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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Run auf Corona-Impfung Arzthelferin: "Wir sind am Limit – und trotzdem dankbar"
Nun kann jeder, der möchte, eine Corona-Impfung bekommen – theoretisch. Denn der Impfstoff ist immer noch knapp. In Praxen sorgt die neue Regelung für ungeheuren Stress, wie eine Arzthelferin erzählt.
Seit Hausarztpraxen gegen das Coronavirus impfen dürfen, haben die Arzthelferinnen und Arzthelfer alle Hände voll zu tun. Die Aufhebung der Impfpriorisierung dürfte vielerorts zu noch mehr Anfragen führen. Die Kölner Arzthelferin Monica di Salvo hat mit t-online über ihre Mehrbelastung gesprochen.
t-online: Wie groß ist der Ansturm wegen der Impfungen jetzt, da alle sich impfen lassen dürfen?
Monica di Salvo: Der Run auf die Impfungen ist die ganze Zeit seit April schon groß. Seit wir hier Corona-Impfungen anbieten, steht das Telefon praktisch nicht mehr still. Jetzt durch die Aufhebung der Impfpriorisierung sind die Anfragen noch mal mehr geworden. Ich muss dazu sagen: Hier in der Praxis priorisieren wir vorerst weiterhin nach Alter und Vorerkrankungen.
Aber dadurch, dass es im Impfzentrum jetzt einen Aufnahmestopp für Erstimpfungen gibt, versuchen es die Leute verstärkt bei den Hausärzten. Letzten Freitag hatten wir schon eine Riesenschlange vor der Praxis hier in Köln-Kalk, aber da waren natürlich nicht nur Impfwillige dabei, sondern auch die ganz normalen Patienten. Die Menge an Anfragen hier hat sich aber nicht geändert, nur weil die Impfpriorisierung weg ist.
Wie reagieren denn die Patienten, wenn sie lange auf ihren Impftermin warten müssen?
Manche Leute reagieren schon auch aggressiv, weil sie so dringend ihre Impfung haben wollen. Man muss halt am Telefon oder hier in der Praxis immer wieder erklären, warum wir den- oder diejenige jetzt nicht impfen können. Wir haben ja auch nicht mehr Impfstoff als anderswo. Die meisten zeigen dann aber Verständnis.
Wie sehr hat sich der Alltag in der Praxis verändert?
Der Alltag in der Praxis ist härter geworden. Die Corona-Impfungen rauben einem schon viel Zeit: Die Spritzen müssen vorbereitet werden, die Patienten müssen aufgeklärt werden, Termine vereinbart werden und das Ganze noch dokumentiert werden – und das zwölfmal am Tag neben den normalen Tätigkeiten.
Aktuell haben wir noch ein zusätzliches Problem. Wir bekommen keine Impfpässe mehr geliefert. Ich wollte welche bestellen, aber die Kassenärztliche Vereinigung kann nicht liefern. Dabei kommen 80 Prozent unserer Impflinge ohne eigenen Impfpass.
Wie geht es Ihnen, seitdem hier in der Praxis geimpft wird?
An manchen Tagen bin ich komplett fertig. Das zehrt sehr an den Nerven. Nicht nur das Personal im Krankenhaus ist übelastet. Auch wir sind hier am Limit. Wir müssen alles können, alles machen und uns die Sorgen und die Patienten anhören, die sauer sind, weil sie noch nicht geimpft wurden. Dabei haben wir, außer zu impfen, noch den ganz normalen Kram zu erledigen: Blut abnehmen, Laboruntersuchungen, Überweisungen und Krankschreibungen.
Man vergisst so leicht, was eine Arzthelferin alles macht. Der Arbeitstag hört oft nicht um 17 Uhr auf. Außerdem wartet zu Hause auf mich jeden Tag noch ein vierjähriger Junge, den ich alleine großziehe. Da frage ich mich: Wo ist der Corona-Bonus für uns?
Wünschen Sie sich manchmal, dass Ihre Praxis keine Impfungen anbieten würde?
Absolut nicht! Wir sind auch nicht sauer, wenn die Leute sich hier impfen lassen. Im Gegenteil: Wir freuen uns! Für jede Impfung sind wir dankbar. Trotzdem finde ich: Brennpunktimpfungen wie neulich hier in Kalk oder Vingst sollten öfter gemacht werden. Dann gäbe es für Hausärzte mehr Entlastung und noch mehr Leute hätten die Chance auf eine Impfung.
Wann wird denn wohl mal wieder Normalität im Praxisalltag einkehren?
So bald rechne ich nicht damit. Ich habe schon Angst vor dem Herbst. Dann stehen die Auffrischungsimpfungen an und das Ganze geht von vorne los. Im Herbst ist ja sowieso schon immer viel zu tun mit den Erkältungen und saisonalen Grippeimpfungen, die dann noch dazukommen.
- Gespräch mit Monica di Salvo