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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Friedensdemos für Ukraine "Sie nennen uns Nazis"
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine finden in Frankfurt täglich Demonstrationen statt. Viele Menschen machen sich Sorgen – und solidarisieren sich mit mehr als 2.300 in der Stadt lebenden Ukrainern.
Jumas Medoff steht in der Frankfurter Innenstadt mit einem Headset im Ohr und blickt auf ein Meer von Umzugskartons und Plastikcontainern. Um ihn herum sortieren einige Helfer und Helferinnen Medikamente, Lebensmittel oder Hygieneartikel.
"Wir packen die Spenden in eigene Kartons, die dann per Lastwagen direkt an die Grenze gefahren werden", erzählt Medoff, während er Windeln in eine Kiste legt. Der Vorsitzende der kommunalen Ausländervertretung koordiniert Hilfsgüter für Schutzsuchende an der polnisch-ukrainischen Grenze.
Minütlich kommen weitere Menschen hinzu, um zu spenden. In einer Drogerie an der Ecke zur Hauptwache werden spontane Einkäufe getätigt, viele Frankfurter wollen ihren Beitrag leisten. "Das ist wirklich schön", sagt Silvia Motzelowska-Dietmar. Sie steht mit umgebundener Ukraine-Flagge vor der Spendenstation. "Es gibt einem Kraft."
An der Frankfurter Hauptwache werden Hilfsgüter gesammelt
Eine der Helfenden an der Hauptwache ist Anastasia. Ihre Familie kommt aus Belarus. Auch sie ist besorgt über die Situation. "Aber wenigstens kann ich so helfen."
Anastasia hat erst kurz vorher von der Spendenaktion über Social Media erfahren. Ihr Vater arbeitet für eine ukrainische Spedition, kann aber aufgrund der aktuellen Situation seine gewohnte Strecke nicht fahren. "Ich habe ihn aus der U-Bahn heraus angerufen und ihn gefragt, ob er die Hilfsgüter an die ukrainische Grenze bringen kann", berichtet sie. Kurze Zeit später steht ihr Vater vor der Hauptwache und lädt Kartons in seinen Transporter.
Aber nicht alle zeigen Verständnis für die Hilfsaktion. "Und was ist mit Afghanistan? Dort ist auch Krieg", ruft ein vorbeigehender Mann der Menge zu. Ein weiterer Passant sagt: "Vor Syrien verschließt ihr die Augen. Ihr Europäer seid so arrogant."
Protest vor dem russischen Generalkonsulat
Einige Meter von der Hauptwache im Nordend ist die Stimmung bedrückt. Ein paar Menschen stehen schweigend vor dem russischen Generalkonsulat. Manche tragen blau-gelbe Blumenkränze. Aus einer Musikbox dröhnt die ukrainische Nationalhymne. Ihre Sicht auf das Konsulat wird von Polizeiautos verdeckt. Die Polizei bat die Teilnehmenden, nur in englischer und deutscher Sprache zu demonstrieren.
Eine der Teilnehmenden ist Kateryna von Bonin. Die gebürtige Ukrainerin steht seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges jeden Tag hier. "Meine Mutter möchte eigentlich nicht, dass ich hier stehe – sie hat Angst um mich", sagt die 34-Jährige. "Aber ich habe ihr gesagt: Mama, ich lebe in Frankfurt. Hier kann mir nichts passieren". Ihre Mutter und weitere Verwandte sind in der Ukraine.
Von Bonin möchte an diesem Ort täglich daran erinnern, was der russische Präsident in ihrem Geburtsland ausgelöst hat. Ihr 63-jähriger Vater kämpft in der Ukraine. Als sie ihn in den vergangenen Tagen anrief, antwortete er: "Ich kann momentan nicht sprechen. Ich bekomme gerade meine Waffen", das berichtetet die mehrfache Mutter mit Tränen in den Augen.
Neben ihr steht ihr Freund Andreas Buchwald und legt seine Hand auf ihre Schulter. Der 31-Jährige ist nicht nur wegen seiner Freundin hier, sondern auch, um sich mit den Menschen in der Ukraine zu solidarisieren.
Doch nicht alle Menschen, die hier vorbeikommen, teilen die gleiche Haltung. Viele aus der russischen Community stünden weiterhin zu Putin, manche drohten oder beleidigten sie, erzählt von Bonin. "Sie nennen uns Nazis."
- Reporterin vor Ort
- Eigene Recherche