Kurswechsel in Richtung Zukunft So sollen urbane Konzepte Innenstädte in Bremen und Niedersachsen attraktiv machen
In Niedersachsen und Bremen stellt man sich aktuell die Frage, wie eine attraktive Innenstadt aussieht. Dabei haben die einzelnen Städte ganz unterschiedliche Konzepte entwickelt.
Viele Kommunen in Niedersachsen stemmen sich mit urbanen Konzepten, Kulturangeboten und Verkehrsplänen gegen drohende Abwanderung und Leerstand in den Innenstädten. Die Pandemie hat die Entwicklung beschleunigt, nicht verursacht. Bei den Zukunftskonzepten gehen die Städte unterschiedliche Wege. Alle eint das Ziel, die Kaufkraft zu binden, die Verweildauer zu verlängern und die Attraktivität zu erhöhen.
Zentral ist für den stationären Handel die Erreichbarkeit. Dabei ist das Auto nicht unbedingt der Liebling der Stadtplaner. "In manchen Oberzentren gibt es oft das Thema, dass Parkplätze oder weitere Verkehrsbereiche weggenommen werden", sagte Mark Alexander Krack, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Niedersachsen/Bremen, der dpa. "Das bereitet den Händlern dann schon Kummer, und die Attraktivität droht weiter zu sinken."
Konzepte für Innenstädte in Bremen und Braunschweig
Bremen formulierte seine Ziele unter anderem in einem 88 Seiten starken Konzept "Strategie Bremen Centrum 2030+". "Das Zentrum wird fit für die Zukunft, indem wir es wieder zu einem Sehnsuchtsort machen - zu einem Ort der Begegnung und des Verweilens", bringt es darin Jacobs-Vorstandschef Johann Christian Jacobs auf den Punkt. Der Kaffeekonzern eröffnete im Juli 2020 sein neues Stammhaus an der Bremer Obernstraße.
Die Hansestadt umwirbt mit Wettbewerben und mietfreien Anlaufzeiten "Pop-up"- und "Concept Stores", um Leerstände zu vermeiden. Ein Pop-up-Store ist ein Laden, den es nur vorübergehend gibt und der nach einer bestimmten Zeit weiterzieht. Concept-Stores bieten einen Mix aus Marken und Veranstaltungen wie eine gläserne Produktion an.
Braunschweig setzt in der Innenstadt auch auf Mietzuschüsse bei der Eröffnung inhabergeführter Einzelhandelsgeschäfte. Kürzlich verlängerte die 250.000-Einwohner-Stadt eine im Juni 2021 eingeführte Regelung bis Ende 2023. Aus dem Existenzgründungsfonds werden bis zu sechs Monate lang 50 Prozent der Nettokaltmiete übernommen. Die maximale Fördersumme beträgt 7500 Euro, also 1250 Euro pro Monat. Allerdings: Das Angebot wurde nach Angaben der Stadt bislang einmal in Anspruch genommen.
Die EU hat millionenschwere Programme wie "Perspektive Innenstadt" und "Resiliente Innenstädte" aufgelegt, von denen Länder und Kommunen profitieren. Damit solle auch der Gefahr einer Verödung der Innenstädte entgegengewirkt werden, wie die Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen (NBank) erläutert.
Die Förderprogramme seien "Fluch und Segen zugleich", sagt Fabio Ruske vom Niedersächsischen Städtetag. Denn die Antragsverfahren seien für viele Kommunen zu umständlich, kompliziert und langwierig. "Möglichst einfach, möglichst unbürokratisch" seien die Erwartungen der Kommunen.
Konzepte in Göttingen und Hannover
In Göttingen haben in den vergangenen Jahren zahlreiche inhabergeführte Geschäfte in der Altstadt geschlossen. Meist gingen die Besitzer und Besitzerinnen in den Ruhestand, ohne einen Nachfolger zu finden. Die Leerstände werden für gewöhnlich aber schnell neu belegt. Ein Grund dafür ist aus Sicht von Frederike Breyer, Geschäftsführerin der Göttinger Kaufmannschaft Pro City, die Zusammensetzung der Innenstadt. "Es wohnen knapp 10.000 Menschen innerhalb des Stadtwalls. Es gibt Arbeitsplätze, Arztpraxen, Spielplätze und Ausgehmöglichkeiten." Gleichzeitig sei eine Verlagerung festzustellen: Einzelhändler würden oft durch gastronomische Angebote ersetzt.
