Ukraine-Krise Wie sich Rechtsextremisten in Friedensdemos mischen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Aktivisten der neonazistischen Partei "III. Weg" beteiligten sich auf Friedenskundgebungen in Frankfurt. Ukrainische Demonstrantinnen distanzieren sich klar. Auch OB Peter Feldmann findet deutliche Worte.
Auch an diesem Freitag steht Kateryna von Bonin wieder vor dem russischen Generalkonsulat – wie jeden Tag seit Beginn der russischen Invasion auf die Ukraine. Von Bonin sieht müde aus, lächelt aber, als sie sieht, dass wieder viele Menschen gekommen sind, um mit ihr gemeinsam zu demonstrieren. Allerdings mischen sich nicht nur friedliche Demonstranten unter die Menge.
Erst vor wenigen Tagen waren Aktivisten der neonazistischen Partei "III. Weg" auf einer Kundgebung vor dem russischen Generalkonsulat. Dies belegen Fotos auf der Webseite der Partei. Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, VVN-BdA, teilten die Bilder auf ihrem Twitter-Profil.
"Ich habe noch keinen von diesen Aktivisten gesehen", sagt von Bonin. Auch Flaggen oder andere rechtsextremistischen Symbole seien ihr bisher nicht aufgefallen. "Allerdings werden wir von prorussischer Seite Nazis genannt", so die mehrfache Mutter. Ihr 63-jähriger Vater kämpft gerade in der Ukraine.
Auch wenn von Bonin keine Rechtsextremisten gesehen haben will, ist auf dem Foto deutlich zu erkennen, dass ein Aktivist vom "III. Weg" am russischen Generalkonsulat steht. Auf dem Bild trägt er eine Mütze mit dem Logo der Partei. In seiner Hand hält er das Emblem des rechtsextremistischen Asow-Regiments. Hierbei handelt es sich um eine paramilitärische ukrainische Gruppe, die gegen prorussische Separatisten im Südosten der Ukraine kämpfte und als wichtigste rechtsextreme Bewegung in der Ukraine gilt.
Enge Verbindungen zwischen "III. Weg" und ukrainischen ultranationalistischen Paramilitärs
Zwischen der Asow und dem "III. Weg" bestehen enge Verbindungen. So sollen etwa Asow-Vertreter bei Veranstaltungen des "III. Weg" in Deutschland gewesen sein. Der bekannte rechtsextreme Thüringer Tommy Frenck hatte dazu aufgerufen, sich dem bewaffneten Kampf in der Ukraine anzuschließen.
Die gebürtige Ukrainerin Natalia war bereits auf mehreren Kundgebungen in Frankfurt. Rechtsextreme Aktivisten habe auch sie bisher nicht gesehen: "Zum Glück", so die Studentin. "Wir wollen hier friedlich demonstrieren – da gibt es keinen Platz für Leute, die meinen, diesen Konflikt ausnutzen zu können."
Wenige Meter entfernt vom Konsulat findet eine weitere Demonstration statt – organisiert von den Parteijugendorganisationen der Ampelkoalition –Jusos, Grüne Jugend und Junge Liberale. "Wir werden es nicht tolerieren, dass eine friedliche Kundgebung für Frieden und Freiheit durch die Verbreitung rechtsextremistischen Gedankengutes missbraucht wird", sagt Parick Schütz von den Jungen Liberalen.
Flagge von ukrainischen Rechtsextremisten auf Friedenskundgebung
Eine Woche zuvor, am 24. Februar, nahmen Aktivisten vom "III. Weg" in der Frankfurter Innenstadt auch an einer Solidaritätskundgebung teil. Das zeigt ein Foto und ein Beitrag auf der Webseite der Partei. Brisant in dem Zusammenhang ist auch, dass auf dem Foto ein Teilnehmer eine rot-schwarze Flagge schwenkt.
Die Flagge ist der ukrainischen Organisation "Prawyj Sektor" (Rechter Sektor) zuzuordnen. Die Gruppe tritt als paramilitärische Organisation auf. Sie spielte bei den Euromaidan-Protesten im Jahr 2014 eine immer entscheidendere Rolle. In der Westukraine wurden die Kämpfer als Helden gefeiert. Im Osten des Landes und in Russland gilt der "Prawyj Sektor" als Beweis dafür, dass der Machtwechsel in Kiew nichts Weiteres als ein faschistischer Putsch war.
An der Kundgebung nahm auch Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) teil. Er verurteilt die Teilnahme der Rechtsextremisten sowie das Zeigen der Flagge des "Prawy Sektor" scharf. "In meiner Rede an der Hauptwache habe ich deutlich gesagt: 'Wir überlassen das Feld nicht denen, die Hass schüren'".
In Frankfurt sei kein Platz für Rechtsextremisten, für Antisemiten und Rassisten. "Erst recht nicht, wenn hier eine gute Sache, nämlich die Solidarität mit den Menschen in der Ukraine, von einigen wenigen für das Köcheln einer braunen Suppe missbraucht wird", sagt Feldmann.
Die Demonstration wurde vom Ukrainischen Verein organisiert. Anfragen von t-online, wie der Verein sich dazu positioniert, blieben unbeantwortet.
- Eigene Recherche
- Reporterin vor Ort