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Sänger Chris Brandon: "Die Blindheit hat mich nie aufgehalten"


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Country-Sänger Chris Brandon
"Die Blindheit hat mich nie aufgehalten"

Von Ariane Lindemann

05.07.2021Lesedauer: 5 Min.
Chris Brandon: Der in Karlsruhe arbeitende Sänger ist in den USA erfolgreich.Vergrößern des Bildes
Chris Brandon: Der in Karlsruhe arbeitende Sänger ist in den USA erfolgreich. (Quelle: Ariane Lindemann)

Chris Brandon ist Radiomoderator und erfolgreicher Country-Musiker in Karlsruhe. Mit Elvis Presleys Cousin verbindet ihn ein transatlantisches Musikprojekt, eine enge Freundschaft und der Blick auf die Welt ohne visuelle Kontraste.

Seine Stimme klingt nach den amerikanischen Südstaaten. Ein bisschen Country, Rhythm and Blues, Pop. Mit fünf Jahren schon kannte er jeden Song von Elvis, Bruce Springsteen und Chuck Berry. Chris Brandon trat als erster deutscher weißer Künstler in Memphis Tennessee im legendären Club von Blueslegende B.B. King gemeinsam mit dessen Band auf. Dass er Jahre später einen Anruf aus Memphis bekommen sollte, hätte er sich nie träumen lassen.

"Ich hörte als Kind wie besessen die Songs von Elvis rauf und runter, sie ist für mich bis heute der Schlüssel, auch zur aktuellen Popmusik", erzählt Brandon, eigentlich Christian Besau. Den legendären Hüftschwung des King of Rock ‘n Roll hat er allerdings nie gesehen, denn der Musiker ist von Geburt an blind.

Musiker mit Auszeichnung

Mit 25 bekam Brandon erstmals den Deutschen Rock- und Pop-Preis, einige Jahre später nahm ihn der Plattenkonzern BMG unter Vertrag. Seine erste Single "Come together" erreichte auf Anhieb Platz 4 der deutschen Radiocharts. Er schaffte, was kaum einem anderen Musiker bisher gelang: Er kam als Deutscher unter die Top Ten der New-Music-Weekly-Country-Charts. Tagsüber ist Brandon, der in Bellheim in der Pfalz lebt, Vollzeit-Radiomoderator beim Evangelischen Rundfunkdienst in Baden (ERB) in Karlsruhe, abends Familienvater und Musiker.

In Brandons Welt gibt es praktisch keine optischen Kontraste oder Farben. "Aber ich kann die Farben der Musik hören und wahrnehmen", erzählt er. Auf die Frage, ob er durch die Sehbehinderung bei seinen Konzerten etwas entbehren muss: "Eigentlich nicht. Ich kann zwar nicht sehen, ob die Leute Jeans, Minirock oder Krawatte tragen, aber ich kann die Stimmung fühlen. Ganz unvoreingenommen. Das ist ein schönes Erlebnis."

"Am Anfang eines Konzertes brauchen wir, das Publikum und ich, immer erst ein paar Takte, um die Unsicherheit zu überwinden, die vielleicht beim vorsichtigen Betreten der Bühne entsteht. Aber dann ist das Eis schnell gebrochen."

Vom Mississippi an den Rhein

Das rauchige Bob Dylan-Timbre oder die sanft-rockige Stimme von Elvis – Brandons Coversongs sind immer erstaunlich nah am Original. "Jahrelange Übung von Kindheit an", verrät Brandon über seine Elvis-Stimmlage und auch, dass er als Kind davon träumte, Lisa-Marie Presley zu heiraten, die Tochter des "King". "Sie hat sich leider anderweitig entschieden", scherzt er. Der Schmerz scheint überwunden.

Mit der Familie Presley kam er dennoch auf Tuchfühlung. Es begann mit einem Anruf aus Memphis (USA). "Ein gewisser Ryan Presley war auf der Suche nach einem Sänger aus der Nähe von Hochstadt in der Pfalz für ein transatlantisches Musikprojekt. Es dauerte ein paar Minuten, bis ich eins und eins zusammenzählen konnte", schildert Brandon das damalige Telefonat. Der Anrufer war ein Cousin von Elvis Presley.

