Umfrage Artenschutz oder Gefängnis? Das halten Experten von Zoos
Zoos – eine Chance für den Artenschutz oder Tiergefängnisse? Die Meinungen gehen auseinander. Eine Umfrage gibt einen Überblick.
Viele Tierschützer kritisieren Zoos, weil diese Lebewesen ausstellten, die in Gefangenschaft häufig litten. Zoos dagegen betonen ihre Rolle als Artenschützer. Wie steht es um die Tiere? Eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur gibt einen Überblick.
Laut Bundesumweltministerium hat sich Deutschland dazu verpflichtet, Tierarten innerhalb und außerhalb ihrer Lebensräume zu schützen. Damit seien vor allem Erhaltungszuchtprogramme in Zoos sowie Wiederansiedlungsprojekte im In- und Ausland gemeint, bei denen Tiere bedrohter Arten ausgewildert werden.
Zudem sei die Erforschung der Tierarten die Grundlage für Schutzmaßnahmen, heißt es in der Stellungnahme des Ministeriums. Dies könnten vor allem wissenschaftlich geführte Zoos in Zusammenarbeit mit Universitäten liefern. "Deutsche Zoologische Gärten haben sich seit Jahrzehnten durch ihre Bemühungen im Bereich des nationalen und internationalen Artenschutzes sowie der Erhaltungszuchten einen hervorragenden Ruf in der Welt erworben", sagte eine Ministeriumssprecherin.
Deutsche Tierschutzbund sieht Zoos kritisch
Auch für die Naturschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) spielen Zoos "eine wichtige Rolle für Bildung, Artenschutz und Forschung", wie Sprecher Tobias Arbinger sagte. Arten wie das Wisent oder der kalifornische Kondor wären demnach ohne Zoos ausgestorben. Er betonte aber auch: "Klar ist, dass es bei einem Zoobesuch nicht nur um Unterhaltung gehen darf." Sondern darum, Menschen für den Tierschutz zu begeistern: "Zoos sollten den Besuchenden am Gehege noch eindrücklicher vermitteln, wie es dem Tier im Freiland geht, warum es bedroht ist – etwa durch unser Konsumverhalten –, und zeigen, was man selbst und die Politik dagegen tun können." Zudem könne mehr in Artenschutzprojekte investiert werden.
Der Deutsche Tierschutzbund sieht zwar positive Aspekte mit Blick auf den Artenschutz, bewertet Zoos aber kritischer. Es sei bei den verschiedenen Tierarten unterschiedlich, ob eine artgerechte Haltung möglich sei, sagte Sprecherin Hester Pommerening: "Tierarten, deren anspruchsvollen Bedürfnissen man in Gefangenschaft grundsätzlich nicht gerecht werden kann, haben heutzutage in Zoos nichts verloren. Dazu zählen Eisbären oder Delfine."
Auch andere Tiere litten in Zoos: Großkatzen entwickeln demnach in zu kleinen Gehegen Verhaltensstörungen, Elefanten vermissen ihre Familiengruppen, Vögeln werden teils die Flügel beschnitten, um sie flugunfähig zu halten. Einige Zootiere liefen im Kreis oder fräßen ihre Exkremente.
Aus Tierschutzsicht sei die Haltung im Zoo nur dann zu rechtfertigen, "wenn Haltung, Fütterung, Sozialstruktur und Beschäftigungsmanagement optimal auf die Bedürfnisse der jeweiligen Tiere angepasst sind und die Haltung nachweislich einen pädagogischen Mehrwert mit sich bringt sowie zum Erhalt der vom Aussterben bedrohten Arten beiträgt", sagte die Sprecherin.
150.000 Tierarten für Rote Liste überprüft
"Nach wie vor findet man in nahezu jedem Zoo Haltungen vor, die unzureichend oder veraltet sind oder nicht einmal den vorgegebenen Mindestanforderungen genügen." Wiederansiedlung im Sinne des Artenschutzes sei wegen der schwindenden Lebensräume oft nicht möglich – und bei "Vorzeigearten" wie Elefanten, Tigern, Pinguinen, Kängurus oder Giraffen auch nicht vorgesehen.
