Lebendige Werkstatt Benjamin Bigot ist Schuhmacher und Gastgeber

Benjamin Bigot ist Schuhmacher in Karlsruhe. Nach alter Handwerkskunst fertigt der Franzose hochwertige Schuhe für seine Kunden an. Abends, wenn die Werkstatt im Ortsteil Grötzingen geschlossen ist, werden Leisten und Leder beiseite geschoben. Dann wird Rotwein ausgeschenkt und die Schuhmacherei verwandelt sich in eine Bühne. Ein Ortsbesuch.
Es ist ganz still in der Werkstatt von Benjamin Bigot. An einem der Arbeitstische ist nur ein leises Hämmern zu hören, das gleich wieder verstummt. Der Schuhmacher sitzt an einem kleinen Tisch direkt am Fenster. Ein Laptop ist das Einzige, was in diesem Raum mit den großen Glasfenstern modern wirkt.
Ansonsten ist in der Manufaktur alles genau so, wie man sich traditionelles Handwerk vorstellt: große Arbeitstische aus Holz, unzählige Leisten, die von der Decke herabhängen – "alphabetisch nach Kunden geordnet", wie Benjamin Bigot erklärt. Dazwischen Lederstücke in verschiedenen Farben, Werkzeuge, auf einer Ablage fein aufgereihte, fertige Schuhe, in denen viel Herzblut steckt – "prêt-à-porter". Der 38-jährige Schuhmacher Bigot stammt aus Limoux in Südfrankreich. Mit Baskenmütze und seinem französischen Akzent ist er ein Exot im malerischen Grötzingen – auch wegen seines Berufs.
Seine Kunden wissen um den Wert der Schuhe
Mit 15 zog er zu Hause aus und machte sich auf in Richtung Marseille. Es folgten zwei Jahre Schuhmacherlehre und insgesamt sieben Jahre "Wanderschaft". In diese Zeit fällt auch die Ausbildung als Schuhmacher für Maßschuhe. "Abends nach der Arbeit ging es von 20 bis 23 Uhr weiter", erzählt er. Eine Mühe, die sich offenbar gelohnt hat. Seit mittlerweile zehn Jahren lebt und arbeitet Bigot mit seiner Frau und den beiden Kindern in Karlsruhe.
Beim Preis für ein Paar Schuhe aus seiner Werkstatt – Damen müssen rund 2.300 Euro und Herren mindestens 3.300 Euro aufwenden – könnte man meinen, dass nur gut betuchte Menschen den Weg zu ihm finden. Doch das sei nicht so, sagt Bigot. "Zu mir kommen auch ganz normale Leute. Die Menschen haben einfach erkannt, dass gute Schuhe sehr wichtig sind und lange halten. Jemand, der hier rein kommt, weiß meistens schon, dass er es mit einem hochwertigen Handwerk zu tun hat", sagt er.
"Die Kunden schätzen vor allem auch den Nachhaltigkeitsaspekt. Und natürlich, dass sie absolute Unikate besitzen, die nicht nur schön und individuell, sondern auch noch superbequem sind."
Die angefertigten Leisten sind Eigentum der Kunden und werden bei jeder Bestellung immer wieder neu angepasst. Bigot fertigt auch Schuhe für Leute mit Hallux valgus, Beinverkürzungen oder mit anderen Problemstellungen an. Das Besondere für seine Kunden ist der Prozess. "Das ist alles schon sehr persönlich. Man kommt in einen Dialog und die Kunden lassen sich gerne darauf ein", sagt Bigot. Wenn er erzählt, spürt man die Leidenschaft, mit der der Franzose bei der Sache ist.
Da es in Grötzingen nur wenige Schuster gibt, kommen die Leute auch mit kaputten Sohlen und zur Absatzreparatur in die Werkstatt in der Niddastraße. "Das mache ich natürlich alles mit, aber das ist nur ein ganz kleiner Teil meines Geschäfts", sagt Bigot. Mitarbeiter hat er nicht. Dafür aber immer wieder Praktikanten, etwa von der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim. Dort ist er auch selbst als Lehrbeauftragter tätig. "Die Praktikanten können hier ihre Kunstprojekte anfertigen und helfen gleichzeitig oft auch mit in der Werkstatt."
Nachts erwacht die Werkstatt
Um 17 Uhr macht Bigot in der Regel Feierabend. "Ich möchte die nächsten paar Jahre noch möglichst viel Zeit mit meinen Kindern verbringen, bevor sie groß werden", sagt der Schuhmacher. Doch es gibt eine Ausnahme. Alle acht Wochen erwacht die Werkstatt nach Feierabend jedoch zum Leben. Dann gibt Bigot nicht den Handwerksmeister, sondern tritt als Gastgeber und Theaterveranstalter auf.
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Zu ausgesuchten Stücken von Laienschauspielern und für ein kleines persönliches Publikum schenkt er dann französischen Rotwein aus und verteilt kleine Häppchen. Über die Jahre hat sich daraus eine Kultgemeinde aus Theaterbegeisterten, Kulturfans und Freunden entwickelt. "Wenn ich die Werkstatt abends schließe, dann möchte ich, dass es hier drin weiter lebendig bleibt", sagt Bigot.
- Eindrücke vor Ort
- Gespräch mit Benjamin Bigot