Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online."Arsch huh" in Köln Redner reagieren bei Friedenskundgebung auf Kritik
Hunderte Menschen haben in Köln auf einer Friedenskundgebung der Künstlerinitiative "Arsch huh" unter dem Titel "Give Peace a Chance!" für Frieden in Nahost demonstriert.
Rund 1.000 Menschen demonstrierten am Sonntagnachmittag am Aachener Weiher in Köln für Frieden im Israel-Palästina-Konflikt sowie gegen Rassismus. Aufgerufen hatte die Initiative "Arsch huh – Zäng ussenander" mit einem nicht unumstrittenen Einladungstext. Abraham Lehrer etwa, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Köln, sah darin die Angriffe der israelischen Armee auf Gaza mit den Gräueltaten der Hamas gleichgesetzt und sagte seine Teilnahme ab.
Dafür sprach der Vorsitzende des Zentralrats für Muslime, Aiman Mazyek: Er begrüßte die Anwesenden mit "meine jüdischen, christlichen, muslimischen, humanistischen Freunde". Er kritisierte vor allem die anhaltende Waffengewalt im Nahen Osten, sowohl von Seiten der Hamas, als auch der israelischen Armee. "Kein Kind ist heiliger als das andere – jedes tote Kind ist eines zu viel", sagte er.
Er zitierte Stellen aus der Thora und aus dem Koran, die beide das Töten von Menschen verbieten würden. "Als Muslim sage ich: Antisemitismus ist eine Sünde und trifft auf unseren erbitterten Widerstand." Der Konflikt sei politischer Natur und auch nur durch Verhandlungen zu lösen. Mazyek verurteilte den Terrorangriff der Palästinenser-Organisation am 7. Oktober und kritisierte den völkerrechtswidrigen Siedlungsbau im Westjordanland.
Auch Bands auf der Bühne
Auch Angehörige der Kölner Kulturszene traten auf der Kundgebung auf, etwa Miljö und Brings. Kabarettist Wilfried Schmickler lief zur Höchstform auf, als er mit bissigen Pointen gegen Rechtsextremisten polterte: "Der Verfassungsschutz spricht von Braunen Schläfern – braune Schläfer, hört sich an wie eine kuschelige Zuchtkaninchenrasse", sagte Schmickler.
Das Schlachtross des Kabaretts schimpfte insbesondere auf die AfD. "Noch kurz vor der Bundestagswahl wollte die AfD die Rechtsextremen aus der Partei werfen – dann haben sie nochmal durchgezählt und die Konsequenz ist, dass die Mehrheit der AfD-Abgeordneten im Bundestag nach wie vor zum ultrarechten Flügel gehört", sagte Schmickler. "Wir haben doch wirklich Probleme genug: Wir werden alt, wir werden krank, unsere Wohnungen werden unbezahlbar – da müssen wir uns doch nicht noch im Alltag das Leben schwer machen, indem wir jeden Respekt voreinander verlieren", sagte er.
"Waffenstillstand jetzt"
Es spielte die Band Erdmöbel das Lied "Lass die Hoffnungsmaschine laufen". Die Initiatoren hatten die Teilnehmenden gebeten, auf Schilder und Plakate zu verzichten. Ein paar waren doch zu sehen: "Waffenstillstand jetzt", forderte jemand auf einem Pappschild, einige Aktivistinnen forderten die Freilassung eines Inhaftierten im Iran.
Es sprach auch ein Redner, der vor Beginn des Dritten Reichs geboren wurde: der FDP-Politiker Gerhart Baum. "Es ist eine Schande, dass Synagogen in Deutschland immer noch geschützt werden müssen", klagte er an. "Die Stolpersteine geben uns Auskunft darüber, was wir verloren haben mit den Menschen, die ermordet wurden", sagte er. Der 91-Jährige bedauerte, dass Abraham Lehrer seine Teilnahme abgesagt hatte – äußerte aber zugleich Verständnis. "Die israelischen Soldaten sind nicht mit der Hamas gleichzusetzen." Vereinzelt gab es dazu Zwischenrufe aus dem Publikum.
Kundgebung blieb friedlich bis zum Schluss
Doch Baum differenzierte: "Die Hamas will alle Juden der Welt vernichten. Israel dagegen ist eine Demokratie." Er ließ auch den Protest gegen Ministerpräsident Benjamin Netanyahu nicht unerwähnt. "Er gibt sich mit Ultrarechten ab, nur um zu verhindern, dass er wegen Korruption angeklagt wird." Netanyahu betreibe eine aggressive Siedlungspolitik und sei dafür verantwortlich, dass der Friedensprozess stocke. "Israel verteidigt sich, auch wenn es sich nicht immer als Völkerrecht gehalten hat." Die Kundgebung blieb bis zum Ende friedlich.
- Reporter vor Ort