Nach Auskunft der Stadt Hannover hat sich die Situation in der City der Landeshauptstadt im Vergleich zur Pandemie-Zeit weitgehend erholt. "Die Passantenströme liegen durchschnittlich etwa 10 bis 15 Prozent unter denen vor Corona", sagt Stadtsprecher Dennis Dix. Allerdings verliere der Einzelhandel die Leitfunktion in der Innenstadt, den er Jahrzehnte innehatte. Mit einem Innenstadtdialog sucht Hannover Ideen, um die Stadt attraktiver zu machen. Dazu gehören laut Dix "weniger Autos in der City, mehr Grün und Kunst". Davon profitiere auch der Einzelhandel.
Der Verwaltung zufolge gibt es in Hannovers Innenstadt keinen "strukturellen Leerstand", sondern sogar Neuansiedlungen in 1a-Lagen, etwa von Zalando, Dr. Martens sowie Lego. Die angekündigte Schließung des Galeria-Kaufhauses an der Marktkirche bedeute allerdings einen bedauerlichen Einschnitt.
Konzepte in Lüneburg und Langenhagen
Lüneburg ist eine von bundesweit 14 Modellkommunen beim Projekt Stadtlabore für "Deutschland: Leerstand und Ansiedlung" und die einzige Teilnehmer-Stadt in Niedersachsen. Das Ziel: Mit einem digitalen Tool einen ganzheitlichen Überblick zu aktuellen Leerständen, der Immobilienstruktur und angebotenen Verkaufsflächen zu erhalten, aber auch passenden Anbietern ein proaktives Ansiedlungsmanagement zu schaffen. "Kurz gesagt, geht es darum, Angebot und Nachfrage auf diesem Gebiet digital zu matchen", so eine Stadtsprecherin.
Die Förderung wurde für Langenhagen (Region Hannover) am Montag ganz konkret: Sie erhielt drei Bescheide in einer Gesamthöhe von knapp 131.000 Euro aus dem EU-Sofortprogramm "Perspektive Innenstadt". Unter anderem soll damit ein Rahmenplan erstellt werden, um konzeptionelle Ansätze zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Stadtmitte zu finden.
Konzepte in Hildesheim, Peine und weiteren Orten
In Hildesheim stehen in der Arneken-Galerie teils große Ladenflächen leer. Wie die "Hildesheimer Allgemeine Zeitung" berichtete, räumte der Manager des Einkaufszentrums eine "schwierige Umbruchphase" ein. Unter anderem zogen der Elektronikmarkt Saturn und das Sportgeschäft Intersport aus.
Mancherorts werden auch ganze ehemalige Kaufhauskomplexe abgerissen, um Innenstadtbereiche komplett neu zu planen. Ein solcher Fall ist die Kreisstadt Peine zwischen Braunschweig und Hannover. Dort wurde eine frühere Karstadt- und Hertie-Filiale nebst Parkdeck und angeschlossenen Ladenpassagen nach langem Hin und Her über die Nachnutzung letztlich auf mehr als 20.000 Quadratmetern Grundfläche dem Erdboden gleichgemacht. Das jetzt geplante "Lindenquartier" soll große wie kleine Geschäfte, aber auch Gaststätten, Arztpraxen, Büros und Wohnungen umfassen und eine Art neuer Stadtteil werden.
Die Kommune beauftragte zunächst einen Immobilienentwickler aus Hannover. Dieser verkaufte das Projekt im Frühjahr an andere Investoren. Fertiggestellt sein soll das Areal nach dessen Angaben Mitte bis Ende 2023. "Es ist oft schwierig, für große ehemalige Kaufhausflächen neue Akteure zu finden", meint Krack vom Handelsverband hierzu. "Das geht manchmal nur mit Abriss und der Aufteilung der alten Struktur in neue, kleinere Einheiten."
- Nachrichtenagentur dpa