Die Familie Presley stammt ursprünglich aus der Pfalz. Demnach soll Elvis, als er von 1958 bis 1960 als GI im hessischen Friedberg stationiert war, seine Großmutter nach Deutschland geholt haben. Als sie später in die USA zurückkehrte hatte sie die Familienbibel in Deutschlang liegengelassen. Sie lieferte vor wenigen Jahren die entscheidende Bestätigung, dass der Stammbaum der Familie des King korrekt rekonstruiert worden war.

Die Pfälzer Wurzeln der Presleys

"Jahrelange Forschungen beidseits des Atlantik hatten ergeben, dass die Familie Presley, damals 'Pressler', ursprünglich in Hochstadt bei Landau lebte und im Jahr 1709 in die USA auswanderte. Ein entsprechender DNA-Nachweis hat zuletzt diese These bestätigt." Chris Brandon stammt, wie die Vorfahren von Elvis, aus der Südpfalz, ist Sänger und virtuoser Interpret von Elvis' Songs – prädestiniert für Ryans geplantes Musikprojekt.

"Rhineland to Graceland" heißt nicht nur das 2017 in deutsch erschienene Buch, in dem die Familie Presley ihre Herkunftsgeschichte zusammen getragen hat, sondern auch das gemeinsame Musikprojekt von Chris Brandon und Ryan Presley als Hommage an Elvis. Brandon betreute die Übersetzung des Buches ins Deutsche, gemeinsam mit Ryan schuf er dazu den gleichnamigen Titelsong.

In der Folge komponierten beide den Song "Real Love", gemeinsam mit dem deutschen Musikproduzenten Conny Conrad. Der Titel landete in den US New-Musik-Country-Charts auf Platz 9. "Als die amerikanischen Zeitungen über das Musikprojekt berichteten, war hin und wieder vom 'blinden Ryan Presley' die Rede", erzählt Brandon. Als er Ryan darauf ansprach, dass es sich hier um eine Verwechslung handle, weil er ja der Blinde sei, erfuhr er, dass Ryan Presley ebenfalls fast erblindet ist.

Inzwischen hat sich eine enge Freundschaft entwickelt. "Wir wollten gerade mit weiteren Songs durchstarten, dann kam Corona." Brandon und Presley sind sich noch nie live begegnet. Doch die beiden stehen bereits in den Startlöchern, um ihr Projekt weiter voranzutreiben.

"Humor ist ein Schlüssel"

Chris Brandon ist ein positiver Mensch mit einer gesunden Lebenseinstellung. Vermisst er dennoch etwas? "Ja, ich bin ein positiver Mensch und ich habe einen großen Hunger auf Leben. Aber es ist auch nicht so, dass jeden Tag alles nur Sonnenschein ist. Einschränkungen gibt es natürlich viele. Ich kann zum Beispiel, wenn ich im Büro bin und etwas zu Hause vergessen habe, mich nicht schnell mal ins Auto setzen und heimfahren. Solche Situationen schaffen Abhängigkeiten. Ohne fremde Hilfe käme ich nach einem Auftritt niemals nach Hause, weil mich berechtigter Weise keiner ans Steuer lässt."

In seiner Talksendung bei Radio Regenbogen spricht der Hörfunkleiter mit Promis, wie Reinhold Messner, Thomas Gottschalk, Udo Lindenberg, dem Dalai Lama, Senta Berger. "Senta Berger hat mich einmal am Set in einem Wohnwagen zum Interview empfangen", erinnert sich Brandon. "Sie hat Humor. Als sie erfuhr, dass ich blind bin, sagte sie: "Achso, dann hätte ich ja gar nicht aufräumen müssen."

"Humor ist ein Schlüssel." Davon ist Brandon überzeugt. "Wenn man lachen kann, auch über sich selbst, hat man viel gewonnen. Meine Kinder haben natürlich, als sie klein waren, oft Hasenohren hinter meinem Rücken gemacht. Wir haben gemeinsam darüber gelacht, ich empfand es als ganz normal."

Brandon hadert nicht mit seinem Schicksal. "Meine Blindheit hat mich nie von etwas abgehalten. Bei uns zu Hause war das Thema keine sentimentale Angelegenheit. Selbst Radfahren und Rollschuhlaufen habe ich als Kind gelernt." Heute skatet er mit seiner Tochter um die Wette, mit dem Sohn macht er gelegentlich gemeinsam Musik. Auch möchte er nicht auf sein Handicap reduziert werden.

"Das ist es, was mich an Rock ‘n Roll schon immer fasziniert hat. Hier herrscht Chancengleichheit."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Chris Brandon
  • Website von Chris Brandon
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