Hannover Mehr als 1200 Menschen aus Niedersachsen werden vermisst
Sieben Wochen lang war ein elfjähriger Schuljunge aus Bad Essen verschwunden, die Polizei im Kreis Osnabrück suchte mit allen Mitteln nach ihm. Dann fand sich der Junge Mitte November nicht in Niedersachsen, sondern in Bayern in Bad Bocklet bei Bekannten seiner Großmutter. Das war einer der Vermisstenfälle des Jahres 2021, die glimpflich ausgingen. Andere Menschen verschwinden dauerhaft und spurlos, und manche von ihnen sind mutmaßlich einem Verbrechen zum Opfer gefallen.
Mehr als 1200 Menschen waren Mitte Dezember in Niedersachsen vermisst gemeldet. Dabei gehe der älteste gespeicherte Vermisstenfall auf das Jahr 1957 zurück, teilte das Landeskriminalamt in Hannover mit. Ende 2020 hatte die Dauerdatei mit dem unheimlichen Namen "Vermi/uTot" ((Vermisste/unbekannte Tote) knapp 1300 Vermisste verzeichnet.
In diesem Jahr seien bis zum 13. Dezember 7852 Menschen aus Niedersachsen vermisst gemeldet worden, sagte LKA-Sprecherin Antje Heilmann. In 7169 Fällen habe die Fahndung zurückgenommen werden können, die Vermissten seien gefunden worden.
Seit Jahresbeginn sind den Angaben nach 286 Kinder und Jugendliche verschwunden und noch nicht wieder aufgetaucht - ziemlich genau zur Hälfte Jungen, zur Hälfte Mädchen. Die Gründe des Verschwindens seien höchst unterschiedlich, sagte Heilmann. Jugendliche setzten sich oft aus Abenteuerlust ab oder sie flüchteten aus Einrichtungen des betreuten Wohnens. Bei kleineren Kindern gehe es oft um Kindesentziehung durch ein Elternteil.
Oder eben durch die Großmutter wie im Fall des Elfjährigen in Bad Essen. Die Polizei hegte schon kurz nach dessen Verschwinden Ende September den Verdacht, dass die Frau damit etwas zu tun haben könnte. Doch sie sagte auch in mehreren Befragungen nicht, wohin das Kind gebracht worden war. Die Polizei musste den Aufenthaltsort mühselig ermitteln. Gegen die Großmutter wie gegen ihre bayerischen Bekannten laufen Verfahren wegen Entziehung Minderjähriger.
Im April kurz nach Ostern wurde auch eine vermisste 16-jährige Schülerin aus Celle wohlbehalten gefunden, ihr Vater holte sie aus Paris ab. Zweieinhalb Wochen zuvor war sie spurlos aus ihrem Elternhaus verschwunden, hatte weder Geld noch Handy mitgenommen.
Deshalb befürchteten die Ermittler, das Mädchen sei Opfer eines Verbrechens geworden. Sie baten mit einem dramatischen Video auf Facebook die Öffentlichkeit um Mithilfe. Darauf gingen viele Hinweise ein. Der entscheidende Tipp kam letztlich aber von einer professionellen Fahnderin. Eine Beamtin des Bundeskriminalamtes (BKA) sah das Video. Dabei fiel ihr die frappierende Ähnlichkeit mit einem in Frankreich aufgegriffenen unbekannten Mädchen auf.
In der Region Hannover werden seit September eine Mutter und ihr elfjähriger Sohn vermisst. Der Junge hätte nach einem Urlaub zum Vater zurückkehren sollen, der das Sorgerecht hat. Von Mutter und Sohn gebe es weiterhin keine Spur, sagte ein Polizeisprecher vor Weihnachten.
Am Elbstrand in Drage wurden Ende April mutmaßlich menschliche Knochen gefunden. Damit keimte Hoffnung auf, einen Vermisstenfall vom Sommer 2015 zu klären. Damals waren im Dorf eine Mutter (43) und ihre Tochter (12) verschwunden. Der Familienvater (41) wurde ertrunken in der Elbe gefunden. Die Polizei vermutet seitdem, dass der Mann seine Familie tötete und Suizid beging. Doch die Analyse identifizierte den Knochenfund als den etwa 2800 Jahre alte Kiefer eines Mannes.
Im Bundesland Bremen galten Mitte Dezember 158 Personen als vermisst, davon waren 95 noch minderjährig. Insgesamt wurden in diesem Jahr 1534 mal Personen als verschwunden gemeldet. Allein ein 13-jähriger Dauerausreißer setzte sich 77 mal aus einer Krisenbetreuung ab. Ein Bremer Vermisstenfall von 2020 entpuppte sich in diesem Jahr als Verbrechen. Ein 46-Jähriger wurde mutmaßlich ermordet, seine Leiche wurde im November im niedersächsischen Umland der Hansestadt gefunden. Gegen drei Männer wird wegen Mordes ermittelt.