Zwar seien 50 weltweit mit Hilfe von Zoos gerettete Tierarten ein Erfolg, dies sei im Vergleich zu den vom Aussterben bedrohten Arten jedoch nur ein "Tropfen auf den heißen Stein". Laut Weltnaturschutzunion wurden – mit Stand Dezember 2022 – mehr als 150.000 Arten für die Rote Liste überprüft, mehr als 42.100 Arten davon seien bedroht. "Statt in Zoos auf lange Sicht nur lebende Museumstiere zu "erhalten", müssen wir Artenvielfalt vor allem in der Natur bewahren", forderte die Sprecherin. Zoos der Zukunft sollten es sich "zur Aufgabe machen, ihre Haltungsbedingungen stetig an neue, wissenschaftliche Erkenntnisse anzupassen und den Fokus auf weniger, aber dafür besser gehaltene Arten zu legen".
Peta kritisiert Einsatz von Psychopharmaka
Die Tierrechtsorganisation Peta lehnt Zoos in ihrer derzeitigen Form ab, "weil sie keinen effizienten Beitrag gegen das Artensterben leisten, oftmals ein falsches Bild von Tieren und ihrer Lebensweise vermitteln und Bildungsmaßnahmen sehr gut ohne das Einsperren von Tieren funktionieren", betonte Peta-Biologin Yvonne Würz. Tiere in Zoos seien "reine Ausstellungsstücke, die so gut wie nie ausgewildert werden".
Auch kämen Medikamente wie Psychopharmaka zum Einsatz, um Tiere ruhig zu stellen und Verhaltensstörungen zu überdecken. Zoos bewirkten also, dass die Gesellschaft weiterhin an der "Nutzung von Tieren" zu menschlichen Zwecken festhalte. Künftig sollten Zoos zu Auffangstationen für Tiere aus schlechter Haltung umgewandelt werden.
Der Verband der Zoologischen Gärten, der 71 wissenschaftlich geführte Zoos vereint, sieht das anders. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich laut Sprecherin Astrid Falter viel verbessert – gemeinsame Haltung verschiedener Arten, Gestaltung der Gehege nach Landschaftsvorbildern, Beschäftigung der Tiere durch Futterverstecke, Gerüche und medizinisches Training. "Es gibt aber noch sehr viel Forschungsbedarf", sagte sie.
"Man sollte aber auch nicht vergessen, dass viele Tierarten in ihren natürlichen Lebensräumen nicht freiwillig oder allein aufgrund von Bewegungsdrang viele Kilometer unterwegs sind", betonte sie. "In der Natur bewegen sich die Tiere auch, um Feinden aus dem Weg zu gehen, um Partner zu finden, um soziale Spannungen zu vermeiden. Diese Faktoren werden im Zoo weitestgehend ausgeschaltet." Zootiere würden meist älter als in freier Wildbahn.
Zoo Hannover unterstützt Sahara Conservation Fund
Die Sprecherin betonte, dass der wirtschaftliche Profit bei Zoos im Hintergrund stehe. Häufig betrieben Städte die Zoos, oder sie seien gemeinnützige Betriebe. Dennoch unterstützten die Zoos im Verband 2021 laut Falter Naturschutzprojekte mit etwa neun Millionen Euro. Ein Paradebeispiel sei der Zoo in Hannover, der den Sahara Conservation Fund finanziell unterstützt. Zwei Tierarten stehen dabei im Fokus: die Mendesantilope (Addax) und der Nordafrikanische Rothalsstrauß – beide gehören nicht zu den Hauptattraktionen im Zoo. In ihrem natürlichen Lebensraum in der Sahara gebe es beispielsweise nur noch weniger als 100 Mendesantilopen.
Die Zoos im Verband registrieren zudem jährlich mehr als 40 Millionen Besuche und zählen damit laut Falter "zu den besucherstärksten und bedeutsamsten außerschulischen Bildungsorten im grünen Bereich und tragen dazu bei, die Öffentlichkeit für die Bedeutung des Artenschutzes zu sensibilisieren."
Fazit: Mit Ausnahme von Peta sind die befragten Tier- und Naturschützer für den Erhalt von Zoos und erkennen deren Bedeutung für den Artenschutz und die Umweltbildung an. Sie sind sich aber auch weitgehend einig, dass Zoos sich stärker an wissenschaftlich festgestellten Bedürfnissen der Tiere orientieren und auf einige nicht artgerecht haltbare Tiere verzichten sollten. Zudem sollten sie demnach Anlagen weniger auf Unterhaltung als auf Bildung ausrichten und ihre Artenschutzbemühungen ausbauen.
- Nachrichtenagentur dpa