Coming-out-Tag angekündigt Schwulsein im Fußball: "Umgang wieder feindseliger"
Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Homosexualität ist im Fußball nach wie vor ein heikles Thema. Dieser 17. Mai soll ein Coming-out-Tag für schwule Profifußballer werden. Ein Gespräch mit einem Hamburger, der sich seit Jahrzehnten für queere Menschen im Fußball starkmacht.
Noch nie hat sich im deutschen Profi-Fußball ein aktiver Spieler geoutet. Marcus Urban, schwuler Ex-Jugendnationalspieler will das ändern. Er plant am 17. Mai, dem internationalen Tag gegen Homophobie, ein Gruppen-Outing von Fußballern. Er möchte schwulen Spielern so eine Plattform bieten.
Alexander von Beyme hingegen warnt davor, sich davon zu viel zu erwarten. Er ist im queeren Sportverein Startschuss in Hamburg als ehrenamtlicher Abteilungsleiter aktiv. Die Leidenschaft für den Fußball ergriff ihn selbst erst mit Anfang 20. Da befand sich von Beyme gerade mitten in seiner Coming-out-Phase. Sich in einem gewöhnlichen Fußball-Verein als Anfänger und Schwuler zu behaupten? Das traute er sich damals nicht zu. Also trat er in einen queeren Verein ein.
Zum nahenden angekündigten Coming-out-Tag im Profifußball hat t-online mit von Beyne über Homosexualität im Fußball geredet – und darüber, was sich noch verändern muss.
t-online: Herr von Beyme, wie ist die Situation von schwulen Spielern im deutschen Fußball?
Alexander von Beyme: Der Verein Startschuss gründete sich vor mehr als 30 Jahren aus dem Gefühl heraus, dass es völlig unmöglich ist, als Schwuler Fußball zu spielen. Damals war man überzeugt, dass es Safe Spaces braucht. Lange Zeit kamen hier Mitspieler zusammen, die draußen teilweise sehr hässliche Erfahrungen gemacht haben. Heute sieht das etwas anders aus. Wir haben ein paar Spieler, die mit uns trainieren und gleichzeitig im Hamburger Ligabetrieb unterwegs sind. Es gibt also durchaus positive Geschichten, die wir früher nicht erzählen konnten. In der jüngsten Vergangenheit bemerken wir aber den Trend, dass der Umgang teilweise wieder feindseliger wird.
Queerer Aktionstag zur Fußball-WM
Am 6. Juli organisiert der Verein Startschuss anlässlich der EM 2024 einen queeren Fußball-Aktionstag. Auf dem Heiligengeistfeld in St. Pauli treten dann mehrere internationale Gruppen und Vereine in einem Turnier gegeneinander an. Dazu gibt es es Show-Acts, Interviews und Diskussionen mit Gästen aus Politik und Sport geben.
Trifft diese Feindlichkeit schwule Spieler überall? Oder ist die Situation beispielsweise in Großstädten besser als auf dem Land?
Man kann nicht grundsätzlich zwischen der weltoffenen, liberalen Stadt und dem kleinen, rückständigen Dorfverein unterscheiden. Ich kenne total mutmachende Geschichten vom Dorf. Etwa aus Schleswig-Holstein, wo der Trainer im Verein verkündet: "Der Toni, der hat sich jetzt geoutet. Und wenn jemand was gegen unseren Toni sagt, dann fliegt der sofort aus der Mannschaft". Und damit war die Sache erledigt. Probleme hat man überall dort, wo weggeschaut wird.
Wie ist denn der Umgang mit Queerness bei den größeren Vereinen in Hamburg?
Der FC St. Pauli war schon immer offensiver unterwegs. Angefangen bei der Regenbogenflagge, die dauerhaft über dem Stadion weht. Das gehört zur Vereins-DNA. Aber auch beim HSV, der früher noch sehr viel konservativer auftrat, hat sich einiges getan. Das sehen wir auch in unserer eigenen Vereinsarbeit: Wenn wir Unterstützung brauchen, sind sie für uns da.
Trotzdem war 2022 bei einem HSV-Spiel ein Fan-Banner zu sehen, auf dem das Wort schwul als Beleidigung gebraucht wurde.
Ein sehr zentraler Fortschritt der vergangenen Jahrzehnte ist, dass sich Vereine heute offen gegen solche Vorfälle positionieren. Und dass Entscheidungsträger, wie in diesem Fall vom HSV, Verantwortung übernehmen. Das ist wichtig. Es klingt selbstverständlich, ist es aber nicht.
Was muss sich denn verändern, damit offen schwule Männer mit einem guten Gefühl in Vereine eintreten können und sich akzeptiert fühlen?
Ein gewisses Misstrauen ist auf jeden Fall da. Ich bin aber überzeugt – auch wenn es nach einem Klischee klingt – dass kleine Symbole wie Regenbogenflaggen einiges bewirken können. So was ist unglaublich wichtig, auch auf Amateurebene. Symbole wie Regenbogenflaggen zeigen, dass in einem Verein Gespräche geführt werden und sexuelle Vielfalt erwünscht ist.
In einer Woche könnte es zu mehreren Coming-outs im Profifußball kommen. Was könnte das bewirken?
Mir bereitet die Fokussierung auf Profis und deren Coming-out schon immer ein wenig Unbehagen. Natürlich brauchen wir Vorbilder im Profifußball. Sie können zeigen, was möglich ist – und dass der Fußball für alle da ist. Aber wir müssen auf keinen Profi warten, denn es liegt an jedem einzelnen von uns, das Klima im Amateurbereich zu verbessern. Und nur, weil viele Fans toleranter werden, darf nicht von den Spielern erwartet werden, dass sie sich deshalb outen müssen. Jede Coming-out-Geschichte ist persönlich und individuell. Hinzu kommt, dass viele Sportler mit Leidenschaft für das Toreschießen im Finale bekannt werden wollen und nicht dafür, schwule Fußballspieler zu sein. Aber auch das ist individuell. Es gibt sicher Profispieler, die sich outen wollen – aber womöglich in einem anderen Rahmen. Vielleicht nachdem man ein Tor im Finale geschossen hat und nur kurz in die Kamera schaut und sagt: "Ach übrigens, das Tor widme ich meinem Freund", um dann ohne weitere Erklärung in die Kabine zu gehen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr von Beyme.
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