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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Von den eigenen Plantagen Eine Kolumbianerin baut fairen Kaffee für Kieler an
Eine Kieler Gründerin verkauft fair und nachhaltig produzierten Kaffee aus ihrer kolumbianischen Heimat. Das Projekt ist mit vielen Risiken behaftet. Zumindest aber Corona hat
Eine Note von Karamell, Rohrzucker und Brombeeren, eine milde Säure von Früchten und so gut wie keine Bitterstoffe. So beschreibt die Kielerin Luisa Mejia den Geschmack ihres Kaffees. Es ist die erste Ernte von ihrer kleinen Farm in Filandia, einer Gemeinde in den kolumbianischen Anden, und hier in Kiel bereit zum Verkauf über Mejias Onlineshop Café del Cielo. Das Start-up ist seit vergangenem Dezember am Markt.
In Geschäften gibt es den Anden-Kaffee nicht zu kaufen, denn Luisa Mejias Ziel ist es, "möglichst alle Zwischenhändler auszuschalten". Das spart Geld, und das ist notwendig. Denn für die geborene Kolumbianerin sind neben der Qualität ihres Produktes zwei Dinge zentral: Ihr Kaffee soll ökologisch nachhaltig und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt sein. Faktoren, die die Produktion teuer machen. Ob das Konzept aufgehen wird, hängt davon ab, ob die Gründerin genügend Kunden – und auch Kleinbauern jenseits des Atlantik – von ihrer Vision überzeugen kann.
Aus einem Urlaubstrip wird ein Kaffee-Start-up
In Kolumbien aufgewachsen, kam die heute 44-Jährige 2008 zunächst nach Lübeck, um Biomedizintechnik zu studieren. 2010 zog sie nach Kiel und arbeitet heute hauptberuflich als Forscherin am Institut für Medizinische Informatik an der Universität Kiel. 2017 war sie zum Urlaub zurück in Kolumbien und entdeckte die kleine Kaffeefarm in Filandia, die zufällig gerade zum Verkauf stand. "Ich hatte ein bisschen Geld gespart und dachte, ich kaufe mir einen Rückzugsort zum Urlaub machen und vielleicht zum Altwerden", erinnert sich Mejia. "Es ist einer der schönsten Orte in Kolumbien, in 1.700 Metern Höhe, mit einem wunderschönen Blick auf die Anden und ganz viel Natur. An den Kaffeeanbau hatte ich erst mal gar nicht gedacht."
Dann erfuhr sie, wie schwierig es für die Kaffeebauern in der Region ist, von ihrer Arbeit zu leben. "Viele der Bauern sind von Armut bedroht und waren deshalb schon auf andere Produkte umgestiegen", sagt Mejia. "Ich fand es sehr schade, dass die Tradition des Kaffeeanbaus in Filandia deshalb verloren zu gehen droht." Dabei, so glaubte Mejia, gibt es auf der Welt genügend Menschen, die bereit sind, für hochwertigen, fair und ökologisch produzierten Kaffee mehr Geld auszugeben. Und so entschloss sie sich, die kleine Farm wiederzubeleben.
Farm kostet Zeit und Geld
Das bedeutete zunächst mal eine Menge Arbeit. Die Farm war zwar idyllisch, aber seit Jahren nicht mehr gepflegt, voll Unkraut und die gepflanzte Kaffeesorte abhängig von Pestiziden und Herbiziden. Luisa Mejia entschied sich, alle alten Kaffeepflanzen zu entfernen und durch eine robustere Sorte zu ersetzen, die den Einsatz von Chemie überflüssig macht. "Das war eine schwierige Entscheidung. Es hat viel Zeit und viel Geld gekostet", sagt Mejia. Um eine Monokultur zu vermeiden, wachsen neben dem Kaffee außerdem Limetten, Kochbananen und andere Früchte auf der Farm. Dazu kommt der soziale Aspekt. "Die Arbeiter bekommen mehr als den Mindestlohn", so Mejia.
Von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hat Mejias Start-up als innovatives Projekt Förderung erhalten. Auf der Skala der internationalen Specialty Coffee Association (SCA) erzielt der Kaffee 85 Punkte und gilt damit als exzellenter Kaffee. Eine Bio-Zertifizierung hat die Farm dagegen nicht – das Siegel zu bekommen wäre zu teuer und zu bürokratisch für so eine kleine Farm, so Mejia. Sie leitet ihr Unternehmen von Kiel aus, nach Feierabend und am Wochenende, denn ihr Hauptjob ist nach wie vor die Forschung an der Kieler Uni.
Der Traum vom fairen Kaffee muss sich auch rechnen
Nach drei Jahren waren die 4.000 neuen Bäume 2020 zum ersten Mal erntereif. Die ersten 500 Kilo Kaffeebohnen gingen seitdem in Kiel ein. Die Logistik dahinter war für Luisa Mejia eine noch größere Herausforderung als der Anbau selbst. "So eine kleine Menge Kaffee hierher zu exportieren, ist fast unmöglich für einen kleinen Bauern. Denn ein Schiffscontainer fasst 20 Tonnen Kaffee", erklärt Mejia. Und den überflüssigen Laderaum könne man auch nicht einfach mit anderen Produkten füllen. Das sei auch der Grund, warum Kleinbauern abhängig sind von Zwischenhändlern, die ihnen niedrige Preise diktieren können.
"Der Grund warum ich das alles mache, ist, zu schauen, ob es doch ohne Zwischenhändler möglich ist", sagt Mejia. "Die Brücke ist jetzt gebaut. Der Plan für die Zukunft ist, sie nun auch für andere aufzumachen." Denn nur wenn weitere Kleinbauern einsteigen und so die Liefermenge größer wird, kann sich Café del Cielo langfristig rechnen.
Risiko des Scheiterns
Bis jetzt laufe es ganz gut, so Mejia. Es gebe viel Resonanz von Kundenseite. 90 Prozent der ersten Lieferung seien ausverkauft. Und in Filandia sei sie bereits im Gespräch mit anderen Bauern. Aber Luisa Mejia ist keine Träumerin. Das Risiko des Scheiterns ist ihr bewusst. Café del Cielo ist bisher noch ein Minusgeschäft für sie. Mejia hofft, dass es nächstes Jahr profitabel wird, wenn ihre Marke bekannter und ihre Farm voraussichtlich die vierfache Menge an Kaffee abwerfen wird. Und wenn andere Bauern mit einsteigen.
Die Corona-Krise übrigens habe dem Projekt bisher nicht geschadet – ganz im Gegenteil, wie Luisa Mejia glaubt. „Corona hatte tatsächlich einen positiven Einfluss“, sagt sie. „Ich denke, weil die Menschen weniger Geld für Reisen und andere Dinge ausgeben, bleibt mehr für anderes.“ Und weil die Menschen gezwungen seien, zu Hause zu bleiben, würden sie es sich in ihren eigenen vier Wänden besonders angenehm machen wollen und sich mehr für die Qualität und Nachhaltigkeit der Produkte interessieren, die sie kaufen.
- Gespräch mit Luisa Mejias und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ)