Schwerin Schwesig nimmt nach Krankheit Amtsgeschäfte wieder auf
Der erste öffentliche Auftritt von Manuela Schwesig (SPD) nach sechswöchiger Krankheitspause war symbolträchtig und bewusst inszeniert. Beherzt griff Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin zum Ladekabel und schloss ein bereitstehendes Elektro-Auto an. Die Botschaft war klar: Ich bin zurück, habe Energie und packe die aktuellen Probleme konsequent an.
Zuvor hatte sie erstmals seit ihrer Krebsnachsorge-Operation Mitte Februar mit anschließender ärztlich verordneter Schonzeit wieder eine Kabinettssitzung geleitet. In einer mehrstündigen Klausur beschloss die Regierung Zusatzausgaben für die Integration ukrainischer Kriegsflüchtlinge, zur Deckelung der Energiepreise und für eine beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien. Laut Schwesig stehe in diesem und im kommenden Jahr insgesamt 322 Millionen Euro für die Betreuung und Integration der Flüchtlinge bereit. 230 Millionen Euro steuere das Land zu der vom Bund beschlossenen Entlastung der Bürger von den hohen Energiepreisen bei. Dazu gehörten auch finanzielle Anreize für die Installation von Solaranlagen auf Privathäusern.
"Ich freue mich sehr, dass ich nach meiner Genesungsphase wieder an Bord bin. Mir geht es gut. Ich brauchte diese Zeit, um mich zu erholen. Und ich bin sehr froh, dass ich jetzt wieder die volle Kraft habe, um mich den Aufgaben für unser Land zu widmen", sagte die 47-Jährige nach der Sitzung. Gut sechs Wochen hatte Schwesig die Amtsgeschäft ruhen lassen. Nicht lange im politischen Alltagsgeschäft, geradezu eine Epoche aber in diesen Tagen, da Russland mit seinem Überfall auf die Ukraine den Krieg zurück nach Europa brachte - und Schwesig zur Kehrtwende in ihrer Haltung zu Russland zwang.
Länger als die meisten anderen Politiker auch ihrer eigenen Partei hatte sie an ihrem Russland-freundlichen Kurs festgehalten. Gegen Kritik führte sie den Russlandtag in Rostock weiter. Sie setzte sich gegen zunehmende Widerstände vehement für die Inbetriebnahme der Gasleitung Nord Stream 2 ein, die parallel zu Nord Stream 1 verläuft, durch die bereits seit mehr als zehn Jahren russisches Erdgas nach Lubmin bei Greifswald strömt. Und sie machte sich stark für die Gründung einer mit russischem Geld finanzierten Klimaschutzstiftung, die auch mit dafür sorgte, dass die Pipeline unter Umgehung von US-amerikanischen Sanktionen fertiggestellt werden konnte.
"Mit dem Wissen von heute waren die Unterstützung von Nord Stream 2 und die Stiftung ein Fehler. Und auch ich habe diesen Fehler gemacht", räumte Schwesig ein. Diese Fehler sollten nun behoben werden. Es sei gut, dass Nord Stream 2 gestoppt sei und dass die Stiftung abgewickelt werden solle, "auch wenn es rechtlich schwierig ist". Zudem werde nach Mitteln und Wegen gesucht, die 20 Millionen Euro, die Nord Stream 2 in die Klimaschutzstiftung einbrachte, der Ukraine zugute kommen zu lassen.
Dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, ging Schwesigs Eingeständnis nicht weit genug: "Und das war's? Fehler einzuräumen ist zwar gut. Politische Konsequenzen zu ziehen und die Nord-Stream-2-Katastrophe - auch aus deutscher Sicht - ehrlich aufzuarbeiten, sind halt zwei Paar Schuhe", twitterte er am Mittwoch. Melnyk hatte Schwesig zuvor wegen der Solidaritätsbekundungen mit der Ukraine Heuchelei vorgeworfen.
Schwesig bekräftigte, sie sei stets der Auffassung gewesen, dass es grundsätzlich richtig sei, im Gespräch zu bleiben, auch mit schwierigen Partnern. "Ich stehe dazu, dass wir einen Dialog mit dem Leningrader Gebiet geführt haben", sagte Schwesig. Es sei um Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur gegangen und Nord Stream 2 habe zum Leningrader Gebiet gehört.
Der russische Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar habe aber das Verhältnis Mecklenburg-Vorpommerns zu Russland grundlegend verändert. Die Verbindungen zum russischen Partnergebiet würden ruhen. "Dass Putin diesen Dialog zerstört mit seinem brutalen Angriffskrieg auf die Ukraine, ist klar. Ich hätte mir - wie viele andere - nicht vorstellen können, dass er das tut", sagte Schwesig. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin nannte sie einen "Kriegsverbrecher." Der Krieg müsse sofort gestoppt werden, forderte die SPD-Politikerin.
Ihr rascher Schwenk von der Unterstützung Russlands noch bis kurz vor Kriegsausbruch hin zu wortreichen Solidaritätsbekundungen gegenüber den Menschen in der Ukraine hatten ihr in den sozialen Medien auch massive Kritik eingebracht. Die oppositionelle CDU im Nordosten bezeichnete sie als "Wendehälsin".
Manuela Schwesig war nach der Diagnose Brustkrebs im September 2019 offen mit der Erkrankung umgegangen und hatte seinerzeit dafür viel Zuspruch erfahren. Auch nach ihrer Genesung äußerte sie sich immer wieder zu dem Thema. Mit einer Nachsorge-Operation, die wegen Corona mehrfach verschoben worden sei, sollten Folgen der intensiven Krebstherapie behoben werden, hatte die Regierungschefin Mitte Februar getwittert. Später berichtete ihre Staatskanzlei von zwei Eingriffen, von denen einer zehn Stunden gedauert habe.