Kiel Kontroverse Energie-Debatte: Mehr Öl fördern?
Über energiepolitische Konsequenzen aus dem Ukraine-Krieg ist in Schleswig-Holstein eine kontroverse Diskussion entbrannt. Während Politiker von CDU und FDP am Dienstag eine stärkere Nutzung der Ölvorkommen im Wattenmeer ins Spiel brachten, lehnte SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller einen Stopp von Importen aus Russland ab. Die Grünen setzen ohnehin auf einen forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien.
Der FDP-Energiepolitiker Oliver Kumbartzky befürwortet die Erschließung eines neuen Ölfeldes in 2000 bis 3000 Metern Tiefe von der Plattform Mittelplate vor der Dithmarscher Küste aus. Voraussichtlich könnten so zusätzlich bis zu zwei Millionen Tonnen Öl gefördert werden, erklärte Kumbartzky. "Eine Förderung der bekannten zusätzlichen Mengen wären sicher und umweltverträglich von der bewährten Insel Mittelplate möglich."
Nach Angaben des CDU-Wirtschaftspolitikers Lukas Kilian wurden aus der Lagerstätte bisher knapp 40 Millionen Tonnen Erdöl gefördert. "Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sollten wir eine intensive Debatte zum Thema Rohstoffsouveränität führen", äußerte Kilian. "Für uns gehört die Unterstützung eigener Rohstoffproduktionen sowie die Prüfung einer Ausweitung der Erdölförderung dazu."
Eine ehrliche und teils schmerzhafte Bestandsaufnahme in der fossilen Energiepolitik sei dringend erforderlich, meinte Kilian. "Während die Energiewende massiv vorangetrieben werden muss, brauchen wir für die Brückenversorgung weiterhin auch eigene fossile Ressourcen." Angesichts der einseitigen Energieabhängigkeit, insbesondere von russischen Rohöllieferungen, sei eine Neuaufstellung der Energiesouveränität dringend geboten.
Bis zur klimaneutralen Energiegewinnung müsse eine Brückenversorgung sichergestellt werden, sagte Kilian und verwies auf die Ölvorkommen im Wattenmeer. Seit über 30 Jahren werde dort mitten im Nationalpark und Weltnaturerbe störungsfrei Erdöl gefördert - nach deutschen Standards im Umweltschutz und Arbeitsrecht.
Der SPD-Spitzenkandidat zur Landtagswahl am 8. Mai, Thomas Losse-Müller, lehnt einen Importstopp für Energieträger aus Russland ab. Ein Teil des aktuellen Preisanstieges werde durch die Debatte über einen solchen Einfuhrstopp ausgelöst, erklärte er. "Die CDU fordert Entlastungen für einen Preisanstieg, den sie durch diese Diskussion mit verursacht." Mit Blick auf Versorgungssicherheit und Energiepreise sei er gegen einen Importstopp, betonte Losse-Müller.
Unter anderem Schleswig-Holsteins CDU-Landtagsfraktionschef Tobias Koch hatte sich für einen Einfuhrstopp für russisches Erdgas nach Deutschland ausgesprochen. "Angesichts der furchtbaren Bilder aus der Ukraine ist es beschämend und unerträglich, dass Deutschland weiterhin jeden Tag russisches Erdgas importiert und damit Putins Angriffskrieg finanziert", sagte Koch der Deutschen Presse-Agentur.
"Die steigenden Preise für Energie belasten vor allem Familien und Menschen mit geringem Einkommen", sagte Losse-Müller. Seit Vorlage des ersten Entlastungspakets durch den Bund im Februar seien die Preise weiter gestiegen. Deshalb sollte jetzt nachgelegt werden.
"Um Menschen zu entlasten, sollten wir den vereinbarten einmaligen Heizkostenzuschuss verdoppeln", sagte Losse-Müller. Bei zusätzlichen Entlastungen müssten die langfristigen Auswirkungen im Blick bleiben. "Ich halte eine Senkung der Stromsteuer für den besten Weg." Dadurch würden alle Verbraucher sparen. Zudem gebe dies Extra-Anreize zum Umstieg auf Elektromobilität und den Einbau von Wärmepumpen. "Dadurch werden wir unabhängiger von fossilen Energieimporten."
Das Land könne Familien mit dem Wegfall der Kitagebühren, der Rückkehr zur Mietpreisbremse und einer Senkung der Grunderwerbsteuer beim Erstkauf einer Immobilie entlasten, äußerte Losse-Müller. "Diese Maßnahmen werde ich als Ministerpräsident umsetzen."
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und steigender Energiepreise hatten Politik, Wirtschaft und Verbände im Norden am Montag über Hilfen für Verbraucher beraten. Energie-Staatssekretär Tobias Goldschmidt sprach sich nach einem Energiegipfel für einen stärkeren Ausbau der Windkraft aus, um die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern. Bislang sind in Schleswig-Holstein zwei Prozent der Landesfläche für Windräder vorgesehen. "Da ist noch Luft nach oben", sagte Goldschmidt. Denkbar seien 2,5 oder 3 Prozent.
Angesichts der steigenden Preise und der geopolitischen Lage sei der Ausbau der erneuerbaren Energien relevanter denn je, meinte der Grünen-Landesvorsitzende Steffen Regis. Eine konsequente Energiewende sei der Schlüssel, um die Energiepreise für Verbraucher und Wirtschaft in einem verträglichen Rahmen zu halten.