Q-Fieber ausgebrochen "Auf keinen Fall steht uns eine größere Epidemie bevor"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.In Niedersachsen ist das Q-Fieber ausgebrochen. Für die relativ unbekannte Krankheit gibt es aber nur wenige Risikogruppen.
Das im Kreis Lüneburg ausgebrochene Q-Fieber ist keine große Gefahr für die Gesundheit. Der Erreger ist ein Bakterium, das seit fast 100 Jahren bekannt ist, sagt Infektiologe Johannes Jochum vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Im Interview mit t-online stellt der Experte klar: Uns droht unter keinen Umständen eine neue Epidemie wie vor drei Jahren, als das Coronavirus um die Welt ging. Gefährlich kann die Krankheit, die meist unter Tieren grassiert, nur für ganz spezielle Gruppen werden.
t-online: Herr Jochum, können Sie schon sagen, wie es zu diesem Ausbruch im Landkreis Lüneburg kommen konnte?
Johannes Jochum: Das kann man im Nachhinein schwierig nachvollziehen. Wir wissen, dass es eine sehr seltene Erkrankung in Deutschland ist, die sporadisch immer mal wieder auftritt. Wir haben in den letzten Jahren in Deutschland immer so zwischen 50 und 400 Fälle, im Durchschnitt 200 gehabt. Das ist einfach eine Möglichkeit, dass das bei Schafen oder Ziegen oder auch anderen Wiederkäuern sporadisch mal auftritt. Diese können sich bei anderen Tieren angesteckt haben, wobei neben infiziertem Staub und direktem Kontakt auch Zecken eine Rolle spielen können.
Kommt jetzt eine neue Epidemie auf uns zu?
Nein, auf keinen Fall steht uns eine größere Epidemie bevor. Wir haben konstant niedrige Zahlen und das seit Jahren. Die bisherigen Ausbrüche sind immer von alleine wieder abgeebbt, auch wenn es in einzelnen Fällen mehrere Hundert Infizierte waren. Der Schwerpunkt ist eher in Süd- und Mitteldeutschland. Baden-Württemberg ist das Bundesland, das am meisten betroffen ist, dann folgen Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen. In Norddeutschland sind in den letzten 20 Jahren lediglich vereinzelte Fälle nachgewiesen worden, in Niedersachsen nie mehr als 20 pro Jahr.
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Wie wird das Bakterium verbreitet und übertragen?
Der wichtige Unterschied zum Coronavirus ist, dass es so gut wie nie von Mensch zu Mensch übertragen wird. Einzige Ausnahme sind gebärende Frauen, die den Erreger bei der Geburt ausscheiden können oder an das Kind weitergeben können. In so einem hypothetischen Fall müsste das Klinikpersonal sich mit Maske und Kittel schützen. Wenn ein Arbeitskollege oder jemand im eigenen Haushalt infiziert ist, besteht praktisch keine Gefahr. Es handelt sich eigentlich immer um Übertragungen von Tieren oder durch mit diesem Bakterium verunreinigten Staub, der aus den Stallungen der Tiere kommt. Das heißt, es sind vor allem Menschen betroffen, die engen Umgang mit infizierten Tieren haben. Theoretisch besteht die Möglichkeit, dass infizierter Staub mit dem Wind verwirbelt wird und man sich auch mehrere Kilometer entfernt davon anstecken kann. Das sind aber im Vergleich zu denen, die sich direkt auf dem Hof infizieren, seltene Fälle. Außerdem ist die Übertragung durch nicht-pasteurisierte Milch und vereinzelt durch Sexualkontakte bereits vorgekommen.
Wie gefährlich kann eine Erkrankung für einen Menschen werden?
In mehr als der Hälfte der Fälle verläuft die Erkrankung komplett asymptomatisch. Treten Symptome auf, verläuft die Erkrankung in bis zu 90 Prozent der Fälle wie ein milder, unspezifischer Infekt mit Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen. Nur in der Minderzahl der Fälle kommt es zu einer schweren akuten Krankheit mit einer Lungenentzündung, sehr hohem Fieber oder einer Leberentzündung. Schätzungsweise ein Prozent der Infizierten können eine chronische Infektion mit Entzündungen der inneren Organe wie den Herzklappen, der Knochen oder der Leber entwickeln. Menschen mit künstlichen Herzklappen sind eine Risikogruppe. Das ist dann etwas, was ernst ist und unbedingt konsequent behandelt werden muss.
Info-Veranstaltung des Landkreises Lüneburg
Der Landkreis Lüneburg lädt Interessierte zu einer Info-Veranstaltung am 8. März (17 Uhr). Die Leiterin des Lüneburger Gesundheitsamts und Experten des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie des Bernhard-Nocht-Instituts Hamburg informieren zu diesem Thema. Weitere Informationen finden Sie hier.
Unter welchen Umständen ist denn eine Testung auf den Erreger jetzt notwendig?
Wenn Menschen im räumlichen Umfeld des aktuellen Ausbruchs akute und schwere Erkrankungen haben, die man nicht anders erklären kann und die nicht auf übliche Therapien ansprechen, sollte im Blut nach den entsprechenden Antikörpern gesucht werden. Auch bei unerklärten chronischen Erkrankungen – insbesondere Herzklappenentzündungen oder anhaltendem Fieber – würde ich eine gezielte Diagnostik empfehlen.
Wie sieht in einem solchen Fall die Therapie aus?
Das sind spezielle Antibiotika, die über eine unterschiedlich lange Zeit angewendet werden. Es sind Antibiotika nötig, die auch Bakterien, die sich im Inneren der menschlichen Zellen aufhalten, erreichen können, wie zum Beispiel Doxycyclin. Bei einer akuten Infektion wie einer Lungen- oder Leberentzündung würde man das ungefähr für zwei Wochen als Tablette verabreichen. Wenn es eine chronische Infektion ist, zum Beispiel der Herzklappen, dann wird die Therapie sehr lange durchgeführt, für ein Jahr oder sogar länger. In diesen sehr, sehr seltenen Fällen kann es auch sein, dass es weitere therapeutische Maßnahmen braucht, wie der chirurgische Ersatz der betroffenen Herzklappen.
Kann das Bakterium Mutationen bilden, wie wir es bei Corona erlebt haben?
Wir haben seit Jahrzehnten Daten zu dem Erreger, der schon vor beinahe 100 Jahren erstmals beschrieben wurde. Bis dato hat das Bakterium keine Tendenz gezeigt, sich im Sinne einer besseren Übertragbarkeit von Mensch zu Mensch zu verändern.
- Telefonisches Interview mit Johannes Jochum am 2. März 2023
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa