Kiel Corona-Testpflicht für Ungeimpfte künftig im ganzen Norden
Nur gegen das Coronavirus geimpfte oder von Covid-19 genesene Menschen dürfen in Schleswig-Holstein vom 23. August an ohne frischen Test die Innenräume von Gaststätten und anderen Einrichtungen besuchen. Dies geht aus den Eckpunkten für eine neue Verordnung hervor, auf die sich die Landesregierung verständigt hat. "Diese Testpflichten werden aufgrund der landesweiten Überschreitung des Schwellenwertes für ganz Schleswig-Holstein eingeführt", teilte die Staatskanzlei am Mittwoch mit. "Zudem soll so für die Bürgerinnen und Bürger ein verlässliches Regelwerk ohne regionale Ausweicheffekte geschaffen werden."
Schleswig-Holstein hatte den von Bund und Ländern auf 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen festgelegten Schwellenwert mit zuletzt 46,4 deutlich überschritten. Nur noch 5 von 15 Kreisen und kreisfreien Städten lagen darunter. Die Testpflicht für nicht Geimpfte und nicht Genesene gilt auch für Innenräume von Krankenhäusern, Pflegeheimen, Friseuren, Sporthallen, Kosmetik- und Fitnessstudios, Schwimmbädern sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen.
Negative Antigen-Schnelltests dürfen nicht älter als 24 Stunden sein, PCR-Tests nicht älter als 48 Stunden. Die sogenannte 3G-Regelung - also Zugang nur für Geimpfte, Genesene und Getestete - gilt nicht für Teilnehmer an Versammlungen und Gottesdiensten sowie für Besucher von Bibliotheken. Kinder unter sieben Jahren sind ebenso ausgenommen wie Schüler unter 18 Jahren, die regulär zweimal wöchentlich in der Schule getestet werden.
Weiterhin wird die bisherige Regelung zum eingeschränkten Regelbetrieb an Kitas aus der Verordnung gestrichen. Damit werden alle Kinder in vollem Umfang und dauerhaft in ihrer Kita betreut. Dafür wird das Land einen seit kurzem für Kleinkinder geeigneten und vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen Selbsttest beschaffen und kostenfrei zur Verfügung stellen. Damit bekommen Kita-Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder zweimal wöchentlich zu testen. Zudem wird die Pflicht zur Erhebung von Kontaktdaten in den meisten Außenbereichen abgeschafft.
Im Norden, der längere Zeit die niedrigsten Infektionszahlen in Deutschland hatte, verzeichnen drei Städte aktuell die höchsten Corona-Inzidenzen unter den deutschen Kreisen und kreisfreien Städten. Flensburg führte nach den Zahlen vom Dienstagabend mit 90,9 die Negativliste an, vor Kiel mit 85,9 und Neumünster mit 79,8. Zudem stand das Land mit 46,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen auf Platz zwei nach Hamburg.
"Vor einem Jahr wäre das höchste Alarmstufe gewesen", sagte der Infektionsmediziner Helmut Fickenscher am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Mittlerweile gebe es aber eine beachtliche Impfquote, die Zahl der schweren Erkrankungen sei gering und es gebe kaum weitere Todesfälle. Sollte irgendwo die Marke 100 überschritten werden, greifen keine einschränkenden Automatismen mehr.
Als Gründe für die stark gestiegenen Zahlen nannte Fickenscher die Rückkehr vieler Menschen aus dem Urlaub und den mit zahlreichen Tests verbundenen frühen Beginn des neuen Schuljahres. "Das kann aber nicht alles erklären", sagte Fickenscher, der am Universitätsklinikum in Kiel das Institut für Infektionsmedizin leitet. "Das Virus verbreitet sich an einigen Orten eifrig in der Bevölkerung." Offenkundig hielten einige Altersgruppen eher wenig von Schutzmaßnahmen. Fickenscher bezog dies auf das Impfen und Abstandhalten.
Erste Priorität müsse sein, das Impfen möglichst intensiv voranzutreiben, betonte der Mediziner. Mit 67,1 Prozent bei Erstimpfungen und 59,0 Prozent beim vollständigen Schutz hat der Norden jeweils die dritthöchste Quote. Angesichts der teils hohen Inzidenzen sagte Fickenscher, die Gesundheitsämter seien emsig dabei, Ausbruchssituationen einzugrenzen. Er gehe davon aus, dass Schleswig-Holstein auch in Abstimmung mit anderen Ländern in Kürze gewisse Regeln festlege. Er habe für das Land aber auch den Eindruck, dass sich das Ansteigen der Fallzahlen aktuell verlangsame.
Das Gesundheitsministerium erklärte, es verfolge die Entwicklung aufmerksam. Das Ressort bekräftigte den Aufruf, sich impfen zu lassen, um sich und andere zu schützen – auch jene, die sich nicht impfen lassen können.