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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Von genial bis nervig E-Scooter nun auch in Kiel – eine Zwischenbilanz
Seit einiger Zeit sind sie auch in Kiel unterwegs: E-Scooter. Der Anbieter baut seine Flotte nun weiter aus – was halten Kieler davon?
Vor zweieinhalb Monaten ist der populäre und gleichzeitig umstrittene E-Roller auch in Kiel angekommen. Das Geschäft scheint sich für den Anbieter zu lohnen. "Tier" verdoppelte zuletzt seine Flotte auf 600 Fahrzeuge in der Stadt. Auch das Einzugsgebiet wurde erweitert. So findet man die Roller jetzt auch in Suchsdorf, Hassee und Neumühlen-Dietrichsdorf. Doch wie kommt der E-Scooter bei den Kielern an?
Josch Fitzeck (35) fährt zusammen mit einer Freundin die Holtenauer Straße entlang, noch mit einem alten Modell. Er macht gerade seinen Führerschein und nimmt sonst den Bus. "Ich hab Geburtstag, das Wetter hat gepasst, und da wollte ich's mal ausprobieren. Wir fahren zum Spaß damit rum. Für die Innenstadt ist das auf jeden Fall genial."
"Zum Spaß" hat auch Nico Zahorsky (21) den E-Roller für eine Spazierfahrt entlang der Förde gewählt, bereits zum zweiten Mal. "Sie sind relativ flexibel, nur ziemlich teuer." Als wirkliche Alternative zu anderen Fortbewegungsmitteln sieht er die Roller nicht.
Fabian Kaiser, Manager der Kieler "Tier"-Flotte, zeigt sich zufrieden damit, wie die Roller in der Stadt angenommen werden. Nutzerzahlen gibt die Firma nicht heraus. Er sagt aber: "Wir sind sehr positiv überrascht. Wir beobachten, dass die Roller nicht mehr nur ein Spaß-Ding für die Leute sind. Sie benutzen es immer mehr für praktische Zwecke, etwa um zur Arbeit zu fahren."
Karsten Lampe (55) benutzt das neue Modell in der Wik für den letzten Kilometer bis nach Hause: "Das mache ich regelmäßig, wenn ich vor der Haustür keinen Parkplatz finde. Dafür find ich es gut."
Auch vom Kundenservice oder über den App-Store erhalte man sehr viel positives Feedback. Auf Apples App-Plattform hat die App eine Durchschnittswertung von 4,7 von 5 Sternen. Im Google Play Store hat die App 4,3 Sterne bekommen.
Was machen die Roller mit dem Stadtbild?
Vier "Tier"-Mitarbeiter sind täglich in der Stadt unterwegs und laden Akkus auf, stellen falsch abgestellte E-Roller zurecht oder entfernen sie aus Parkverbotszonen wie Parks und Grünanlagen.
Was den Umgang mit den Rollern betrifft, zeigen sich die Kieler laut Fabian Kaiser vorbildlich. Dass gleich kurz nach dem Start in Kiel ein Roller in der Förde gelandet war, sei eine Ausnahme gewesen. In aller Regel würden die Menschen die Roller ordnungsgemäß abstellen. "Vielleicht liegt es auch daran, dass wir eine Fahrradstadt sind", spekuliert Kaiser. "Es gibt schon länger auch Leihräder, und die Leute sind deshalb abgestellte Geräte an den Wegen gewohnt."
Von der Stadt ist Ähnliches zu hören. "Die Erfahrungen sind relativ gut nach den ersten Monaten", so Stadtsprecher Arne Gloy. Die Kieler nehmen die E-Roller offenbar gut an. "Beschwerden gab es nur ganz am Anfang wegen Falschparkern etwa auf der Gablenzbrücke. Aber das hält sich alles in Grenzen. Schlimme Auswüchse, wie man es aus anderen Städten hört, gibt es bei uns nicht."
Auch aus Sicht der Kieler Polizei sind die E-Roller unproblematisch. Seit Ende Juli gab es insgesamt sechs Unfälle im Zusammenhang mit E-Scootern, fünf davon mit leichtem Personenschaden. Dazu kommen zwischen Mitte Juli und Anfang September etwa zehn Fahrten unter Alkoholeinfluss. Die Zahlen beziehen sich dabei auf sämtliche E-Roller, also auch solche im Privatbesitz. Für die Leihroller von "Tier" gibt es keine gesonderte Statistik. "Aus unserer Sicht ist das ein absolutes Randthema", fasst Polizeisprecher Matthias Felsch zusammen. "Auch was die Beschwerden über falsch abgestellte Roller angeht."
Allerdings: Aus Gaarden-Ost hat sich Tier zurückgezogen. Dort kann man mit den Rollern mittlerweile nur noch durchfahren, aber nicht mehr parken oder mieten. "Da hatten wir ein bisschen Probleme mit Vandalismus und haben reagiert", sagt "Tier"-Manager Fabian Kaiser.
Kritik kommt von Greenpeace
Die Kieler Ortsgruppe von Greenpeace sieht die E-Roller deutlich kritischer. Christian Marta von Greenpeace Kiel erklärt: "E-Mobilität ist im Grunde ein netter Gedanke. Allerdings nur, wenn sie ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor ersetzt. In der Praxis ist das bei den E-Rollern nicht so. Alle Strecken, die du mit dem E-Roller zurücklegst, kannst du auch zu Fuß oder mit dem Rad zurücklegen."
Zudem bestehe keine Pflicht, dass die Energie für die Roller aus Ökostrom komme. Man müsse ebenfalls die für die Herstellung der Roller anfallende Energie berücksichtigen sowie den Batterie- und Elektroschrott, der nach dem Ende eines Rollerlebens anfalle. Martas Fazit: "Die E-Roller sind kein positiver Beitrag für die Verkehrswende." Leihfahrräder seien die sinnvollere Alternative.
- Interviews mit mit Fabian Kaiser, Matthias Felsch und Arne Gloy
- Greenpeace
- Befragungen vor Ort