Missbrauchskomplex Wermelskirchen Prozess gegen Marcus R. – was Sie wissen müssen
Am Dienstag startet vor dem Kölner Landgericht der Prozess gegen Marcus R., den Hauptverdächtigen im Missbrauchskomplex von Wermelskirchen.
Es ist ein unvorstellbarer Fall, der im Sommer 2022 an die Öffentlichkeit kam. Ein Mann aus Wermelskirchen, einer Kleinstadt zwischen Köln und Dortmund, soll über 14 Jahre hinweg Kinder schwer sexuell missbraucht haben. Dabei soll er auch Video- und Bilddateien seiner Taten angefertigt und diese mit anderen Männern im Internet getauscht haben.
Der 45-jährige Marcus R. ist der Hauptverdächtige im "Missbrauchskomplex Wermelskirchen", zu dem aktuell 133 Ermittlungsverfahren laufen. So sollen Mittäter des Wermelskircheners nicht nur über ganz Deutschland verteilt sein, sondern auch in Großbritannien und Kanada sitzen. Die Männer tauschten sich im Internet über ihre Taten aus.
"Menschenverachtende Brutalität"
Im Dezember 2021 wurde Marcus R. festgenommen, im Sommer 2022 der Fall publik gemacht. "Ein solches Ausmaß an menschenverachtender Brutalität und gefühlloser Gleichgültigkeit gegenüber kleinen Kindern, ihren Schmerzen und ihren Schreien ist mir noch nicht begegnet", hatte der Kölner Polizeipräsident Falk Schnabel damals gesagt.
Am Dienstag, dem 6. Dezember, beginnt vor dem Kölner Landgericht der Prozess gegen Marcus R. vor der zweiten Großen Strafkammer.
Wer ist der Angeklagte?
Bei dem Angeklagten handelt es sich um Marcus R., einen inzwischen 45 Jahre alten Wermelskirchener. R., der bis zu seiner Festnahme im Dezember 2021 nicht polizeibekannt war, wohnte zusammen mit seiner Frau in einem neu gebauten Haus im Stadtteil Tente. Er gilt als Computer-Fachmann und war für einen großen Konzern tätig.
Dass der 45-Jährige ein unfassbares Doppelleben führte, konnte sich keiner vorstellen: Zwischen dem 17. März 2005 und dem 4. September 2019 soll R. in Köln und andernorts insgesamt 124 Straftaten aus dem Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen begangen haben.
Um Kontakt zu seinen Opfern und deren Familien zu bekommen, gab sich R. im Internet als fürsorglicher Babysitter aus. Dabei half ihm sein unscheinbares Äußeres, wie Fotos zeigen, die von R. im Netz kursieren. Mit der schlanken Statur und seinem freundlichen Gesicht samt Brille schien diese Selbstbeschreibung auf R. nämlich durchaus zuzutreffen.
Was wird dem Angeklagten vorgeworfen?
Die Anklage umfasst insgesamt 124 Straftaten, die dem Wermelskirchener zur Last gelegt werden. Darunter sind 99 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern bis zu einem Alter von einschließlich 13 Jahren. Bei 89 dieser Fälle handelt es sich um schweren sexuellen Missbrauch, da es zu "beischlafähnlichen Handlungen" gekommen sein soll, bei denen es zur Penetration der Opfer kam. Das Alter der Opfer liegt zwischen elf Monaten und dreizehn Jahren.
In einem Fall blieb es beim Versuch, bei einem weiteren soll das geschädigte Kind körperlich schwer misshandelt worden sein. Da der Angeklagte die Widerstandsunfähigkeit des betroffenen Kindes in 74 Fällen ausgenutzt haben soll, wird ihm hier tateinheitlich sexuelle Nötigung vorgeworfen.
In neun dieser 74 Fälle soll Marcus R. zudem Bild- und Videomaterial angefertigt haben, das den Missbrauch der Kinder dokumentiert. Tateinheitlich werden ihm in sechs der neun Fälle Vergewaltigung und in einem Fall gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Insgesamt fanden die Ermittler rund 5 Millionen Dateien bei Marcus R., die ihn und andere Männer beim Missbrauch von Kindern zeigen.
In 15 weiteren Fällen geht es im Wesentlichen um Vorwürfe der Beihilfe "zu erheblichen Missbrauchstaten anderer Personen." Die verbleibenden zehn Fälle, so das Landgericht Köln, "betreffen ebenfalls Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung", auch gegenüber Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren, sowie das Verbreiten von Schriften, die den Missbrauch von Kindern zum Inhalt haben. Marcus R. soll zudem einen anderen Täter zu schweren Missbrauchshandlungen an Kindern angestiftet haben.
Wie kamen die Ermittler Marcus R. auf die Spur?
Ermittler kamen Marcus R. auf die Spur, nachdem sie in einem Chat-Verlauf auf ihn aufmerksam wurden, in dem sich R. und ein weiterer Mann über den Missbrauch von Kindern austauschten. Spezialkräfte der Polizei nahmen Marcus R. daraufhin in seinem Wohnhaus in Wermelskirchen fest.
Im Laufe der Durchsuchung seines Hauses und seiner Datenträger konnte die Polizei weitere Täter aus dem Missbrauchskomplex ermitteln, mit denen R. explizites Bild- und Videomaterial ausgetauscht hatte. Auch sollen sich die Männer gegenseitig zu eigenen Missbrauchstaten angestachelt haben.
Was wird für den Prozess erwartet?
Vor Gericht wird Marcus R. von den beiden Rechtsanwälten Christian Lange und Simon Kantz vertreten. Die Verteidigung hat im Vorfeld des Prozesses angekündigt, dass R. ein Geständnis ablegen wird. Das soll auch für die Hauptverhandlung gelten. Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtet, habe sich R. "bereits während der Ermittlungen kooperativ gezeigt."
So habe er der Polizei auch bei der Aufklärung anderer Fälle geholfen. "Wir haben von Anfang an gesagt: Wir machen reinen Tisch und helfen der Polizei, wo es geht", zitiert die dpa einen der Verteidiger. Der großangelegte Prozess ist auf 25 Verhandlungstage angesetzt, das Urteil wird für den 28. Februar 2023 erwartet.
- Presserolle des Amts- und Landgerichts Köln vom 2. Dezember 2022
- stern.de: Ein "Monster" oder "der netteste Mensch überhaupt"? Nachbarn berichten über den mutmaßlichen Pädokriminellen Marcus R.