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Zum journalistischen Leitbild von t-online.1. FC Köln Selke: "Es gehört Mut dazu, zu sagen: Ja, ich glaube!"
Davie Selke spricht über seinen christlichen Glauben. Der Stürmerstar des 1. FC Köln steht beispielhaft für offen gelebte Religiosität im Profifußball.
Es war Herbert Zimmermann, der den ersten deutschen Fußballgott kürte. "Turek, du bist ein Teufelskerl! Turek, du bist ein Fußballgott!", rief Zimmermann in seiner bis heute berühmten Radioreportage vom WM-Finale 1954. Damals brachte Toni Turek im Tor der deutschen Nationalmannschaft die Ungarn zur Verzweiflung. Die Folge (neben dem WM-Titel): Zimmermann musste sich für seine Äußerung entschuldigen – nach Protesten von Kirchenvertretern wegen vermeintlicher Blasphemie.
Heute hätte die Kirche gerne den Zuspruch, den die Fußballgötter in aller Welt haben. Allein in Deutschland trat 2022 im Schnitt jede Minute des Jahres ein Mitglied aus der katholischen Kirche aus. Die Gotteshäuser füllen sich nur noch selten so wie der Kölner Dom, wenn der 1. FC Köln einmal jährlich im August seinen Saisoneröffnungs-Gottesdienst feiert und die FC-Hymne auf der Orgel gespielt wird. "Överall jitt et Fans vum FC Kölle." Aber auch noch von der Kirche?
Nmecha-Skandal sorgte für Diskussion um Religion im Fußball
Durchaus, und zwar genau dort, wo die Fußballgötter zu Hause sind: in der Bundesliga. Zuletzt jedoch war eine kontroverse Diskussion um einen streng gläubigen Fußballer und dessen Weltsicht entbrannt. Felix Nmecha hatte homophobe und diskriminierende Inhalte auf seinem Instagram-Kanal geteilt und sich anschließend nur halbherzig davon distanziert.
Nmecha hatte das Teilen dieser Inhalte auch damit begründet, sein Leben nach seinem christlichen Glauben auszurichten. Kritiker warfen dem 22-Jährigen daraufhin jedoch vor, die Bibel als Ausrede für seine radikalen Sichtweisen zu nutzen. Borussia Dortmund verpflichtete den Offensivspieler dennoch und stellte sich anschließend schützend vor den deutschen Nationalspieler.
Bundesliga: Freie Bibelkreise unter Fußballern
Dabei ist die Bundesliga eigentlich ein Beispiel für den offenen und respektvollen Umgang mit Religionen. Spieler unterschiedlicher Clubs organisieren freie Bibelkreise. Ob einst David Alaba beim FC Bayern oder Kingsley Ehizibue beim 1. FC Köln – man trifft sich persönlich oder online, spricht über seinen Glauben, tauscht sich aus. Auch der Respekt zu anderen Religionen wird groß geschrieben.
Davon weiß auch Davie Selke zu erzählen. Der Stürmerstar der Geißböcke geht mit seinem Glauben offen um. "Ich bin ein sehr gläubiger Mensch", sagt der 28-Jährige. "Mein Onkel ist Pastor in Köln. Das ist super für mich. Er ist ein ganz wichtiger Ansprechpartner und eine große Stütze für mich. Aus meinem Glauben ziehe ich extrem viel Kraft."
Selke ist Sohn eines äthiopischen Vaters und einer tschechischen Mutter. Er wuchs in Baden-Württemberg auf, seine Großeltern sprachen früh mit ihm über den christlichen Glauben. Im Erwachsenenalter begann Selke sich noch stärker mit Gott zu beschäftigen. "Das hat sich noch einmal intensiviert. Über den Glauben habe ich mehr zu mir gefunden. Das tut mir extrem gut", sagt Selke. "Ich beziehe alle Bereiche meines Lebens in meinen Glauben ein. Alles, was mich berührt, meine Themen, Probleme, die Menschen in meinem Leben, schließe ich in mein Gebet ein."
Die Suche nach dem Sinn
Selke sieht, dass gerade im Fußball die Spieler offen zu ihrem Glauben stehen und ihn öffentlich ausleben. "Ich erkenne das auch. Im Fußball bewegen wir uns sehr stark in der Öffentlichkeit, da fällt das stärker auf", sagt der FC-Spieler. "Einige Menschen trauen es sich vielleicht nicht auszusprechen. Es gehört auch eine Menge Mut dazu, zu sagen: Ja, ich glaube."
Missionieren will Selke nicht. Er sagt lediglich: "Wenn ich, etwas breiter gefasst, die Gesellschaft betrachte, höre und lese ich von vielen Menschen, die unglücklich sind, die auf der Suche nach einem Sinn sind. Jeder muss da seinen eigenen Weg finden. In die Kirche zu gehen und zu versuchen, über die eigene Beziehung zum Glauben Antworten zu finden, hat mir sehr geholfen."
Auf eine andere Art und Weise helfen seine Tore vielen FC-Fans: um am Samstagnachmittag ein Spiel zu genießen, um am Montagmorgen mit einem guten Gefühl zur Arbeit zu gehen, weil der Lieblingsklub gewonnen hat, um abends beim Stammtisch über den "Fußballgott Selke" zu scherzen. Heute muss sich für diesen Begriff niemand mehr entschuldigen. Auch wenn ein gläubiger Christ wie Davie Selke sich selbst wohl nie so bezeichnen würde.
- Eigene Beobachtungen und Recherchen des GEISSBLOG
- Marc L. Merten gründete 2015 den GEISSBLOG.KOELN. Die unabhängige Onlinezeitung informiert die Fans des 1. FC Köln über alles rund um die Geißböcke. Merten studierte Journalismus in Fribourg und arbeitete anschließend als Sportredakteur für t-online.de. Später berichtete er für die Abendzeitung München über den TSV 1860, ehe er für den GEISSBLOG in seine Heimatstadt Köln zurückkehrte.