.

Bei der dritten Einwanderergeneration muss ich über Diskriminierung sprechen. Wenn Sie Integration schaffen wollen, müssen Sie Symbole schaffen und jemandem das Gefühl geben: Der gehört hier hin, das ist seine Heimat!

Es wird aber oft auch durch die hier lebenden Menschen ein falsches Bild transportiert: Du gehörst hier nicht her.

Es ist doch kompletter Humbug, wenn wir politisch immer noch darüber diskutieren, ob die, die seit Jahrzehnten hier leben, dazugehören oder nicht. Dieses Jahr feiern wir 60 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen. Diese Menschen sind keine Gäste mehr. Lange nicht mehr.

Im Rahmen einer wissenschaftlichen Arbeit von 2017 über das Image von Leverkusen-Rheindorf haben elf Prozent der befragten Rheindorfer den hohen Ausländeranteil als Grund für einen Umzug genannt. Wie wollen Sie die Akzeptanz gegenüber Ausländern verbessern?

Diese Stadtteile sind oft auch sozial benachteiligt. Insofern kann man das nicht nur als Diskriminierung oder Ausgrenzung abtun. Meine Mutter hat mich auch nicht an der städtischen Grundschule angemeldet, weil sie gesagt hat, da sind zu viele Ausländerkinder. Sie wollte nicht, dass ich mit den anderen Kindern türkisch spreche. Ihr kann man deshalb sicher keinen Rassismus unterstellen.

Was muss passieren, um Menschen aus Rheindorf oder Wiesdorf aus der Armut zu holen?

Wir wollen, dass wir den Menschen in dieser Situation helfen, ganz schnell aus ihrer schwierigen Situation herauszukommen. Das geht vor allem mit einer guten Wirtschaftspolitik. Es gibt sicher Menschen, die von ihrem Lohn oder ihrer Rente nicht leben können.

Aber einem gesunden jungen Mann, der von Hartz IV lebt oder einer Frau im mittleren Alter muss doch ein Angebot gemacht werden, wie er oder sie wieder in den ersten Arbeitsmarkt kommt und nicht stattdessen über ein bedingungsloses Grundeinkommen oder den Hartz-IV-Satz diskutiert werden.

Wo sehen Sie den größten Verbesserungsbedarf beim Schulsystem?

Wir haben viel zu wenige Lehrer und zu wenig Sozialarbeiter. Wir müssen viel mehr junge Leute motivieren, diese Berufe zu ergreifen und das tun wir durch bessere Bezahlung. Wir müssen gerade die Schulen in den sozialen Brennpunkten mit mehr Lehrern und Sozialarbeitern stärken, um die Kinder dort zu fördern.

Ein Großteil der Gelder aus dem Digitalpakt wurde nicht abgerufen. Warum nicht?

Ich kenne Initiativen vor Ort, die lieber bei den Rotariern nachfragen, ob die eine Runde Tablets spenden als an diese Bundesmittel zu kommen, weil es einfach zu kompliziert ist. Wir müssen dafür sorgen, dass das Geld auch da ankommt, wo es gebraucht wird.

Im Gesundheitssystem geht seit Langem Profit über Patientenwohl. Wo muss hier was verändert werden?

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Wir haben einen extremen Mangel bei Gesundheitsfachberufen. Wir brauchen hier auch mehr Fachkräfte aus dem Ausland und eine bessere Bezahlung der Pflegekräfte. Die jährlich steigenden Versicherungsbeiträge könnten für eine bessere Bezahlung von Pflegekräften zurück ins System fließen. Das alles ist mit einer Bürgerversicherung nicht getan. Ohne Privatversicherung würden dem Gesundheitssystem pro Jahr 12,7 Milliarden fehlen.

Wo sehen Sie die größte Herausforderung in Sachen Klimaneutralität?

Wir können sagen: Wir steigen sofort aus der Atomenergie aus, wir steigen aus der Braunkohle aus. Haben wir dann noch genug Strom? Eine ganze Reihe von Experten sagt: Nein. Das würde am Ende dazu führen, dass Strom viel teurer würde und das soziale Gefüge gesprengt wird.

Also länger Kohle?

Was heißt länger Kohle? Es gibt eine Kohlekommission, die sich geeinigt hat, dass Kohle bis 2038 in Deutschland läuft, auch wenn einige Umweltverbände davon nichts mehr wissen wollen. Ich wünsche mir, dass der Ausstieg früher passiert. Das ist keine Frage. Aber es muss sozial verträglich sein.

Muss der CO2-Preis sein, der ja auch mit CDU-Beteiligung eingeführt wurde?

Wenn ein Unternehmen in den Niederlanden 70 Euro pro Tonne CO2 zahlen muss, hier aber 120, wie das Fridays for Future fordert, dann ist das nicht sehr förderlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Deshalb brauchen wir da eine europäische Regelung.

Tempolimit auf Autobahnen – ja oder nein?

In unserem Parteiprogramm steht ganz klar nein. Ich persönlich habe dazu eine andere Meinung. 140 wäre für mich optimal. Ich sag Ihnen aber ganz offen: Bei mir geht's dabei nicht ums Klima, sondern um die Sicherheit.

Bleibt es beim Autobahnausbau der A3 und der A1 in Leverkusen?

Wenn wir nicht unter einem Verkehrskollaps in der Region leiden wollen, wird es ohne Autobahnausbau nicht gehen. Auch ein E-Auto benutzt die Straße. Deshalb verstehe ich dieses "Wieso Ausbau?" nicht mehr.

Die Parteien aus dem linken Spektrum setzen alle auf ÖPNV und mehr Schiene.

Wir sagen: Das eine machen, das andere nicht unterlassen. ÖPNV ist so leicht gesagt. Auch in Köln-Flittard oder Stammheim kann man versuchen, den ÖPNV zu verdichten. Es gibt aber nach wie vor viele Menschen im ländlichen Raum, die auf das Auto angewiesen sind. Auch wir wollen natürlich den ÖPNV ausbauen und Radwege.

Wie groß rechnen Sie sich Ihre Chancen aus, den Wahlkreis zu gewinnen?

Im Moment rechne ich mir überhaupt nichts aus. Ich merke aber, die Stimmung mir gegenüber ist absolut positiv. Es kommen extra Leute an den Stand, die mich kennenlernen wollen. Insofern glaube ich, dass meine Chancen gar nicht so schlecht stehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Verwendete Quellen
  • Interview mit Serap Güler
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